Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Schweizer zahlen weiter
Klare Mehrheit gegen Abschaffung der Rundfunkgebühren
GENF (AFP/epd) - Die Schweizer haben mit großer Mehrheit eine Abschaffung der Rundfunkgebühren abgelehnt. Laut dem vorläufigen amtlichen Endergebnis votierten bei der Volksabstimmung 71,6 Prozent dagegen, auch alle Kantone stimmten gegen die „NoBillag“-Initiative. Der Fortbestand der öffentlichrechtlichen Schweizerischen Radiound Fernsehgesellschaft (SRG) mit ihren 6000 Angestellten ist somit weiterhin gesichert. Die Befürworter der Kampagne – benannt nach dem Unternehmen Billag, das die Gebühren einzieht – hatten die Abschaffung der Abgabe in Höhe von jährlich 451 Schweizer Franken gefordert.
Die öffentlich-rechtlichen Sender in Deutschland begrüßten das Ergebnis. Der ARD-Vorsitzende Ulrich Wilhelm sprach von einem Signal für unabhängigen Qualitätsjournalismus, das über die Schweiz hinausreiche. Auch hierzulande ist die Gebühr nicht unumstritten.
BERLIN (dpa) - Die Schweizer wollen die Rundfunkgebühr nicht abschaffen. Eine deutliche Mehrheit hat beim Volksentscheid am Sonntag dagegen votiert. Monatelang hatte es darüber heftige Diskussionen gegeben.
Er sei über die Schweizer Entscheidung erleichtert, sagte Frank Überall, Vorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV). „Auf der anderen Seite muss uns zu denken geben, dass rund ein Drittel der Menschen dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk so kritisch gegenübersteht, dass sie ihn abgeschafft wissen wollen.“Die Kritik am öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist jedenfalls nicht nur in der Schweiz gewachsen. Und das Spektrum der Kritiker ist in Deutschland in den vergangenen Jahren deutlich breiter geworden. Dabei ist der Rundfunkbeitrag hier mit 210 Euro jährlich pro Haushalt deutlich niedriger als in der Schweiz mit umgerechnet rund 390 Euro.
Debatte auch in Deutschland
Doch bei einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey für die Funke Mediengruppe sprachen sich immerhin rund 39 Prozent der Teilnehmer für eine Abschaffung von ARD und ZDF aus. Rund 55 Prozent waren dagegen. ZDF-Intendant Thomas Bellut räumte am Sonntag ein: „Auch in Deutschland müssen sich ZDF und ARD richtigerweise immer wieder einer Legitimationsdebatte stellen und um die Akzeptanz bei den Beitragszahlern kämpfen.“Tatsächlich ist auch in Deutschland selten über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk so gestritten worden wie zuletzt. Dabei hatten die Ministerpräsidenten und Länderchefs erst im Herbst 2016 über die Höhe des Rundfunkbeitrags entschieden, der am meisten Zündstoff bietet. Sie waren sich einig, den Beitrag bis 2020 unverändert bei 17,50 Euro zu belassen.
Diskussionen über den Rundfunkbeitrag danach gibt es trotzdem längst. Auch, weil zum Beispiel der neue ARD-Vorsitzende Ulrich Wilhelm einen „Teuerungsausgleich“verlangt – also eine Beitragserhöhung ab 2021. Am Sonntag wertete Wilhelm die Schweizer Entscheidung als ein „wichtiges Signal für unabhängigen Qualitätsjournalismus auch über die Schweiz hinaus“. Doch viele Kritiker des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wollen aus Prinzip nicht, dass die Sender mehr Geld bekommen. Solche Kritik gibt es inzwischen von vielen Seiten, auch von der FDP. Nur mit Werbung oder Steuermitteln lasse sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht finanzieren, weil die Sender sonst in Abhängigkeiten geraten würden, sagte FDP-Chef Christian Lindner der „Schwäbischen Zeitung“. Doch fügte er hinzu: „Die Gebühr kann in den nächsten Jahren sinken, da gibt es noch erhebliche Sparreserven. Auf keinen Fall dürfen die Gebühren steigen.“Patricia Schlesinger, Intendantin des Rundfunks Berlin-Brandenburg, hat auf die schwierige Situation der Sender hingewiesen: „Egal, wie hoch der Beitrag ausfällt, wir ernten immer Häme“, sagte sie der „taz“. „Senken wir die Gebühr, heißt es: Das sind doch Peanuts. Wollen wir ihn erhöhen, heißt es: Das ist viel zu viel.“
Ein weiterer Streitpunkt ist die mögliche Neufassung des Telemedienauftrags. Das ist die gesetzliche Grundlage, mit der geregelt wird, was die öffentlich-rechtlichen Sender im Internet dürfen und was nicht. Ein Dauerstreitpunkt vor allem zwischen der ARD und den Zeitungsverlagen. Mathias Döpfner, Präsident des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger (BDZV), hatte beim Jahreskongress im September die öffentlichrechtlichen digitalen Angebote als „gebührenfinanzierte digitale Staatspresse“bezeichnet, „die den Wettbewerb verzerrt und uns Presseverlagen kaum Entfaltungsmöglichkeiten lässt“. Die Verleger möchten nicht, dass ARD, ZDF und Deutschlandradio bei einer Überarbeitung des Telemedienauftrags noch mehr Möglichkeiten zugestanden bekommen.
Der für Medien zuständige Kulturminister in Sachsen-Anhalt, Rainer Robra (CDU), sagt nun voraus: „Mit der heutigen Abstimmung in der Schweiz ist der Diskussionsprozess in Europa nicht beendet, sondern er fängt jetzt erst richtig an.“