Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Flügel und Cello loten sensibel die Emotionen aus
Marcus Hagemann und Bengt Forsberg stellen in der Alten Schule auch weniger bekannte Komponisten vor
SIGMARINGEN – Marcus Hagemann am Cello und Bengt Forsberg am Klavier haben auf Einladung der Gesellschaft für Kunst und Kultur ein Kammermusikkonzert in der Alten Schule gegeben. Die beiden Musiker befeuerten sich gegenseitig mit ihren Instrumenten, die sie perfekt beherrschten. Das Publikum dankte anhaltend für dieses Konzert, das zwischen Sergei Rachmaninow und Claude Debussy einen kraftvollen musikalischen Bogen spannte.
Marcus Hagemann verbrachte einen Großteil seiner Jugend in Sigmaringen. Als Cellist feiert er schon seit vielen Jahren große Erfolge. Für dieses Kammerkonzert hat er Bengt Forsberg, einen der führenden Pianisten Schwedens, mitgebracht. Forsberg begann mit einer BachKantate, die sich die Musiker als „Intro, das im Raum stehen bleiben soll“ausgesucht hatten. Hagemanns Cello greift in das Klavierspiel immer wieder für einige Takte ein, tastet sich zunächst vorsichtig vor.
Mit der Sonate Nr. 2 op. 63 von Mieczislaw Weinberg (1919 - 1996) wird ein polnisch-sowjetischer Musiker, dessen Werk eben erst gebührende Beachtung findet, in den Mittelpunkt gerückt. Jetzt dominiert das Cello und geht mit dem Klavier eine Beziehung ein. Im ersten Teil wirkt die Musik wie ein körperliches Spiel, das voller Kraft und Tiefe Möglichkeiten auslotet. Im Andante kommt erst ganz zart die Sehnsucht hinzu, gemeinsam schreiten die Töne der beiden Instrumente äußerst variationsreich, mal antwortend, mal gemeinsam, weiter. Im Allegro dann dominiert zunächst das Klavier, gibt das Tempo vor. In die Bewegung findet sich das Cello ein. Hochdramatisch begegnen sich die beiden Instrumente, um in einem fulminanten Schlussakkord zu enden.
Mit Claude Debussy (1862 - 1918) ehrte die Gesellschaft für Kunst und Kultur beim Konzert auch einen Musiker, dessen in diesem Jahr zum hundertsten Todestag gedacht wird. Auch bei ihm spielt das politische Umfeld keine geringe Rolle. Er bezeichnete sich als „Musicien Français“, wollte er sich doch ganz bewusst gegen die deutsche Tradition absetzen.
Elemente der Oper
So auch mit seiner „Sonate für Cello und Klavier“, die er mit Elementen der Oper angereichert hat. Im Gleich- oder Widerklang stimmen die Instrumente ein, brechen die Melodien wieder auf, um schließlich mit höchster Konzentration das alle Gefühlslagen bedienende Drama zu vollenden.
Forsberg stellt den niederländischen Komponisten Alexander Comitas (geboren 1957) und seine „Jewish Suite“vor. Mit dem ersten und zweiten Satz seiner Suite erinnert er an den jüdisch-polnischen Dichter und Komponisten Mordechaj Gebirtig (1877 - 1942) und an die Tradition der jüdischen Volksmusik. Mit Comitas durchschreiten die beiden Musiker die Tiefen der menschlichen Seele und übersetzen Sehnsucht und Trauer, bis hin zu einem Weinen des Cellos.
In die Sonate op. 19 in g-Moll von Sergei Rachmaninow (1873 - 1943) stimmte Forsberg das Publikum ein: „Ab 1901 schöpfte Rachmaninow nach einer Depression wieder mit neuen Kompositionen Lebensmut und war dankbar, zurückgefunden zu haben.“In der musikalischen Umsetzung der Sonate, die eher eine Aneignung als eine Interpretation darstellte, brachten Hagemann und Forsberg sämtliche Emotionen zum Klingen. Harmonisch, elegisch oder romantisch füllten die Sätze den Raum, aber auch Unruhe, Angst und unbändige Freude schwangen mit. Als Zugabe und „um den Kreis zu schließen“spielten sie noch vier kurze Stücke von Schostakowitsch, mit der sie nach aller Dramatik vor allem die Poesie und ihre Freude am Musizieren zum Ausdruck brachten.