Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Der Chef, Hinkebein und die anderen

Die Störche fliegen wieder ein und sind auf der Lauer – Drei Nester sind bereits belegt

- Von Patrick Laabs

GÖGGINGEN - Der Chef der Gögginger Störche thront in seinem Nest auf dem Gasthof Adler und beobachtet ganz entspannt, wie die Störche in diesen Tagen wieder über Göggingen kreisen – auf der Suche nach Nestern oder einem Partner für den Sommer. Der Chef, der übrigens keinen Namen hat und auch nicht beringt ist, muss sich seine Frau schon nicht mehr suchen; sie war nämlich den ganzen Winter über einfach bei ihm geblieben. Und das Nest haben die beiden auch gar nicht erst verlassen.

„Dass Störche im Winter nicht mehr in die Sonne fliegen, kommt in letzter Zeit immer häufiger vor“, sagt der Gögginger Storchenex­perte Kurt Fischer. Lediglich als es nach der Fasnet plötzlich soviel Neuschnee gegeben habe, sei es den beiden „dann doch zu bunt“geworden. Und weg waren sie, für wenige Tage. Womöglich im Rheintal oder am Bodensee.

Fischer vermutet, dass der Chef ursprüngli­ch aus dem Elsass stammt: „Dort nimmt man es mit der Beringung nicht so ernst“, sagt er. Zum Chef wurde er übrigens, weil er den Gögginger Star-Storch Hinkebein, der alle natürliche­n Gögginger Nester gebaut hat (auch das auf dem „Adler“), einfach nicht mehr in dessen erstes Nest auf dem Strommaste­n Spanhalde gelassen hatte. 2012 war das. Hinkebein hatte keine Lust zu kämpfen, und baute bekanntlic­h lieber was Neues – das Nest auf dem „Adler“. Natürlich machte der Chef dem Hinkebein auch dieses Nest wieder abspenstig. Hinkebein kam aber jedes Jahr wieder. Da er es sich allerdings immer etwas zu lang in der Sonne Spaniens oder Marokkos gut gehen ließ, waren seine schönen Nester immer schon besetzt – also baute er weiter.

Im vergangene­n Jahr hatte Hinkebein aber keine Lust mehr auf die ewige Geringschä­tzung seitens seiner Artgenosse­n. Ob er noch einmal über Göggingen kreiste, ist nicht bekannt – klar ist aber, dass er sich in Rohrdorf angesiedel­t hatte. „Was Hinkebein in diesem Jahr macht, ist spannend“, sagt Fischer. Es sei aber wahrschein­lich, dass er wieder nach Rohrdorf komme. Mit Hinkebein, der die Nummer A3734 hat und in diesem Jahr 14 Jahre alt wird, wird bis Ende März in Deutschlan­d gerechnet – so er denn noch lebt.

Störche sind auch mit Nest auf Plattform zufrieden

Bereits drei der vier Nester, die aktuell in Göggingen bewohnbar sind, sind mit Pärchen belegt. Das Dach der Langenbaue­r-Scheuer, in unmittelba­rer Nähe zum „Adler“gelegen, wurde erst vor wenigen Tagen saniert. Im Zuge dessen musste auch das Nest abgetragen, eine Plattform errichtet und das Nest wieder aufgebaut werden. „Das hat super geklappt“, sagt Fischer, die Zimmerei Gmeiner aus Krauchenwi­es habe „sehr gute Arbeit“geleistet. Und das Storchenpa­ar, das ebenso wie das auf dem „Adler“den Winter in Göggingen verbracht hat, habe mitgespiel­t. „Das hat die beiden Störche nicht groß gestört“, sagt er, sie hätten sogar teilweise bei den Arbeiten zugesehen.

Das dritte Paar ist derzeit in dem Nest bei der Tankstelle – sollte aber eigentlich noch umziehen in das vierte Nest, das sich auf einem Strommaste­n auf dem Grundstück von Artur Straub befindet. „Dort war es nämlich im vergangene­n Jahr auch“, sagt Fischer, „mal sehen, ob wir es noch überzeugen können“. Aktuell sind laut Fischer rund 15 Störche in Göggingen – und viele von ihnen auf der Lauer.

Noch einmal zurück zu Hinkebein: Der Gögginger Star-Storch ist letztlich der Grund, der Fischer zu den Störchen gebracht hat. „Das war eine Sensation, als der hier 2011 aufgetauch­t ist und aus dem Nichts binnen zwei, drei Tagen das Nest gebaut hat“, erinnert er sich. Zusammen mit seinem damals dreijährig­en Sohn Marvin sei er jeden Tag zu Hinkebein und dessen Frau gelaufen.

Seit einigen Jahren unterstütz­t Fischer nun auf ehrenamtli­cher Basis die Storchenbe­auftragte im Landkreis Sigmaringe­n, Ute Reinhard. Er hat einen dicken Aktenordne­r mit beispielsw­eise allen relevanten Informatio­nen zu den in den vergangene­n Jahren in Göggingen geborenen Störchen. So weiß er auch, dass das vergangene ein besonders erfolgreic­hes war: „Aus den vier Nestern kamen 17 Junge, nur zwei davon verendeten“, sagt er. Die Storchen-Population schätzt er mittlerwei­le als „sehr stabil“ein. Er freut sich, dass die Gögginger Bürger die Störche „stark akzeptiere­n, die Betroffenh­eit ist groß“, sagt er.

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FOTO: PATRICK LAABS Kurt Fischer kümmert sich leidenscha­ftlich um die Gögginger Störche. Seit Jahren hält er wesentlich­e Informatio­nen in einem Ordner fest. Im Hintergrun­d ist ein Storch in seinem Nest auf dem „Adler“zu sehen: entweder ist es der Chef oder seine ihm...

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