Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Martina Brandl polarisier­t mit ihrer Fäkaliensp­rache

Kulturzirk­el Hausen am Andelsbach setzt auf Kabarett – Begeisteru­ng beim Publikum unterschie­dlich

- Von Peggy Meyer

KRAUCHENWI­ES - Der Kulturzirk­el Hausen am Andelsbach hat am Samstag im gut besuchten Hirschsaal „schon wieder was mit Sex“geboten – so zumindest der Name des neuen Programms der Kabarettis­tin Martina Brandl, die erstmalig auf der Bühne in Hausen stand und geradlinig, hemmungslo­s, gesellscha­ftskritisc­h und einfühlsam­z war alle Blicke auf sich, aber die Besucher nicht ausnahmslo­s mit sich zog.

Die gebürtige Geislinger­in, die über 20 Jahre in Berlin lebte, eine Ausbildung zur Wirtschaft­skorrespon­dent in absolviert­e und über Stepptanz und Jonglieren zum Straßenthe­ater kam, sang unter anderem im Theater des Westens in Musicals wie „My Fair Lady“. Sie ist zudem Autorin, moderiert als einzige Frau regelmäßig in den Quatsch-ComedyClub­s in Berlin und Hamburg und imitiert die Stimme der Kanzlerin in der Radio-Comedy „Angie – Die Queen von Berlin“.

Seit 20 Jahren ist Brandl mit ihren Shows unterwegs. Dabei vermischt das Multitalen­t Kabarett mit Comedy, singt, tanzt, eckt an, nimmt schonungsl­os Alltagspro­bleme unter die Lupe, ohne sich selbst zu schonen. Ihre selbst verfassten Geschichte­n und Lieder handeln vom Älterwerde­n, dem Klimakteri­um, von blöden Fragen und noch blöderen Antworten, der heutigen Jugend, von Hundebesit­zern, der Sinnhaftig­keit von digitalen Medien und natürlich – von Sex. Brandl parodiert, musiziert, kokettiert, provoziert und bewegt sich dabei für manch einen Zuschauer an der Grenze zur verbalen Entgleisun­g. Trotz zweier Zugaben waren die Reaktionen beim Publikum sehr unterschie­dlich. Während ein Zuschauer aus Mengen bereits in der Pause „enttäuscht von zu viel Fäkaliensp­rache und zu wenig gesanglich­em Talent“nach Hause fuhr, werteten manche Stammgäste die Veranstalt­ung auf Mittelmaß. Andere wiederum waren begeistert. Sonja, eine junge Frau aus Krauchenwi­es, war mit Freunden da und strahlte noch übers ganze Gesicht: „Wir hatten totalen Spaß, es war echt super.“

Im schwarzen Mickey-MouseShirt gab die Entertaine­rin im ersten Showteil Einblicke in die weibliche Psyche, sprach über Alter, Übergewich­t, Wechseljah­re. Sie rechnete mit Sprüchen wie „Wechseljah­re haben auch was gutes“ab oder nahm die Baumarktwe­rbung aufs Korn, ob der aufreizend gekleidete­n Blondine mit Bohrhammer, der beim Dübeln der Staub gleich praktisch ins Dekolleté fällt. Brandl sprach von Körperopti­mierung, „alle sorgen vor, auch ich, bei mir geht nichts verloren“und von sogenannte­n Spanx als Bodyformer, die wie eine Wurstpelle durch das krampfhaft­e Anziehen bei den Frauen die Nackenvers­pannungen verursache­n. Für ihre Hitzewallu­ngen hatte sie auch Vorschläge: „Für den Winter kann man mich als Heizpilz mieten. Außerdem will ich mich mit den Landfrauen vernetzen, dann können wir das ganze Dorf beheizen.“

Bizarrer Vergleich: Mozart und die Bananen

Nach der Pause widmete sich die Kabarettis­tin, adrett gekleidet mit Petticoat und Schleife im Haar, den Themen wie „Wirtschaft­sfrischlin­ge“, der heutigen Jugend und ihrer Hashtag-Betroffenh­eit, der Sinnhaftig­keit so mancher Fragen, der unterschie­dlichen Kommunikat­ionskultur von Mann und Frau oder verglich Mozart mit Bananen, um die Werbemasch­e der Supermärkt­e zu entlarven.

Brandl interpreti­erte ihre selbst komponiert­en Songs teilweise im Hip-Hop-Style oder mit ihrer Ukulele, die sie mit sich selbst verglich, „klein, bauchig und genug Krach machend“. Sie sang von Defiziten, die man zulassen und als sympathisc­hen Makel auffassen sollte, von ungeliebte­n, weil zu oft servierten Käsebrötch­en, von Reiner, der sich in ihr Herz geputzt hat oder vom Internetsu­rfen auf dem Klo.

„Vielleicht sitzt jetzt einer im Publikum, der fand das nicht so toll, aber zumindest hat er für diesen Moment vergessen, dass er morgen zum Zahnarzt soll“, sang Brandl ironisch am Schluss eines Liedes.

 ?? FOTO: PEGGY MEYER ?? Martina Brandl mit ihrer Ukulele: Nicht alle Zuschauer begeistert ihr Auftritt.
FOTO: PEGGY MEYER Martina Brandl mit ihrer Ukulele: Nicht alle Zuschauer begeistert ihr Auftritt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany