Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
„Wir brauchen jemanden, der mitarbeitet“
Jürgen Heim, seit mehr als fünf Jahrzehnten Mitglied im DAV, will im April den Vorsitz abgeben
PFULLENDORF - Aus der Pfullendorfer Vereinslandschaft ist Jürgen Heim kaum wegzudenken: Seit Jahrzehnten engagiert er sich im Deutschen Alpenverein. Doch jetzt will er das Amt des Vorsitzenden in neue Hände legen. Mit SZ-Redakteur Sebastian Korinth spricht Heim über das Reizvolle am Alpenverein, ständig steigende Mitgliederzahlen und die Aufgaben seines Nachfolgers.
Schon vor zwei Jahren haben Sie angekündigt, dass Sie sich aus dem Vorstand zurückziehen wollen. Jetzt machen Sie Ernst. Warum haben Sie sich dazu entschieden, bei der Hauptversammlung am 18. April nicht mehr für den Vorsitz zu kandidieren?
Ich bin jetzt 70 Jahre alt – und finde einfach, dass mal neue Köpfe ran müssen. Das hat nichts mit Amtsmüdigkeit zu tun. Außerdem gehe ich der Sektion ja nicht verloren: Wenn sich die Mitglieder das wünschen, werde ich mich weiterhin einbringen und die weitere Entwicklung gegebenenfalls kritisch betrachten.
1989 hatte die DAV-Sektion Pfullendorf 250 Mitglieder. 2004 wurde die 1000-Mitglieder-Marke geknackt und inzwischen sind es mehr als 1600. Wie erklären Sie sich diesen Erfolg?
Ganz ehrlich: Das habe ich mich auch schon oft gefragt. Aber wir bieten natürlich ein wahnsinnig großes Programm an – vom Wandern über das Klettern und Skifahren bis hin zum Mountainbiken. Die Breite des Angebots macht uns attraktiv. Beliebt sind wir aber auch wegen des eigenen Kletterturms und des Vereinsheims „Haus Don Bosco“in Au im Bregenzerwald. Die Hütte ist wunderbar gelegen und eignet sich hervorragend zum Skifahren oder als Ausgangspunkt für Wanderungen und Bergtouren. Meine Vorgänger als Vorsitzende, Erwin Moser und Jürgen Koeberle, haben den Grundstein für diese positive Entwicklung gelegt. Und viele engagierte Mitglieder haben durch ihren Einsatz ebenfalls dazu beigetragen.
Wann und wie sind Sie selbst zum DAV gekommen?
In den Alpenverein bin ich 1965 als Jugendlicher eingetreten, damals noch in die Sektion Überlingen. Ich bin gerne Ski gefahren und die Berge haben mich schon immer fasziniert. 1967 wurde dann die Sektion Pfullendorf gegründet. Über die Zuständigkeit für den Skilanglauf bin ich dort irgendwann im Vorstand gelandet. Mir war aber immer wichtig, dass sich der Verein nicht nur aufs Skifahren konzentriert, sondern zum Beispiel auch weiterhin aufs Bergsteigen. Die letzten elf Jahre war ich Vorsitzender, die 14 Jahre davor stellvertretender Vorsitzender.
Welche Meilensteine aus der Zeit im Alpenverein sind Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?
Als wir vor 28 Jahren das Haus Don Bosco erworben haben, war das schon ein einschneidendes Erlebnis. Ein halbes Jahr lang haben wir das Haus damals erst einmal saniert. In dieses Projekt haben wir viel Zeit und viel Arbeit gesteckt. Ein weiterer Meilenstein war der Bau der Kletteranlage im Tiefental. Toll war aber auch die Eröffnung unserer Geschäftsstelle an der Uttengasse vor drei Jahren. Damit haben wir nicht nur einen Raum für Vorstandssitzungen und ein Büro gefunden, son- dern auch Platz für Akten, Bücher, Karten, Führer und Zubehör wie Bergsportausrüstung. Vieles davon habe ich vorher bei mir im Keller gelagert. Aber auch, dass unsere Mitgliederzahlen von Jahr zu Jahr steigen, fasziniert mich.
Haben Sie sich auch mal so geärgert, dass Sie am liebsten die Brocken hingeschmissen hätten?
Nein, nie. Natürlich habe ich mich hin und wieder über bestimmte Vorgänge geärgert, aber dann muss man darüber halt mal eine Nacht schlafen. Wenn man so ein Amt inne hat, ist vor allem eines wichtig: eine Partnerin, die das zumindest toleriert und die einen im besten Fall sogar unterstützt. Das war bei meiner Frau und mir immer der Fall. Sonst hätte ich mich definitiv nicht so lange im Vorstand engagiert. Ich muss aber auch ganz klar sagen, dass bei der Arbeit im Verein die positiven Aspekte immer deutlich überwogen haben.
Haben Sie schon einen Nachfolger im Auge?
Ein Verein mit so vielen Mitgliedern kann selbstverständlich nicht unvorbereitet in die nächste Hauptversammlung gehen. Wir werden einen Kandidaten für das Amt des Vorsitzenden vorschlagen, der diesen Posten auch übernehmen würde. Aber wir sind natürlich auch für weitere Bewerbungen offen. Klar ist: Wir brauchen jemanden, der mitarbeitet. Und weniger jemanden, der den Verein nur repräsentiert.
Um welche Aufgaben muss sich der Vorsitzende denn kümmern?
Er muss vor allem zahlreiche Verwaltungsaufgaben übernehmen: Post bearbeiten, Zuschüsse beantragen, Sitzungen vorbereiten, Monatsund Jahresabschlüsse machen. Neue Aufgaben wie die Umsetzung der EU-Datenschutzverordnung oder das Einholen von erweiterten Führungszeugnissen in der Jugendarbeit nehmen viel Zeit in Anspruch. Wir haben ein riesiges Jahresprogramm und der DAV gilt ja auch als Naturschutzverband. Das „Haus Don Bosco“ist ein Erfolgsgarant, erfordert aber auch viel verwaltungstechnischen Einsatz.
Das klingt nach einem Haufen Arbeit. Kann das überhaupt jemand leisten, der noch berufstätig ist und/oder eine Familie hat?
Es wird auf jeden Fall eine Herausforderung. Wenn die Mitgliederzahlen weiter steigen und die bürokratischen Anforderungen weiter zunehmen, stellt sich in Zukunft die Frage, ob die Geschäftsführung überhaupt noch ehrenamtlich zu stemmen ist. Ich könnte mir vorstellen, dass es irgendwann nötig wird, jemanden hauptamtlich für diese Aufgaben zu beschäftigen. Das wird vermutlich eines der Themen sein, mit denen sich mein Nachfolger durchaus auseinandersetzen muss.