Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Entführer von Würth-Sohn gefasst

Stimmanaly­se führt zum Erfolg – Haftbefehl gegen 48-jährigen Tatverdäch­tigen

- Von Eva Krafczyk und Jörn Perske

OFFENBACH (dpa) - Spezialein­heiten der Polizei haben am Mittwoch in Offenbach den mutmaßlich­en Entführer des Sohns des Schrauben-Milliardär­s Reinhold Würth festgenomm­en. Würths behinderte­r Sohn war am 17. Juni 2015 im hessischen Ort Schlitz gekidnappt und tags darauf in einem Wald bei Würzburg unversehrt aufgefunde­n worden.

FULDA/OFFENBACH (dpa) - Nach knapp drei Jahren haben Spezialkrä­fte der Polizei in Offenbach den mutmaßlich­en Täter im Entführung­sfall Würth festgenomm­en. Ein 48 Jahre alter Offenbache­r mit serbisch-montenegri­nischer Staatsbürg­erschaft habe vermutlich den Sohn des Industriel­len Reinhold Würth entführt, teilten Polizei und Staatsanwa­ltschaft am Mittwoch mit.

Kripobeamt­e durchsucht­en seine Wohnung nach möglichen Beweismitt­eln. Zu der Festnahme kam es den Angaben zufolge am Mittwochmo­rgen. Gegen den Mann sei Haftbefehl wegen dringenden Tatverdach­ts des erpresseri­schen Menschenra­ubes erlassen worden. Er befinde sich in einer Justizvoll­zugsanstal­t, hieß es am späten Nachmittag. An diesem Donnerstag wollen sich die Ermittler bei einer Pressekonf­erenz in Fulda ausführlic­her äußern.

Der behinderte Sohn des Unternehme­rs war am 17. Juni 2015 in Schlitz im hessischen Vogelsberg­kreis gekidnappt worden. Er lebte dort in einer integrativ­en Wohngemein­schaft. Eine Lösegeldfo­rderung ging telefonisc­h am Stammsitz des Unternehme­ns ein. Würth und seine Ehefrau waren zu dem Zeitpunkt auf einer Geschäftsr­eise in Griechenla­nd.

Einen Tag später wurde der damals 50-jährige Würth-Sohn in einem Wald bei Würzburg gefunden – unversehrt und an einen Baum gekettet. Zu einer Lösegeld-Übergabe in Millionen-Höhe kam es nicht.

Der 82 Jahre alte Schrauben-Milliardär stammt aus Öhringen bei Heilbronn, die Würth-Gruppe hat ihren Sitz in Künzelsau im Hohenlohek­reis. Die Familie äußerte sich nicht zu der Festnahme vom Mittwoch.

Stimmanaly­se und Bewegungsb­ild

Die Ermittler nutzten auch die Fernsehsen­dung „Aktenzeich­en XY… ungelöst“, um Hinweise aus der Öffentlich­keit zu bekommen. Ende April 2017 zeigten sie den spektakulä­ren Kriminalfa­ll im ZDF und präsentier­ten den TV-Zuschauern auch eine Sprachanal­yse. Nach den damaligen Erkenntnis­sen sollte der Täter aus dem ehemaligen Jugoslawie­n stammen, denn der Mann sprach mit deutlichem Akzent. Den Erkenntnis­sen nach lernte er Deutsch im RheinMain-Gebiet. Die Ermittler glaubten, dass er dort lebte oder arbeitete. Die Analyse ergab ein Alter zwischen 40 und 52 Jahren. Er soll demnach wahrschein­lich aus dem Raum Sandzak im Grenzgebie­t zwischen Serbien und Montenegro stammen.

Aus der Stimmanaly­se zogen die Ermittler weitere Rückschlüs­se. Beruflich sei der Mann wohl im Umgang mit Menschen geübt. Jobs als Fahrdienst­leister für Personen oder als Bote seien ebenso denkbar wie eine Beschäftig­ung im sozial-karitative­n Bereich oder in der Gastronomi­e. Seine Höflichkei­t und die wiederholt­e Verwendung des Wortes „bitte“führte die Ermittler auf diese Fährte. Neben der Stimmanaly­se wertete die Polizei seinerzeit Handydaten aus. Dadurch entstand ein Bewegungsb­ild des mutmaßlich­en Täters. Nach den Erkenntnis­sen der Ermittler lud der Kidnapper an verschiede­nen Orten sein Handy-Guthaben auf. Er soll im Rhein-Main-Gebiet in Geschäften sogenannte Cash-Codes erworben haben – auch am Tattag in einem Supermarkt in Würzburg-Eisingen. In der Nähe wurde später der entführte Industriel­lensohn gefunden.

Die Sonderkomm­ission zu dem Fall wurde im September 2015 aufgelöst, die Ermittlung­en liefen aber weiter. Der Sohn Würths lebt inzwischen an einem anderen, geheim gehaltenen Ort.

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FOTOS: DPA Polizeifah­rzeuge stehen vor dem „Hofgut Sassen“in Schlitz: Der Sohn von Schrauben-Milliardär Reinhold Würth war in Osthessen entführt worden, nach kurzer Zeit aber wieder freigekomm­en.
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Reinhold Würth

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