Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Aus eins und eins wird drei

Das Gegenteil von Panschen: Bei einer Cuvée mischen Winzer die besten Weine, die sie haben

- Von Julia Kirchner

DÜSSELDORF (dpa) - Was ist in einem Chianti drin? Trauben natürlich. Aber welche Trauben? Nicht jedem Weintrinke­r ist bewusst, dass Chianti eine Cuvée ist – ein Verschnitt verschiede­ner Rebsorten. „Chianti besteht aus vier verschiede­nen Sorten. Die meisten denken aber, Chianti ist eine Region“, sagt Ernst Büscher vom Deutschen Weininstit­ut. Mittlerwei­le bieten fast alle großen deutschen Winzer eine Cuvée an.

Das war nicht immer so: Einen Wein zu cuvetieren, war laut Büscher lange Zeit negativ behaftet – vielleicht nicht internatio­nal, aber in Deutschlan­d. Weine mischen klingt nach panschen. Und die deutschen Winzer hielten große Stücke auf ihre rebsortenr­einen Weine. Dabei gibt es davon gar nicht so viele.

Im deutschspr­achigen Raum ist die Bezeichnun­g Cuvée ein anderes Wort für Verschnitt. Bei diesem Verfahren werden in der Regel schon fertige Weine, die in verschiede­nen Behältern vergoren wurden, zusammenge­mischt. Das ist die klassische Methode. Es gibt aber auch die Möglichkei­t, Rebsorten schon in der Weinpresse zu vereinen. Das heißt, die Trauben werden gemeinsam geerntet und gepresst. Eine weitere Option besteht darin, den Traubensaf­t im Gärbehälte­r zu vermischen.

Am bekanntest­en ist die RotweinCuv­ée aus Cabernet Sauvignon und Merlot aus Bordeaux, sagt Konstantin Baum, Master of Wine. Auch Champagner ist prinzipiel­l immer eine Cuvée aus Chardonnay sowie rotem Pinot Noir und Pinot Meunier. Im Chianti müssen per Definition die Sangiovese-Trauben den Hauptantei­l ausmachen. Der Rest ist eine Beimischun­g anderer roter und weißer Traubensor­ten.

Bei Cuvée geht es darum, aus mehreren Sorten etwas Neues zu kreieren. Dabei versuchen Winzer, die verschiede­nen Eigenschaf­ten der Weine auszubalan­cieren – also eine gute Mischung aus Aromen, Körper, Frucht und Säure, Alkohol sowie Gerb- und Bitterstof­fen zu schaffen.

„Eins und eins ergibt da oft drei“, erklärt Büscher das Geschmacks­erlebnis einer guten Cuvée. Jeder Wein für sich genommen schmecke anders als der Verschnitt. Preislich gesehen ist eine Cuvée oft teurer als andere gängige Weine – und daher eher etwas für besondere Anlässe.

Auch bei den Weißweinen gibt es Cuvées, allerdings weniger. Diese werden oft als typische Sommerwein­e mit Fantasiena­men verkauft. Bekannt sind die Mischungen aus Weißburgun­der und Chardonnay, Sauvignon Blanc und Sémillon oder Müller-Thurgau und Riesling.

Oft trinken Verbrauche­r eine Cuvée, ohne es zu wissen. Denn der explizite Hinweis auf dem Etikett fehlt meist. Weinrechtl­ich ist der Begriff Cuvée nicht einheitlic­h in Europa definiert. Eine Ausnahme ist die Mischung aus genau zwei Rebsorten. In Deutschlan­d dürfen sie gleichbere­chtigt auf dem Etikett stehen, also Weißburgun­der/Chardonnay.

Rainer Schnaitman­n ist Winzer aus Baden-Württember­g. Er hat verschiede­ne Cuvées im Angebot, unter anderem „Simonroth Cuvée D“: ein Verschnitt aus Merlot, Lemberger und Cabernet. „Ein Wein, der vor allem in Bars gut funktionie­rt“, sagt Schnaitman­n. Noch gehobener ist die Cuvée MC aus Merlot und Cabernet Franc, die einen sehr frischen Geschmack hat. Für Winzer bieten Cuvées immer auch die Möglichkei­t, Jahrgangsu­nterschied­e auszugleic­hen.

Cuvées sind auch perfekte Menübeglei­ter.

André Macionga, Sommelier bei

Tim Raue in Berlin, setzt sie ein,

„um ein aromatisch­es 3-D-Erlebnis zu schaffen“.

Aus dem Zusammensp­iel von Essen und Wein entstehe etwas Neues. Macionga schenkt seine Weißwein-Cuvée „Unartig“zu Raues Vorzeige-Gericht Wasabi-Kaisergran­at aus: Dabei werden frittierte Kaisergran­atschwänze mit einer Vinaigrett­e aus unter anderem Karotten, Ingwer und Korianders­tängeln auf einer Mango-Passionsfr­ucht-Soße serviert. „Der fruchtige Wein wird durch die Säure des Essens unterstütz­t.“

Gibt es auch Aromen, zu denen eine Cuvée nicht so gut passt? „Wenn man etwas Subtiles wie ein Sashimi isst, funktionie­rt das nicht so gut“, sagt Macionga. „Der Wein ist dann zu laut.“

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FOTO: DEUTSCHES WEININSTIT­UT/WWW.DEUTSCHEWE­INE.DE/DPA Eine bekannte Rotwein-Cuvée ist die aus Cabernet Sauvignon und Merlot aus Bordeaux – bei Weißweinen gibt es weniger Verschnitt­varianten.
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FOTO: JUDITH MICHAELIS/DPA André Macionga

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