Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

17 000 Stellen in der Pflege unbesetzt

Neuer Gesundheit­sminister sieht keine einfache Lösung für Personalno­t

- Von Tobias Schmidt

BERLIN (AFP/epd) - Nach Ansicht des neuen Bundesgesu­ndheitsmin­isters Jens Spahn (CDU) wird es schwer, den Personalma­ngel in der Pflege zu beheben. „Ich möchte als Minister so ehrlich sein zu sagen, das ist nicht mal eben so gemacht“, sagte Spahn am Donnerstag auf dem Deutschen Pflegetag in Berlin. Zuvor war dort das „Pflege-Thermomete­r 2018“veröffentl­icht worden: Demnach können 17 000 Stellen in den rund 13 500 Pflegeeinr­ichtungen derzeit nicht besetzt werden.

BERLIN - Jens Spahn geht gleich in die Vollen. Direkt nach der Amtsüberna­hme steigt der neue Gesundheit­sminister am Donnerstag auf zwei Bühnen, nutzt seine Auftritte auf einem Klinikkong­ress und dem Deutschen Pflegetag in der Hauptstadt, um seine Agenda vorzustell­en und den Wirbel um seine Hartz-IVÄußerung­en vergessen zu machen. Ärmel hochkrempe­ln und die Großbauste­lle Pflegenots­tand anpacken – das ist die Botschaft des Hoffnungst­rägers des CDU-Konservati­ven und Rivalen von Kanzlerin Angela Merkel: „Ich möchte, dass wir den Pflegeberu­f attraktive­r machen. Ich möchte, dass wir mehr Ausbildung­splätze haben. Ich möchte, dass sich vor allem die Pflegekräf­te um die Pflegebedü­rftigen kümmern können.“

„Ich bin noch gar nicht da, da bin ich schon umzingelt von der Selbstverw­altung“, sagt Spahn ironisch mit Blick auf die vielen Gremien in der Gesundheit­spolitik. Immerhin holt er sich gleich einen Verbündete­n mit dem Vorschlag, Andreas Westerfell­haus zum neuen Pflegebevo­llmächtigt­en des Bundes zu machen (siehe den nebenstehe­nden Text).

Unterstütz­ung wird der 37-jährige Gesundheit­sminister brauchen, denn die Herausford­erung ist enorm. 17 000 offene Stellen gibt es derzeit in Deutschlan­ds Pflegeheim­en, wie eine am Donnerstag veröffentl­ichte Studie belegt. Der Fachkräfte­mangel ist dramatisch. Wie will Spahn da das Verspreche­n aus dem Koalitions­vertrag umsetzen, 8000 neue Stellen zu schaffen – und auch zu besetzen? „Das ist die größte Schwierigk­eit. Es wird ein Kampf werden, ausreichen­d Personal zu finden“, sagt SPD-Gesundheit­sexperte und Vizefrakti­onschef Karl Lauterbach im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Der entscheide­nde Hebel, um mehr Menschen für diesen wichtigen Beruf zu gewinnen, ist ein höherer Lohn.“

Bundesweit­e Tarifbindu­ng

Eine bessere Bezahlung soll laut Koalitions­vertrag durch eine bundesweit­e Tarifbindu­ng erreicht werden. Doch Spahn räumt ein, das werde schwierig umzusetzen sein und müsse auch refinanzie­rt werden. Aber die Reserven der Pflegekass­en schmelzen. Erstmals seit 2007 tat sich im vergangene­n Jahr ein Loch auf, schlossen die Kassen mit einem Minus von 2,4 Milliarden Euro ab. Im Klartext: „Die Bürgerinne­n und Bürger müssen sich auf höhere Beiträge für die Pflegekass­en einstellen“, so Lauterbach. „An einer deutlichen Erhöhung führt kein Weg vorbei.“Das Problem Pflegenots­tand könne „nicht mal eben so“gelöst werden. Verzagthei­t gehört indes nicht zu Spahns Charaktere­igenschaft­en. Und so sieht der CDU-Politiker das Gesundheit­sressort auch nicht als eine von Angela Merkel gestellte Falle, um den Rivalen mit unlösbaren Aufgaben zu überforder­n. Es sei keinesfall­s so, dass man mit Gesundheit­spolitik keine Wahlen gewinnen könne, gibt Spahn den Optimisten. „Man kann in der Gesundheit­spolitik viel mehr erreichen, nämlich das Leben besser machen, den Alltag vieler Menschen besser machen.“

Ein paar Hinweise, wie er das System auf Vordermann bringen will, gibt Spahn schon: „Schlechte Qualität muss früher oder später vom Netz, im Interesse der Patientinn­en und Patienten“, sagt er, und meint damit die Schließung von Kliniken, die die Standards nicht erfüllen. Und der elektronis­chen Gesundheit­skarte, bislang ein Flop, soll zum Durchbruch verholfen werden, um den Alltag in den Arztpraxen zu erleichter­n.

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FOTO: DPA Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) bei der Eröffnung des Deutschen Pflegetage­s.

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