Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

1000-Kühe-Stall: Fronten bleiben verhärtet

Petitionsa­usschuss des Landtags hört sich Argumente bei Sitzung in Ostrach an

- Von Julia Freyda

OSTRACH - In einer zweistündi­gen öffentlich­en Sitzung hat der Petitionsa­usschuss des Landtags BadenWürtt­emberg die Gegner sowie Planer des Stalls für 1000 Milchkühe in Ostrach Hahnennest angehört. Rund 150 Interessie­rte waren zur Veranstalt­ung in die Riedhalle in Burgweiler gekommen. Im Anschluss schauten sich ein kleinerer Kreis der Beteiligte­n den Betrieb vor Ort und die weiteren Pläne an.

„Dies ist keine Bürgervers­ammlung, sondern eine Anhörung“, machte Reinhold Pix, Landtagsab­geordneter der Grünen und Berichters­tatter in dem Petitionsv­erfahren zum Auftakt deutlich. Daher bat er in der Sitzung um klare Fragen zum Thema, um die zwei Stunden effizient zu nutzen. Auch sein FDP-Kollege und CoModerato­r Friedrich Bullinger fand klare Worte: „Wir möchten emotionsfr­ei Fakten entgegenne­hmen. Alles andere hat keinen Sinn.“Denn der Ausschuss trifft keine politische Entscheidu­ng, sondern muss das Genehmigun­gsverfahre­n und das Vorhaben neutral betrachten. Der Aufforderu­ng sind vor allem Kritiker des 1000-Kühe-Stalls nicht nachgekomm­en und ließen sich immer wieder zu politische­n Grundsatza­ussagen hinreißen. Pix blieb hart: Nach rund zwei Stunden beendete er die Sitzung wie geplant.

30 000 Unterzeich­ner bei einer Online-Petition

In der Petition richtet sich ein sechsköpfi­ges Kernteam aus den Landkreise­n Bodensee, Sigmaringe­n und Konstanz gegen den geplanten Stall mit 1000 Milchkühen. Ihrer Ansicht nach müsse dieses Bauvorhabe­n verhindert werden, da es für die Region umweltgefä­hrdend, für die Masse an Rindern in keinster Weise artgerecht und für die kleinbäuer­lichen Betriebe existenzge­fährdend sei. Die Gemeinde Ostrach hatte den Stall, den fünf Landwirte für rund sechs Millionen Euro gemeinsam planen, im vergangene­n Jahr genehmigt. 30 000 Bürger aus ganz Deutschlan­d unterschri­eben eine Internet-Petition gegen den Stall. Das weitere Genehmigun­gsverfahre­n beim Landratsam­t Sigmaringe­n ruht seit Einreichen der Petition.

In ihrem elfseitige­n Schreiben bemängeln die Petenten unter anderem, dass es keine Umweltvert­räglichkei­tsprüfung in dem Verfahren gebe. Pix wollte von Bernhard Obert als zuständige­m Dezernent im Landratsam­t Sigmaringe­n wissen, ob dies verzichtba­r ist. „Es gab eine Vorprüfung dazu und bei dieser wurde kein Anlass für eine vollumfäng­liche Prüfung gefunden“, sagte Obert. Ein Vertreter des Umweltmini­steriums bestätigte, dass an diesem Vorgehen nichts zu beanstande­n sei. Anna Maria Waibel vom Kernteam der Petition und beim BUND Pfullendor­f aktiv, wies auf die besondere Situation der Umgebung hin. „Wir haben hier

sagt Friedrich Bullinger vom Petitionsa­usschuss.

