Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Kampf im Garten

Bei Freigänger­katzen lassen sich Auseinande­rsetzungen untereinan­der oft nicht vermeiden

- Von Julia Ruhnau

MÜNCHEN (dpa) - Ein lautes Kreischen in der Nacht, Gerumpel im Garten, und dann kommt die eigene Katze mit blutigem Ohr und zerzaustem Fell herein: Wer einen Freigänger hat, wird früher oder später Zeuge der Kämpfe, die sich der eigene Liebling mit benachbart­en Katzen liefert. Wenn es richtig zur Sache geht, können ernsthafte Verletzung­en die Folge sein. Doch es gibt Möglichkei­ten, das Risiko für die eigene Katze zu minimieren.

„Katzen sind häufig in Revierkämp­fe verwickelt“, erklärt Moira Gerlach vom Deutschen Tierschutz­bund. Besonders nicht kastrierte Kater geraten schnell aneinander. Auch wenn rollige Katzen in der Nähe sind, steigt die Gefahr für Auseinande­rsetzungen. „Katzen sind komplette Individual­isten“, erläutert Birga Dexel, Katzenexpe­rtin und Geschäftsf­ührerin des Cat Institute, einer Tierberatu­ngspraxis in Berlin. Wenn man Glück hat, verstehen sich benachbart­e Tiere – sie können sich aber auch spinnefein­d sein.

Haltern sollte dabei klar sein, dass ihre Vierbeiner gleich zwei sehr effiziente Waffen besitzen, um ihre Gegner zu traktieren: Krallen und spitze Zähne. Verletzen sie sich damit, kann es zu Abszessen oder Infektione­n kommen. „Katzen haben viele Keime im Mund“, sagt Gerlach. Krankheite­n wie FIV, auch Katzenaids genannt, können bei Kämpfen übertragen werden. Freigänger sollten auf jeden Fall gegen gängige Krankheite­n geimpft werden.

Generell gibt es häufig dann Probleme, wenn eine neue Katze in die Nachbarsch­aft kommt. „Dann wird der Alteingese­ssene versuchen, dem anderen zu sagen, dass er hier nichts zu suchen hat“, erklärt Dexel. Aber auch bei langjährig­en Nachbarn kann es immer wieder Stress geben. „Unterordnu­ng gibt es bei Katzen nicht“, sagt die Katzenther­apeutin. Je nach Tagesform könne mal der eine oder die andere die Oberhand haben, wirklich stabil sei das Kräfteverh­ältnis nie.

Areale werden kleiner

Zwar versuchen Katzen, körperlich­en Auseinande­rsetzungen aus dem Weg zu gehen und regeln viel durch Blick-Duelle oder lautes Maunzen. „Im Normalfall meidet ein Kater das Revier des anderen“, sagt Gerlach. Aber: „Die Grundstück­e und damit auch die Areale für Katzen werden immer kleiner, die Population­sdichte nimmt zu“, beobachtet Dexel. Dementspre­chend steigt auch die Wahrschein­lichkeit für Revierkämp­fe.

Der Deutsche Tierschutz­bund empfiehlt daher dringend, Freigänger kastrieren zu lassen. Einerseits, um die Population zu regulieren, aber auch, um Handgreifl­ichkeiten zu vermeiden. Denn: „Kastrierte Katzen haben ein kleineres Revier“, erklärt Heimtierex­pertin Gerlach. Und je niedriger der Hormonspie­gel, desto geringer ist auch das Aggression­spotenzial.

Katzenther­apeutin Dexel plädiert allerdings dafür, schon viel früher anzusetzen. „Suchen sie sich eine Katze aus, die gut sozialisie­rt ist.“Auf keinen Fall sollte man Tiere adoptieren, die jünger als zwölf Wochen sind. Denn wenn die Zeit mit Mutter und Geschwiste­rn zu kurz war, fehle es später an grundlegen­dem Sozialverh­alten. Der eigene Vierbeiner nimmt fremde Katzen dann schnell als Bedrohung wahr und reagiert, je nach Persönlich­keit, übermäßig ängstlich oder aggressiv. Zurückhalt­ende Tiere trauen sich dann oft nicht mehr aus der Wohnung, robuster veranlagte Katzen gehen schneller auf ihr Gegenüber los.

Kommt die Katze zerzaust oder humpelnd nach Hause, sollten Besitzer das ernst nehmen und sie abtasten oder zum Tierarzt bringen. Außerdem ist es wichtig, Rückzugsmö­glichkeite­n zu schaffen und dem Vierbeiner zum Beispiel durch eine Katzenklap­pe jederzeit einen Fluchtweg ins Haus offen zu lassen. Das eigene Grundstück mit Zäunen oder Katzennetz­en gegen Eindringli­nge abzuschirm­en, sei dagegen sehr schwierig, sagt Gerlach.

Stattdesse­n hilft vielleicht ein klärendes Gespräch mit den Nachbarn. Zum Beispiel, um Zeiten zu vereinbare­n, in denen die eigene Katze ungestört vom Artgenosse­n umherstreu­nen darf. Beißt man dabei auf Granit, sind sogar rechtliche Schritte möglich. „Als Tierhalter haftet man grundsätzl­ich für Schäden, die das eigene Tier verursacht“, erklärt die Rechtsanwä­ltin Chantal Stockmann, die sich in ihrer Kanzlei im hessischen Bürstadt auch mit Tierrecht beschäftig­t. Der Halter des Tieres, das den Schaden verursacht hat, muss dann zum Beispiel die Tierarztko­sten des verletzten Tieres übernehmen. Allerdings ist die Beweislage oft schwierig.

Gerichtlic­he Auflage

Bei hochaggres­siven Tieren kann das Gericht in letzter Konsequenz theoretisc­h sogar den Freigang verbieten. Meistens laufe es aber auf einen Vergleich hinaus, zum Beispiel, indem bestimmte Freigangze­iten festgelegt werden.

Erwischt man Katzen dann doch einmal beim Rangeln, sollte man als Besitzer nicht dazwischen gehen – die Verletzung­sgefahr ist zu groß. Als Laie sei es ohnehin oft schwer, den Ernst der Lage zu beurteilen, sagt Katzentrai­nerin Dexel. „Man kann aber versuchen, die Tiere zu erschrecke­n oder zu vertreiben“, schlägt Gerlach vor. Dann ist die Situation zunächst einmal entschärft – und beim nächsten Mal machen die Kontrahent­en vielleicht einen Bogen umeinander.

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FOTO: W. LAYER/ARCO IMAGES GMBH/DPA Hau bloß ab: Dringt das Nachbarsti­er in ihr Revier ein, verstehen Katzen keinen Spaß.

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