Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
„Sigmaringen hat Potenzial“
GSW-Geschäftsführer Roy Lilienthal über den Immobilienmarkt der Zukunft.
- Die Bevölkerung im ländlichen Raum ist älter als im Landesschnitt. Wie wirkt sich dies auf die Immobilienbranche und auf Baupreise in Sigmaringen aus? Roy Lilienthal, Geschäftsführer der Gesellschaft für Siedlungs- und Wohnungsbau Baden-Württemberg (GSW), gibt im Interview mit Redakteurin Anna-Lena Buchmaier Antworten.
Herr Lilienthal, nehmen die Immobilienpreise hier tendenziell im Vergleich zu großen Städten ab, weil auf lange Sicht Käufer fehlen?
Die Nachfrage nach Kauf- und Mietimmobilien nimmt auch hier kontinuierlich zu, was sich auch auf die Angebotspreise auswirkt. Ich gehe davon aus, das dies auch in Sigmaringen auf absehbare Zeit so bleiben wird. Wir beobachten immer stärker, dass im ländlichen Raum die mittelgroßen Städte eine immer größere Anziehungskraft entwickeln. Das ist vor allem bei innenstadtnahen Immobilien der Fall und zwar in allen Segmenten, ob bei gebrauchten Immobilien oder bei Einfamilienhäusern, sowohl auf dem Kauf- als auf dem Mietmarkt. Die Entwicklung der kletternden Baupreise schlägt sich auch auf die Kaufpreise nieder. Vor zehn Jahren hat der Quadratmeter hier noch 2000 Euro gekostet, nun sind es bereits 3000 Euro.
Wieso ist aufgrund des demografischen Wandels nicht mit einer sinkenden Nachfrage zu rechnen? Schaut man die Statistiken des statistischen Landesamtes an, soll der Anteil junger Menschen in den nächsten zehn bis 15 Jahren weiter abnehmen. Die größte Bevölkerungsschicht ist dann die der 65bis 79-Jährigen und über 80-Jährigen und somit nicht die klassische Bauherrenklientel.
Gerade Städte im ländlichen Raum wie Sigmaringen mit rund 15 000 Einwohnern haben die Tendenz, zu wachsen. Dort gibt es Arbeitsplätze, reizvolle Natur und eine intakte Infrastruktur, im Vergleich zu kleineren Dörfern, die eher Gefahr laufen, auszusterben. Die Realität überholt die Statistik oftmals, das haben wir erst in jüngster Vergangenheit gesehen. Entgegen aller Prognosen ist die Bundesrepublik in den vergangenen Jahren um eine Million Menschen angewachsen, allein aufgrund von steigenden Geburtenzahlen und Zuwanderung, und damit meine ich nicht die Flüchtlinge, sondern Zuwanderer aus dem EU-Gebiet, die auch bleiben. Ein anderer Trend überholt sich gerade selbst: Die sogenannten Schwarmstädte wie München, Berlin, Hamburg oder Frankfurt sind so teuer, dass die Leute lieber ins Umland ziehen.
Sie schenken solchen Statistiken also keinen Glauben?
Ich betrachte Hochrechnungen mit gesunder Skepsis, die regionalen Auswirkungen sind doch sehr unterschiedlich. Sigmaringen hat einen günstigen Standortfaktor, attraktive Miet- und Kaufpreise, eine intakte Infrastruktur und ich könnte mir vorstellen, dass dies viele Unternehmen dazu bringen wird, hier zu investieren, weil sich deren Mitarbeiter hier niederlassen können. Der Verdienst ist, wenn überhaupt, geringfügig schlechter als in größeren Städten, die Bau- und Mietpreise hingegen sind wesentlich günstiger.
Sigmaringen mag ein guter Wirtschaftsstandort sein, hat aber eine schlechte Verkehrsanbindung und viele Bürger wünschen sich mehr Freizeitangebote wie ein Kino oder Hallenbad. Allein die Arbeitsstelle bindet ja noch nicht an einen Wohnort.
Vor allem entscheidend ist die Gesundheitsversorgung und die Nähe zu reizvollen Umgebungen, was gegeben ist. Sigmaringen ist ein attraktiver Wohnstandort, die Stadt müsste das aber mehr nach außen transportieren. Die Stadt hat Potenzial, macht aber zu wenig daraus.
Wie lauten Ihre Prognosen für die Sigmaringer Immobilienbranche in den nächsten zehn bis 30 Jahren?
Städte im ländlichen Raum sind der Magnet der Zukunft. Die ärztliche Versorgung in kleinen Ortschaften wird immer schlechter, davon profitieren mittelgroße Städte. Die Konzentration auf diese Städte wird zunehmen.
Aber auch in Sigmaringen macht sich der Fachkräfte- und Facharztmangel bemerkbar. Ist Sigmaringen nicht zu klein, um mehr als ein Mittelzentrum zu werden?
Das könnte sein, ich halte die Stadt aber für zu groß, als dass sie durchs Raster fallen könnte.
Im derzeitigen Niedrigzinsumfeld lassen sich gut Schulden machen, allerdings sind ja die Immobilienpreise steigend. Übernehmen sich manche Häuslebauer dadurch?
Teilweise schon. Das ist aber weniger ein Sigmaringer Problem. 3000 Euro für einen Quadratmeter Neubau ist brutal günstig. Da gibt es wenig preiswertere Standorte.
Was ist mit den Häusern in den Vororten? Sie sagten, innenstadtnahe Immobilien seien immer begehrt. Machen die Käufer und Bauer im Umland somit Verluste?
Das Phänomen hatten wir zwischen 1995 und 2005. Das Geld, das manche unserer Kunden damals in Bauträgerwohnungen investiert hatten, haben diese später nicht mehr bekommen – das war beispielsweise in Sigmaringen, Sigmaringendorf, Pfullendorf aber auch in Engen und sogar in Ravensburg der Fall. Jetzt müssten wir wieder einen Bereich erreicht haben, in dem wir ins Plus rutschen. Wie sich dies künftig entwickelt, ist schwer zu sagen. Im Umkehrschluss wäre es aber nicht ratsam, in Immobilien in Schwarmstädten zu investieren, weil die Bau- und Kaufpreise dort so teuer sind, dass keine Wertsteigerung mehr zu erzielen ist. Die Rendite durch Mieteinnahmen ist kaum profitabel, da diese in keinem Verhältnis zu den Verkaufspreisen steht. Cleverer wäre es, in Sigmaringen eine Wohnung zu kaufen und sie für acht bis neun Euro pro Quadratmeter zu vermieten.
Es werden Wohnformen für ältere Menschen erforderlich. So hat die GSW die betreute Senioren-WG am Adlerplatz in Laiz geschaffen. Sind von dieser Sorte derzeit mehr Wohnungen geplant?
In Sigmaringen derzeit nicht, was aber auch mit der für soziale Träger schwierigen Gesetzgebung zu tun hat. Die Vorstellung von einer ganz selbstbestimmten Wohnform für Ältere ist praxisfern und schwer zu realisieren.