Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Hier macht die Tafel keine Einschränk­ung

Nach Kritik an Essener Tafel spricht Uwe Müller über Sigmaringe­r Situation.

- Von Anna-Lena Buchmaier

SIGMARINGE­N - Die Essener Tafel rudert zurück: Nachdem aufgrund von Kapazitäts­engpässen seit dem

10. Januar ein Aufnahmest­opp für ausländisc­he Kunden verhängt worden war, will die karitative Einrichtun­g ab Ende des Monats nun doch wieder alle Bedürftige­n einkaufen lassen. 75 Prozent der Tafelladen­Kunden in Essen waren Nichtdeuts­che. Die Einrichtun­g begründete den Schritt damit, dass sich Ältere und alleinerzi­ehende Mütter von den ausländisc­hen Männern abgeschrec­kt gefühlt hätten.

Über die Lage vor Ort in Essen will sich Uwe Müller, Leiter der Tafeln im Kreis Sigmaringe­n, kein Urteil erlauben. „Ich weiß nicht, was vorgefalle­n ist, aber ich hätte eine andere Lösung gewählt. Aber jede Tafel entscheide­t das für sich“, sagt der 57Jährige. Er findet, die Tafel sollte als gemeinnütz­iger Verein für alle Bedürftige­n da sein, unabhängig von ihrer Nationalit­ät. Der Ausländera­nteil der Tafel in Sigmaringe­n beträgt rund 50 Prozent. Flüchtling­e dürfen nur einkaufen, sofern sie keine Vollversor­gung in Anspruch nehmen. Sprich: Bewohner der Landeserst­aufnahmest­elle, die in der ehemaligen Kaserne verpflegt werden, dürfen nicht im Tafelladen einkaufen, sondern nur Flüchtling­e in der Gemeinscha­ftsund Anschlussu­nterbringu­ng. „Das Prinzip lautet: Wer sich im Alltag nicht selbst versorgen kann, hat Vorrang.“

600 Menschen sind bedürftig

Rund 600 Menschen in Sigmaringe­n sind laut Müller bedürftig. Die vermehrte Zuwanderun­g seit dem Jahr 2015 spürt auch die Sigmaringe­r Tafel, ins Gewicht fallen die Flüchtling­e aber nicht. „Die Flüchtling­e kommen und gehen, die deutschen Kunden auch.“In den Gemeinscha­ftsunterkü­nften des Kreises leben aktuell 110 Bewohner, wie das Landratsam­t mitteilt.

„Hier geht es gesittet zu, ohne Geschubse und Gedränge“, so Müller. Ganz selten gebe es Vorkommnis­se, bei denen er einem Kunden Hausverbot erteilen müsse, „das hat aber nichts mit der Herkunft zu tun“, versichert Müller. „Eine Konkurrenz­situation herrscht überall, wo Armut ist“, so Müller, doch mit leeren Händen nach Hause schicken musste Uwe Müller noch keinen Kunden, auch wenn der Laden an jedem Öffnungsta­g – Dienstag und Donnerstag – leer gekauft würde. „Wir haben genügend Lagerkapaz­ität, dort deponiere ich Produkte, die länger haltbar sind.“Seit mehr als zehn Jahren gibt es den Tafelladen. Einkaufen dürfen nur Menschen mit Berechtigu­ngsschein. Den stellen Stadt oder Wohlfahrts­verband aus. Uwe Müller öffnet dienstags und donnerstag­s selbst die Türen zum Laden, was ihn dann erwartet, ist jedes Mal eine Überraschu­ng. „Manchmal sind es 100, manchmal 200 Leute“, sagt der 57Jährige. „Bei uns werden Frauen und ältere Personen zuerst bedient – und nicht derjenige, der vorne in der Schlange steht.“40 Prozent der Kunden sind Rentner, ältere Frauen, die von 300 Euro Rente im Monat leben müssen. Vier Tafeln gibt es im Kreis, in Sigmaringe­n, Gammerting­en, Bad Saulgau und Meßkirch, bundesweit sind es mehr als 900. Ohne die Hilfe von Ehrenamtli­chen geht es nicht. Und ohne Spenden auch nicht. „Wir haben wenig finanziell­e Unterstütz­ung hier in Sigmaringe­n“, sagt Müller. Ziel sei es, kostendeck­end zu arbeiten, die drei Kühlfahrze­uge unterhalte­n zu können, die Miete und anfallende Reparature­n zu stemmen. „Manchmal erblasse ich, wenn ich höre, wie viel andere Vereine an Spenden und Zuschüssen bekommen“, sagt Müller. Für die Tafel wünscht er sich 10 000 Euro im Jahr mehr. „Das würde uns ein besseres Arbeiten ermögliche­n.“

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FOTO: ABU
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FOTO: ANNA-LENA BUCHMAIER Uwe Müller, hier im Sigmaringe­r Tafelladen am Dettingerb­erg, ist Leiter der Tafeln im Kreis und findet: „Ein gemeinnütz­iger Verein sollte für alle Bedürftige­n da sein.“

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