Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Unterschät­zte Geschmacks­geber

Oft rangiert das vielseitig­e Gemüse unter ferner liefen, doch es hat mehr Beachtung verdient

- Von Ulrike Geist

AERZEN/BERLIN (dpa) - Sie fehlen in keiner Küche, doch kaum jemand weiß, wie sie heißen. Dabei haben sie so wohlklinge­nde Namen wie Zittauer Gelbe, Höri-Bülle oder auch Dresdner Plattrunde. Von der bodenständ­igen Hausfrauen­küche bis zur Spitzengas­tronomie gehören Zwiebeln in fast jedes herzhafte Gericht.

„Zwiebeln sind vielseitig und für jeden Garprozess wie Kochen, Braten oder Schmoren geeignet“, erklärt Sternekoch Achim Schwekendi­ek. Die „heimlichen Helden der Küche“, wie Schwekendi­ek das Gemüse nennt, können durchaus die Hauptrolle in einem Gericht wie etwa Zwiebelkuc­hen oder -suppe spielen. Nahezu unbemerkt geben sie als Würzmittel aber auch Suppen, Soßen und Salaten Geschmack.

Tipp: Einzeln kaufen

Obwohl die weit verbreitet­e braune Haushaltsz­wiebel für den Hausgebrau­ch ein Allrounder ist, der immer passt, lohnt es sich, auch andere Zwiebelsor­ten auszuprobi­eren. Sein Tipp: Zwiebeln einzeln kaufen. So sei es kein Problem, auch in einem kleinen Haushalt verschiede­ne Sorten vorrätig zu haben.

Für Gerichte wie Zwiebelkuc­hen oder Zwiebelsup­pe, in denen die Zwiebel dominiert, empfiehlt Schwekendi­ek die großen Gemüsezwie­beln oder weiße Zwiebeln. Sie sind besonders mild im Geschmack und bringen statt Schärfe ein leicht süßliches Aroma mit. Die milden weißen Zwiebeln verwendet er auch für ein Zwiebelcon­fit, für das in Spalten geschnitte­ne Zwiebeln mit Weißwein, Zitronensa­ft, Gewürzen und Olivenöl eingekocht werden. Das Confit serviert der Küchendire­ktor des Schlosshot­els Münchhause­n im niedersäch­sischen Aerzen dann mit Basilikum und Minze abgerundet zu gebratenem Bachsaibli­ngsfilet.

Rote Zwiebeln schätzt der Küchenchef für ihr intensives Aroma, das süßlich-milde und würzig-scharfe Komponente­n vereint. Sie sind ideal für aromatisch­e Zwiebelbei­lagen wie etwa Rotweinzwi­ebeln. Favorit unter den Zwiebeln ist für den Sternekoch jedoch die Schalotte, die unter anderem roh, geschmort oder glaciert als Beilage Verwendung findet. Sie besticht nicht nur durch ein mildes und sehr feines Aroma, sondern hat auch den Vorteil, dass sie sich besonders fein schneiden lässt.

Apropos schneiden: Das Wichtigste beim Zwiebelsch­neiden ist ein scharfes Messer. Durch einen scharfen Schnitt bleiben die wertvollen Inhaltssto­ffe in der Zwiebel erhalten. Wird die Zwiebel hingegen mit einem stumpfen Messer eher gequetscht als geschnitte­n, tritt Saft aus und bleibt auf dem Schneidebr­ett zurück.

Kleine Würfel schneiden

Auch Benjamin Thiele, Koch und Dozent an der Kochschule Berlin, plädiert für ein scharfes Messer und möglichst fein geschnitte­ne Zwiebeln. „Kleine Würfel haben einen feineren Geschmack.“Für knusprige Röstzwiebe­ln schneidet er die Zwiebeln sogar mit der Aufschnitt­maschine, um möglichst dünne Streifen zu bekommen. Die Streifen werden kurz in kochendem Wasser blanchiert und anschließe­nd auf einem Küchentuch getrocknet. Thiele rät, die trockenen Zwiebeln dann ohne Mehl zu frittieren, weil sich das Mehl mit Fett vollsauge. „Auf diese Art zubereitet werden die Röstzwiebe­ln besonders knackig und bekommen eine schöne Farbe.“

Schalotten fürs Risotto

Auch in Thieles Küche spielt neben der roten Zwiebel die Schalotte eine besondere Rolle. Ihr feines Aroma unterstütz­e unter anderem das Geschmacks­erlebnis bei einem italienisc­hen Risotto. Und auch in seinem Rezept für Kartoffelp­üree dürfen Schalotten nicht fehlen: Während die Kartoffeln mit Schale kochen, werden für das Püree klein geschnitte­ne Schalotten in viel Butter angeschwit­zt. Thiele empfiehlt 500 Gramm Butter auf zwei Kilogramm Kartoffeln. Dazu kommen Sahne oder Milch, Weißwein, Salz und Pfeffer. Diese Mischung wird dann unter die geschälten und durchgepre­ssten Kartoffeln gerührt, bis das Püree die richtige Konsistenz hat.

Doch die Knollen bereichern nicht nur unsere Geschmacks­welt, sie sind auch gesund. Zwiebeln, die 2015 zur Heilpflanz­e des Jahres gekürt wurden, gelten als pflanzlich­es Antibiotik­um. Und in der chinesisch­en Sprache ist das Schriftzei­chen für „klug“dasselbe wie das für „Zwiebel“, wie Alexandra Rampitsch, Ernährungs­beraterin mit Schwerpunk­t auf Traditione­ller Chinesisch­er Medizin (TCM), sagt.

„Die Zwiebel ist einfach ein Allroundta­lent“, sagt Rampitsch. Gerade die scharf beißenden schwefelha­ltigen ätherische­n Öle, die beim Zwiebelsch­neiden die Augen reizen, machten die Zwiebel so gesund, weil sie „antibakter­iell, antiviral, immunstärk­end und antioxidat­iv“wirkten. Außerdem enthalte die Zwiebel zahlreiche Vitamine und Mineralsto­ffe wie zum Beispiel Kalium, Phosphor, Eisen, Jod und Selen.

In der Wirkung unterschei­den sich die verschiede­nen Zwiebelsor­ten nur geringfügi­g. Rampitsch kombiniert pikante Gerichte gern mit Frühlingsz­wiebeln, die sie nur kurz anbrät und dann zu den Gerichten gibt.

Auch Thiel rät, Frühlingsz­wiebeln immer erst zum Schluss zuzugeben, weil sie durch Hitze schnell Aroma und Farbe verlieren. Bei einem Pfannengem­üse können sie am Ende kurz mitgeschwe­nkt werden. Bei Pastageric­hten dürfen sie aber auch roh, in feine Ringe geschnitte­n als Topping aufgestreu­t werden und sind so eine Alternativ­e zu Petersilie.

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FOTO: DPA Zwiebeln sind Allrounder in der Küche: Es gibt viele verschiede­ne Sorten und sie eignen sich sowohl zum Kochen und Braten als auch zum Schmoren.
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Für diese Suppe werden Zwiebeln der Sorte „Höri Bülle“mit Kräutern und Brühe gedünstet und mit Ziegenkäse serviert.
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Zwiebelcon­fit mit Bachsaibli­ng: Für das Confit eignen sich am besten weiße Haushaltsz­wiebeln mit mildem Aroma.
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FOTOS (3): HUBERTUS SCHÜLER/HÄDECKE VERLAG/DPA Gefüllte Kartoffeln­ocken mit Rotweinsch­alotten: Schalotten haben ein besonders feines Aroma.
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FOTO: RAMONA STEINER/DPA Alexandra Rampitsch

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