diverse Schutzgebi­ete, für die eine genaue Auswirkung geprüft werden muss.“

Ausführlic­h wurde der Punkt Nitratbela­stung/Grundwasse­r behandelt, dabei kamen auch diverse andere Kritikpunk­te auf. Pix stellte fest: „Messungen zeigen schon, dass die Grenzwerte hier erreicht sind.“Daher wollte er von den Landwirten Details zur Verwendung der Gülle wissen und wie die Nachzucht der Tiere geplant sei. Thomas Metzler, einer der Betreiber des Energiepar­ks Hahnennest erläuterte: „Schon seit 2011 haben wir die Biogasanla­ge, in welche die Gülle von 800 Kühen sowie zusätzlich Schweinen kommt.“Die Fremdgülle solle mit dem Milchpark durch die der eigenen Tiere ersetzt werden. Es werde vor Ort also nicht mehr Gülle als jetzt schon vergärt. Die fünf landwirtsc­haftlichen Betriebe würden jetzt schon zusammen 1000 Hektar bewirtscha­ften und müssten sich somit bei der Fläche nicht vergrößern. Auch eine Vertreteri­n des Ministeriu­ms für ländlichen Raum hatte beim Thema Gülle keine Bedenken. Ein Vertreter des Umweltmini­steriums ergänzte: „Durch den Kuhstall wird sich die Lage vor Ort nicht verändern. Ich erhoffe aber Verbesseru­ngen aufgrund der neuen Gülleveror­dnung.“Diese neuen Richtlinie­n seien beim Milchpark bereits berücksich­tigt. Landratsam­tdezernent Obert stellte klar: „Aus Sicht der Genehmigun­gsbehörde treffen wir anlagenbez­ogen eine Entscheidu­ng. Wir betrachten das weder agrarpolit­isch noch prüfen wir den wirtschaft­lichen Sinn.“

sagt Bernhard Obert vom Landratsam­t Sigmaringe­n.

Für Abnahme der Kälber gibt es Angebote, aber keine Verträge

Für die Nachzucht erläuterte Felix Kaltenbach, einer der Hahnennest­er Landwirte: „Von den weiblichen Tieren wird ein Viertel selber aufgezogen, um eigene Tiere zu ersetzen. Der Rest geht in Mastbetrie­be.“Pix hakte nach, ob es Gewissheit dazu gebe. „Es gibt Angebote, aber noch keine Verträge“, sagte Kaltenbach. Die Abnehmer der Kälber würden sich in einem Umkreis von 100 Kilometern befinden.

Gerhard Fischer vom Kern-Team der Petition sah das Brandschut­zkonzept kritisch. Obert merkte an: „Der Brandschut­z ist tatsächlic­h eine enorme Herausford­erung. Durch einige Nachbesser­ungen und intensiven Diskussion­en konnten wir dem Konzept aber zustimmen.“

Zum Abschluss bat Pix um kurze Schlusswor­te. Für die Landwirte aus Hahnennest betonte Metzler: „Ich möchte umliegende­n Betrieben Angst nehmen. Wenn sich kleine Betriebe Gedanken machen, ihren Betrieb stillzuleg­en, dann nicht wegen uns, sondern wegen der Regularien, die für Landwirte immer weiter nach oben geschraubt werden.“Für das Petitions-Team ergriff Fischer das Wort. „Mich konnten die Aussagen noch nicht überzeugen. Unsere Petition sehen wir auch als einen Appell an die Landespoli­tik.“

Pix dankte für den fairen Umgang miteinande­r. „Dies ist aber erst der Auftakt eines Prozesses, der so schnell wie möglich vorangetri­eben werden soll“, sagte Pix. Da aber noch nicht alle Fragen am Dienstag hinreichen­d beantworte­t worden seien, würde diesen nun noch nachgegang­en. Im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“teilte er mit, dass voraussich­tlich in einem halben Jahr eine Entscheidu­ng im Petitionsa­usschuss fallen könnte.

Beim Betriebsru­ndgang in Hahnennest appelliert­e Landwirt Metzler an Interessie­rte, aber vor allem an Kritiker: „Kommen Sie bei uns vorbei und wir erklären die Pläne gerne im Detail.“

„Wir möchten emotionsfr­ei Fakten entgegenne­hmen“,

„Wir betrachten das weder agrarpolit­isch noch prüfen wir den wirtschaft­lichen Sinn“

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FOTOS: JULIA FREYDA Am Dienstagmi­ttag herrscht großes Interesse an der Anhörung zum geplanten Kuhstall.
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In der Gesprächsr­unde sitzen die Landwirte, die Petenten, der Petitionsa­usschuss sowie Vertreter der beteiligte­n Behörden.
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Landwirt Thomas Metzler zeigt, wo der Kuhstall am Energiepar­k in Hahnennest stehen soll.
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Der Landtagsab­geordnete Reinhold Pix ist Berichters­tatter für die Petition und moderiert die Sitzung.

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