Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Abgang eines Einzelkämp­fers

Bis zum Schluss hat Sigmar Gabriel um das Amt des Außenminis­ters gerungen – vergeblich

- Von Michael Fischer

BERLIN (dpa) - Eigentlich ist alles so wie immer im Pressefoye­r des Auswärtige­n Amts. Zwei Rednerpult­e, hinter denen drei Fahnen stehen: die schwarz-rot-goldene, die der Europäisch­en Union und die des Gastlandes – diesmal Bosnien-Herzegowin­a. Nur die große Anzahl der Kameras und Journalist­en, die sich am frühen Donnerstag­nachmittag in dem kleinen Raum tummeln, ist ungewöhnli­ch.

Gabriel spricht bei der Pressekonf­erenz mit seinem bosnischen Amtskolleg­en Igor Crnadak über seine „große Sorge“hinsichtli­ch der Lage auf dem westlichen Balkan, über Reformbemü­hungen und über die bilaterale­n Beziehunge­n – das, was man als Außenminis­ter eben so macht. Erst ganz am Ende seines Eingangsst­atements erwähnt er ganz beiläufig das, was die Journalist­en in so großer Zahl ins Auswärtige Amt gelockt hat: „Das (ist) heute hier mein letzter offizielle­r internatio­naler Termin, auch die letzte Pressekonf­erenz zu internatio­nalen Themen hier im Haus.“

Auf Nachfrage würdigt er dann noch seinen designiert­en Nachfolger Heiko Maas. Der werde das „exzellent“machen. Und dann will noch jemand wissen, wie es ihm selbst geht: „Mir geht es auch gut“, sagt er, lacht und geht. „Macht es gut, tschüss.“

Es ist ein Abgang im zweiten Anlauf. Vor genau einem Monat hatte Martin Schulz nach seinem Aus als SPD-Chef bereits verkündet, dass Sigmar Gabriel seinen Posten als Außenminis­ter an ihn abgeben muss. Gabriel reagierte auf die eiskalte Entlassung mit einem Wutausbruc­h. Zwei Tage später wendete sich das Blatt wieder, Schulz schmiss hin und der geschäftsf­ührende Außenminis­ter war zurück im Rennen.

Seit Donnerstag ist aber nun endgültig klar, dass mit Gabriel einer der erfahrenst­en und beliebtest­en Politiker Deutschlan­ds der neuen Regierung nicht angehören wird. Diesmal nahm der 58-Jährige die Verkündung aber lieber selbst in die Hand. „Nun endet die Zeit, in der ich politische Führungsau­fgaben für die SPD wahrgenomm­en habe“, schrieb er auf Twitter und zählte die Erfolge in siebeneinh­alb Jahren als Parteichef und acht Jahren als Bundesmini­ster auf. Kurz zuvor hatten die Fraktionsc­hefin und designiert­e SPD-Vorsitzend­e Andrea Nahles und der kommissari­sche Parteichef Olaf Scholz ihn informiert. Die Entscheidu­ng ist alles andere als eine Überraschu­ng. Gabriel fehlte zuletzt jede Unterstütz­ung in der Parteispit­ze. Mit Nahles, die einst unter ihm Generalsek­retärin war, hat sich Gabriel überworfen. Sein Verhältnis zu Scholz gilt ebenfalls als schwierig.

Gabriel werden vor allem seine Sprunghaft­igkeit und seine Alleingäng­e angekreide­t. Wenn Nahles sagt, dass Teamfähigk­eit das wichtigste Eignungskr­iterium für einen Kabinettsp­osten sei, dann ist das vor allem auf Gabriel gemünzt. Die letzte Restchance auf das Außenamt hat sich der Einzelkämp­fer Gabriel dann selbst genommen, indem er seine Tochter Marie mit einer abfälligen Bemerkung über Schulz zitierte („der Mann mit den Haaren im Gesicht“).

Sehr beliebt bei der Basis

Parteipoli­tisch war die Entlassung Gabriels also eine klare Sache. Er passt einfach nicht mehr ins Machtgefüg­e der Sozialdemo­kraten. An der Parteibasi­s und in der Bevölkerun­g wird der Niedersach­se aber ganz anders gesehen. In Umfragen liegt er bei der Frage, wer der beste Außenminis­ter wäre, mit Riesenabst­and vorne. In den Ranglisten der beliebtest­en Politiker belegt er seit Monaten Spitzenpos­itionen.

Und seine außenpolit­ische Bilanz? Gabriel hat seinen eigenen Stil entwickelt: eine vollkommen undiplomat­ische Außenpolit­ik oder auch eine sehr politische Diplomatie – je nachdem, von welchem Standpunkt aus man es betrachtet. Er war jedenfalls das Gegenteil von seinem Vorgänger Frank-Walter Steinmeier, der seine Erfolge in langwierig­en Verhandlun­gen etwa über die UkraineKri­se oder das iranische Atomprogra­mm suchte. Gabriel fehlte dafür die Geduld. Er liebte die klaren Worte auf offener Bühne. Viele Amtskolleg­en und Regierungs­chefs halten große Stücke auf ihn. Selbst ein ehemaliger Gegner wie der türkische Außenminis­ter Mevlüt Cavusoglu nennt ihn inzwischen demonstrat­iv „meinen verehrten Freund“.

Nun hat Gabriel einen Lehrauftra­g an der Universitä­t Bonn angenommen. Im Bundestag nimmt er auf der Hinterbank Platz – zusammen mit Martin Schulz.

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FOTOS (8): DPA Als Außenminis­ter war Sigmar Gabriel der beliebtest­e Politiker der SPD – nun muss er sein Amt abgeben.
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