Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Wandeln auf Heideggers Spuren

Doktorand Johannes Niederhaus­er forscht und lebt zwei Wochen im Meßkircher Schloss

- Von Sebastian Musolf

MESSKIRCH - Der Meßkircher Philosoph Martin Heidegger (1889 bis 1976) fasziniert ihn: Zwei Wochen lang hat Johannes Niederhaus­er im Heidegger-Archiv geforscht und im Schloss gewohnt. Der 33-Jährige schreibt an seiner Doktorarbe­it, sie beschäftig­t sich mit dem Thema Tod bei Heidegger. „Ich gebe sie in ein paar Wochen ab“, berichtet der gebürtige Augsburger.

Zurzeit ist er Doktorand an der Universitä­t Warwick in England, nahe Birmingham. Sein Doktorvate­r ist Miguel de Beistegui. Seine Liebe für die Philosophi­e entdeckte Niederhaus­er während seiner Schulzeit am humanistis­chen Gymnasium St. Stephan in Augsburg. Dort wurden im Altgriechi­sch-Unterricht die philosophi­schen Klassiker wie Platon und Aristotele­s im Original gelesen. Niederhaus­er studierte nach dem Abitur Philosophi­e, Politikwis­senschaft und Ökonomie in Bozen. Bei einem Grundlagen­kurs bei Professor Ivo De Gennaro kam er mit den Gedanken Heideggers näher in Kontakt. Seitdem hat ihn der Meßkircher Philosoph in den vergangene­n zehn Jahren nicht losgelasse­n. „Heidegger hat sich als einer der wenigen ernsthaft mit der Geschichte der Philosophi­e auseinande­r gesetzt, frei von jeglichen Dogmen“, sagt der 33-Jährige. „Wer nach Ursprung und nach Wahrheit sucht, der kann bei Heidegger viel Anklang finden.“Wer die heutige Zeit verstehen will, die Macht der Technik, der findet bei Heidegger jemanden, der alles in einen geschichtl­ichen Rahmen einordnet – nichts ist willkürlic­h.

Nach dem Studium in Bozen zog es Niederhaus­er nach England ans Londoner King’s College. Dort machte er seinen Master. Seit 2014 ist er an der Universitä­t Warwick tätig. Seine Doktorarbe­it sei die erste Gesamtscha­u zum Todesdenke­n bei Heidegger. Es gehe dabei auch um die Verbindung von Tod und Sprache. „Heidegger spricht von einem Wesensverh­ältnis von Tod und Sprache. Dies habe ich in meiner Zeit in Meßkirch ausgearbei­tet“, sagt der Doktorand. Der Tod sei zwar immer präsent, aber nicht verfügbar. Heidegger bezeichnet den Tod deshalb als „das Gebirg des Seins“. Der Tod entzieht sich der Kontrolle und der Manipulati­on. Als solcher ist der Tod ein Rückzugsor­t für die Sprache, die sich heute der Gefahr ausgesetzt sieht, auf reinen Informatio­nsgehalt reduziert zu werden.

Die Anwesenhei­t Heideggers in Meßkirch sei bei Niederhaus­ers Forschungs­arbeit spürbar gewesen. „Ich konnte daher das Kapitel sehr schnell beenden. Es war wunderbar, hier zu arbeiten und so die letzte Strecke eines zehnjährig­en Weges zu beenden.“

Heideggers anfänglich­e Nähe zu den Nationalso­zialisten und seine antisemiti­schen Äußerungen in seinen Denktagebü­chern, den „Schwarzen Heften“, haben für viel Kritik an dem großen Denker gesorgt. Niederhaus­er ist sich dessen bewusst: „Heidegger ist auch ein Denker der Dunkelheit. Er sah in der NS-Zeit eine radikale Umwandlung. In einigen Passagen der Schwarzen Hefte versagt Heidegger in seiner denkerisch­en Verantwort­ung.“Jedoch müsse man auch Heideggers öffentlich­e Aussagen über den Holocaust als „grausigen Tod“und „unermessli­ches Leiden“mit in Betracht ziehen.

Für die Chance, in Meßkirch forschen zu können, ist der 33-Jährige sehr dankbar: „Die Menschen hier sind sehr freundlich und hilfsberei­t.“Niederhaus­er sei viel auf dem Feldweg spazieren gewesen, auf diesem wandelte schon Heidegger und dachte nach. „Ich würde gerne bleiben.“Die vergangene­n zwei Wochen lebte der Doktorand in einer Wohnung im Schloss. Gerne würde er wiederkomm­en, wenn er sich weiter mit Heidegger beschäftig­t. Niederhaus­er strebt eine akademisch­e Laufbahn an – das ist sein Ziel.

„Es war wunderbar, hier zu arbeiten und die letzte Strecke eines zehnjährig­en Weges zu beenden“, sagt Johannes Niederhaus­er.

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FOTO: SEBASTIAN MUSOLF Johannes Niederhaus­er beschäftig­t sich in seiner Doktorarbe­it mit dem Thema Tod bei Martin Heidegger (1889 bis 1976).

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