Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Mörder schlägt sich nach Bologna durch
Der frühere Sigmaringer Polizeichef Gerd Stiefel hat seinen zweiten Roman geschrieben
MESSKIRCH - Der ehemalige Sigmaringer Polizeichef Gerd Stiefel hat seinen zweiten Roman „Via Bologna“geschrieben. Dieser ist beim Meßkircher Gmeiner-Verlag erschienen. Der 59-jährige Autor berichtet von einem wahren Mord mit Familienbezug.
In der großen und weit verzweigten Verwandtschaft Stiefels war es kein Geheimnis, dass zwei männliche Vorfahren aus dem 19. Jahrhundert auf tragische Weise ums Leben gekommen sind. Friedrich Stiefel wurde 1893 auf dem Heimweg von Hermannsdorf zu seinem Hof ermordet. Schon 50 Jahre zuvor hatte dessen Großvater Johannes Stiefel das gleiche Schicksal ereilt. Auch er kam nach dem Verkauf von Vieh auf dem Hechinger Markt nicht mehr nach Hause zurück. Am Edelberg bei Hermannsdorf wurde der 62-Jährige auf brutale Weise erschlagen. Die Gendarmen stellten als Tatwaffe einen Deichselnagel sicher.
Zwei Gedenksteine erinnern bis heute an das Geschehen. Doch über die Frage, ob die Mörder gefunden und zur Rechenschaft gezogen wurden, kursierten in der Familie nur vage Kenntnisse, die sich im Laufe der Jahre und über die Generationen verwässerten. Über das Schicksal von Karoline Stiefel, Witwe des 1893 ermordeten Bauern Friedrich Stiefel, gibt es reichlich historische Quellen. Sie blieb nach dem Verbrechen an ihrem Mann mit zwölf Kindern mittellos zurück, musste den überschuldeten Hof auf der Kuche bei Hermannsdorf verlassen und entging nur knapp dem Bettelstab. Auf Betreiben des damaligen Stadtpfarrers von Haigerloch fand sie mit ihren Kindern Aufnahme in Bietenhausen und wurde die erste Hausmutter des dortigen Diasporahauses. Vor drei Jahren wurde der neu gestaltete Platz vor der Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung nach dieser „Heldin des Alltags“benannt.
Gerd Stiefel hat seiner Urgroßmutter mit seinem im Jahr 2011 erschienen Roman „Stiefels Stein“ein Denkmal gesetzt. Die Lebensgeschichte der Witwe Stiefel zeichnet ein Bild der sozialen Verhältnisse um die Wende zum 20. Jahrhundert und hat viele Menschen tief berührt.
Doch die Geschichte, die hinter den beiden Gedenksteinen schlummert, das spürte Gerd Stiefel, war mit diesem Kapitel der Familiengeschichte noch nicht zu Ende erzählt. Ungezählte Stunden hatte der 59-Jährige in Archiven verbracht, Quellen gesammelt, Akten studiert, Gespräche mit Historikern und Heimatkundlern geführt. Die Neugier des kleinen Jungen und der Spürsinn des erwachsenen Mannes, der im Hauptberuf als leitender Kriminaldirektor beim Polizeipräsidium Konstanz arbeitet, erwiesen sich als Triebfeder, für weitere drei Jahre in der Freizeit Spuren nachzugehen, Verborgenes zu erkunden, Fußabdrücke und Fährten zu deuten.
Mörder rückt in den Fokus
Nun hat Gerd Stiefel einen zweiten Roman nachgelegt, einen historischen Krimi, mit dem der 59-Jährige noch viel weiter in die Vergangenheit reist. Das machte die Nachforschungen schwieriger, bot andererseits Raum für Fantasie. „Via Bologna – ein Toter in Hohenzollern“, setzt die Stiefelsche Familiengeschichte nicht fort – in den Fokus rückt vielmehr Jakob Egle, der Mörder von Johannes Stiefel. Egle arbeitete damals als Knecht auf dem fürstlichen Domänenhof. Er sei, so wird es bis heute in Kreisen kolportiert, die an der Familienchronik schreiben, nach der Tat nach Amerika geflohen und habe sein Verbrechen auf dem Totenbett gestanden.
Doch die Ereignisse um das Jahr 1843 haben einen ganz anderen Verlauf genommen, beruft sich Gerd Stiefel auf historisch gesicherte Quellen: Der aus Burgfelden stammende Egle schlug sich nach Italien durch, leistete in Bologna im zweiten päpstlichen Fremdenregiment Dienst und wurde für sein im Hohenzollerischen begangenes Kapitalverbrechen tatsächlich zur Rechenschaft gezogen.
Der Fall Egle „zieht Kreise vom Hechinger Fürstenhof über das württembergische Königshaus bis in den Vatikan“, verrät der Autor. Da über Egles Fluchtweg nichts bekannt ist, ließ Gerd Stiefel seiner Kreativität freien Lauf und baute fiktive Handlungsorte ein. Mit viel Lokalkolorit ausgemalt, zieht sich die Spur des Verbrechers von Meßstetten über Konstanz und St. Gallen bis ins lebhafte und pittoreske Bologna in der norditalienischen Region EmiliaRomagna. Gerd Stiefel verwebt Dichtung und Wahrheit zu einer spannenden und höchst unterhaltsamen Geschichte. Einmal begonnen, legt man das Buch so schnell nicht mehr aus der Hand.