Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Lucha: „Wir lassen die Kommunen nicht allein“
Die Menschen sollten sich vor dem Bedarfsfall über die Möglichkeiten der Pflege informieren
SIGMARINGEN - Wie Pflege vor Ort gestärkt werden kann, haben die Akademie ländlicher Raum des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz und des Ministeriums für Soziales und Integration Baden-Württemberg am Mittwoch im Landratsamt vorgestellt. Eingeladen waren alle, die professionell und ehrenamtlich pflegen, aber auch Angehörige von Menschen mit Unterstützungsund Pflegebedarf sowie Vertreter aus den Bereichen Soziales, Verwaltung, Kirchen und Vereine. Die Veranstaltung war sehr gut besucht.
Der Landkreis Sigmaringen ist vergleichsweise dünn besiedelt und steht bei der Pflegeversorgung an drittletzter Stelle in Baden-Württemberg. Anlass für die Veranstaltungsreihe sei, so der Minister für Soziales und Integration, Manne Lucha, die Ressourcen nicht „kontrastierend, sondern kooperierend“aufzuzeigen: „Wir wollen den ländlichen Raum stärken, er ist die Kraftquelle des Landes.“Dazu gehöre das Thema Pflege: „Unsere Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass die Rahmenbedingungen stimmen.“Das Pflegestärkungsgesetz gilt seit 2017. Insgesamt wurden 2017 acht Millionen Euro für die Pflege ausgegeben, das Land hat 2,4 Millionen dafür bereitgestellt, die Kommunen 1,8 Millionen. BadenWürttemberg setzt mit dem Landespflegegesetz auf Förderung im Alltag und Schaffung von „lebendigen Quartieren“in der Gemeinschaft. Pflegebedürftige sollen so lange wie möglich zu Hause gepflegt werden können. Aber auch die Kurzzeitpflege in Einrichtungen soll gestärkt werden. Lucha versprach: „Die Kommunen sind wichtig, wir lassen sie dabei nicht allein.“
Als Vertreter des Landratsamtes sprach der Erste Landesbeamte Rolf Vögtle über die Pflegestrukturen im Landkreis. Die Zahl der Pflegebedürftigen nehme zu. Mehr als die Hälfte werde im familiären Umfeld gepflegt: Im Landkreis gibt es 924 Dauerpflegeplätze, 58 variable und 17 ausschließliche Kurzzeitpflegeplätze sowie 120 Plätze für die Tagespflege. Aber es fehle an Kurzzeitpflegeplätzen. Seit 2010 gibt es in Mengen einen Pflegestützpunkt für den Kreis, 2012 wurde das Pflegenetzwerk eingerichtet: „Die Beratungsleistung steigt jährlich und die Veranstaltungen ergänzen unsere Arbeit gut.“
330 000 Pflegebedürftige
Peter Schmeiduch, Referent im Referat Pflege und Quartiersentwicklung des Ministeriums für Soziales und Integration, erläuterte, wie „Pflege daheim“mit der Unterstützung und Versorgung konkret aussehen kann. Vor zwei Jahren wurden im Land von knapp 330 000 Pflegebedürftigen 72 Prozent zu Hause versorgt (und davon wieder zu 72 Prozent von Angehörigen) und 28 Prozent in Heimen: „Der Pflegedienst der Nation ist der Angehörige.“Eine Pflegeversicherung funktioniere halt nach dem „Teilkaskoprinzip“, die Hälfte der Leistung müsse selbst getragen werden. Es gebe jedoch gute Angebote zur Unterstützung. Die Menschen müssten dafür früher sensibilisiert werden und nicht erst im Bedarfsfall.
Wie eine bürgerschaftliche Hilfe im Ehrenamt aussehen kann, stellte Engelbert Sittler von der Nachbarschaftshilfe „Miteinander-Füreinander“aus Herdwangen-Schönach vor. Sittler ist Krankenpfleger und Lehrer für Pflege- und Gesundheitsberufe und somit ein Glücksfall für einen Verein, der die Kommune mit 40 ehrenamtlichen Helfern in allen Alltagsbereichen unterstützt.
Beim anschließenden Podiumsgespräch stellten Rita Hafner-Degen aus Meßkirch, Marga Blumer vom Pflegestützpunkt in Mengen, Roland Beierl von der AOK und Alexander Sperl vom Caritasverband im Landkreis ihre Erfahrungen in den Raum. Gerhard Faix von der Akademie Ländlicher Raum moderierte. Hafner-Degen pflegte zusammen mit Angehörigen und Pflegediensten ihre Mutter 13 Jahre zu Hause und berichtete aus der Praxis. Marga Blumer vom Pflegestützpunkt in Mengen betonte, dass es wichtig sei, sich im Vorfeld zu informieren, weil man dann freier in den Entscheidungen sein könne. Beierl bestätigte, die meisten würden zu spät reagieren, dabei sei das Thema Pflege „irre komplex, der normal Sterbliche kann das nicht nachvollziehen“. Mit rund 25 Einrichtungen ist die Caritas im Kreis aktiv. Sperl verwies auf die Broschüren, den Internetauftritt, sagte aber auch, die Mund-zu-Mund-Propaganda führten die Hilfesuchenden zu ihnen.