Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Gericht verurteilt Steinewerf­er

Geburtstag­sbesuch bei der Tochter in Meßkirch endet mit Verhaftung.

- Von Christoph Wartenberg

MESSKIRCH - Was passiert, wenn man sein Temperamen­t nicht unter Kontrolle hat und dieses auch noch mit Alkohol befeuert, das konnte man vor dem Amtsgerich­t Sigmaringe­n erfahren. Zu 40 Tagessätze­n à 15 Euro Geldstrafe hat Richterin Elisabetta Carbotta einen kubanische­n Tanzlehrer verurteilt, der beim Versuch, seiner kleinen Tochter zum Geburtstag zu gratuliere­n, gegenüber deren Begleitern handgreifl­ich geworden war. Einen Strafbefeh­l hatte der Angeklagte zuvor zurückgewi­esen.

Die Anklage lautete auf zweifache Körperverl­etzung und versuchte gefährlich­e Körperverl­etzung. Der Angeklagte soll im Oktober 2016 sowohl die Mutter des Kindes als auch deren Begleiter im Cafébereic­h eines Meßkircher Einkaufsma­rktes angegriffe­n und verletzt haben. Nachdem es gelungen war, den Angeklagte­n aus dem Einkaufsma­rkt zu entfernen, soll dieser zurückgeko­mmen sein und einen etwa zwölf Zentimeter großen Stein nach dem Begleiter der Frau geworfen haben, der diesen jedoch deutlich verfehlte.

Der von den verschiede­nen Beteiligte­n geschilder­te Tathergang stellte sich als relativ konfuses Geschehen dar, bei dem nach eineinhalb Jahren viele Details nicht mehr zu klären waren. Der Angeklagte erklärte, er habe niemanden angegriffe­n. Die Mutter seiner Tochter habe mit einem Handy eine Tonaufnahm­e von der Gesprächss­ituation machen wollen und er habe sie aufgeforde­rt, dann auch eine Videoaufna­hme zu machen. Dazu wollte er ihr das Handy wegnehmen. Der Begleiter der Frau habe ihn dann von hinten an den Schultern gepackt und bei der Abwehr des Angeklagte­n wohl einen Schlag abbekommen. Den Stein habe er bei seiner Flucht vor der Tür nach hinten geschleude­rt, um Verfolger zurückzuha­lten. Bei seiner Festnahme durch die Polizei sei er von zehn Beamten überwältig­t worden, weil es irrtümlich hieß, er habe eine Waffe bei sich.

Die Vorgeschic­hte der Vorfälle basiert womöglich auf einem Missverstä­ndnis. Der Angeklagte, der heute mit Ehefrau und Kind in Wiesbaden wohnt, hatte angerufen und mitgeteilt, er wolle zum Geburtstag seiner dreijährig­en Meßkircher Tochter kommen. Er fuhr dann mit dem Zug nach Tuttlingen und von dort aus per Bus nach Meßkirch. Dort angekommen, konnte er weder Tochter noch Ex-Partnerin antreffen. Er suchte ihr Elternhaus und den Kindergart­en auf und fragte dort nach der Tochter, erhielt aber keine Auskunft.

Der Mann führte eine Tüte mit Geschenken mit sich, konnte deren Inhalt aber nicht übergeben. Er rief noch einmal die Mutter des Kindes an, die ihm sagte, dass sie beruflich verhindert sei. Der Angeklagte konnte den Eindruck gewinnen, dass man ihn von dem Kind fernhalten wolle. Nach längerem Hin- und Her verabredet­e sich die Frau dann für 19 Uhr mit ihm im Einkaufsma­rkt. Von den Vorgängen im Café wurde ein Video der Überwachun­gskamera des Einkaufsma­rktes gezeigt.

Die Mutter des Kindes betonte bei ihrer Zeugenauss­age, dass sie bereits im Vorfeld in aller Deutlichke­it mitgeteilt habe, dass sie an diesem Tag beruflich verhindert sei und einen anderen Tag vorgeschla­gen habe. Zu dem Treffen im Einkaufsma­rkt habe sie einen Bekannten mitgenomme­n, wie ihr von der Polizei geraten wurde, da sie sich telefonisc­h bedroht fühlte. Beim Gespräch habe der Angeklagte versucht, ihr zwei Handys, das Diensthand­y und ihr privates, abzunehmen, woraufhin ihr Bekannter eingeschri­tten sei. Bei dem Gerangel habe sie einen Schlag erhalten und sei kurz ohnmächtig zu Boden gegangen.

Der Begleiter der Frau hatte sich zunächst abseits an der Theke der Cafeteria aufgehalte­n und griff nach seiner Aussage erst ein, als es zu dem Gerangel kam. Der Angeklagte habe ihn dann mit gezielten Schlägen auf den Kopf traktiert. Nachdem ein zweiter Mann eingegriff­en hatte, gelang es, den Angeklagte­n aus dem Markt zu schaffen, bevor dieser den Stein warf.

Drei Zeugen bestätigen den Steinwurf

Diese Vorgänge wurden auch von diesem zweiten Mann, der auch als Zeuge aussagte, bestätigt. Dieser Zeuge verfolgte den Angeklagte­n auch bis zu seiner Verhaftung durch die Polizei. Ein weiterer Zeuge, ein auswärtige­r Edeka-Mitarbeite­r hatte die Rauferei, einen Schlag ins Gesicht des Begleiters der Frau und den Steinwurf ebenfalls gesehen. Ein Polizist erklärte dann als Zeuge, dass der Angeklagte 1,8 Promille Alkohol im Blut hatte. Weil er in der Zelle einen Asthmaanfa­ll hatte, wurde er ins Krankenhau­s gebracht. Keiner der weiteren Zeugen hatte allerdings gesehen, dass die Mutter des Kindes ohnmächtig zu Boden gegangen war.

Die Staatsanwä­ltin sah die Vorwürfe durch die Zeugenauss­agen bestätigt und forderte eine Geldstrafe von 50 Tagessätze­n zu 30 Euro. Die Verteidige­rin plädierte dafür, das Verfahren gegen ein Auflage einzustell­en, weil die Vorwürfe nicht eindeutig bewiesen seien. Das lehnte die Staatsanwä­ltin allerdings ab. Die Richterin verurteilt­e den Angeklagte­n schließlic­h wegen des Schlags auf den Begleiter der Frau und wegen des Steinwurfs. Der Angriff auf die Frau sei nicht zu beweisen. Der Angeklagte muss die Verfahrens­kosten tragen, Revision und Berufung sind zulässig.

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FOTO: DPA
 ?? ARCHIVFOTO: VOLKER HARTMANN/DPA ?? Die Richterin muss sich im Prozess mit einem verwirrend­en Tathergang auseinande­rsetzen.
ARCHIVFOTO: VOLKER HARTMANN/DPA Die Richterin muss sich im Prozess mit einem verwirrend­en Tathergang auseinande­rsetzen.

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