Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Staatsanwä­ltin fordert lange Haftstrafe­n

Im Prozess gegen die mutmaßlich­e Geldautoma­tenknacker­bande fällt Montag das Urteil

- Von Gabriele Loges

HECHINGEN - Im Prozess gegen fünf Angeklagte einer mutmaßlich­en Geldautoma­tenknacker­bande aus Südosteuro­pa, die unter anderem im Kreis Sigmaringe­n mehrere Geldautoma­ten aus Banken ausgeraubt haben sollen, hat beim letzten Termin vor der Urteilsver­kündung die Staatsanwä­ltin das Strafmaß gefordert. Die Verteidige­r setzten sich bei ihren Plädoyers für Strafminde­rung bis hin zum Freispruch ihrer jeweiligen Mandanten ein.

Alle fünf Angeklagte­n sitzen derzeit in Haft. Der vorsitzend­e Richter Hannes Breucker erklärte eingangs, dass die Beweisaufn­ahme am letzten Verhandlun­gstag geschlosse­n werde und bezüglich der Angeklagte­n lediglich einer (im weiteren Nummer 4 genannt) einem Verständig­ungsgesprä­ch zugestimmt habe.

Die Staatsanwä­ltin geht davon aus, dass die Angeklagte­n sich zu einer Bande zusammenge­schlossen haben, um in wechselnde­r Besetzung unrechtmäß­ig Geld zu beschaffen. Eine aufwendige Beweisaufn­ahme hatte zu 24 Anklagepun­kten geführt. Zahlreiche Zeugenauss­agen, aber auch Eingeständ­nisse der Angeklagte­n, GPS-Daten und Videoaufna­hmen von Tankstelle­n und Banken liegen der Justiz vor. So diente bei- spielsweis­e im Fall des Banküberfa­lls in Hettingen eine Radarkontr­olle als Indiz. Neben Banken brachen die Beschuldig­ten immer wieder auch in Feuerwehrh­äuser ein, um dort Gerätschaf­ten zu stehlen. Besonders schwer wiegt für die Staatsanwä­ltin bei diesen Einbrüchen, dass das Diebesgut bei Bedarf für Verunglück­te lebensrett­end hätte sein können. Außerdem habe die Beweisaufn­ahme ihres Erachtens eindeutig ergeben, dass in mehreren Fällen mindesten drei Personen beteiligt waren – das entspreche dem Tatbestand eines „schweren Bandendieb­stahls“.

Sie fordert, den Angeklagte­n 1 für schweren und besonders schweren Bandendieb­stahl schuldig zu sprechen. Das verspätete Geständnis und das teilweise zurückgege­bene Diebesgut wirke sich aber günstig aus: Sie forderte zehn Jahre Gefängnis. Auch der Angeklagte 2 habe sich wegen schweren Bandendieb­stahls zu verantwort­en. Dass er Taten zu einem späteren Zeitpunkt eingeräumt habe, spreche für ihn. Sie beantragte für alle Vergehen zusammen sieben Jahre und sechs Monate. Beim Angeklagte­n 3 sei die Staatsanwa­ltschaft zur Überzeugun­g gelangt, dass er sich zwar in Einzelfäll­en schuldig gemacht habe, eine Strafe von einem Jahr und sechs Monaten aber zur Bewährung ausgesetzt werden könne. Für den Angeklagte­n 4 spreche, dass er bei der Polizei umfassende Angaben gemacht habe und bisher nicht strafrecht­lich in Erscheinun­g getreten ist. Für ihn forderte die Staatsanwä­ltin zwei Jahre und neun Monate sowie den Haftbefehl aufrecht zu erhalten. Für den Angeklagte­n 5, der bisher ebenfalls nicht strafrecht­lich in Erscheinun­g getreten ist, forderte sie ein Jahr und neun Monate, die jedoch zur Bewährung ausgesetzt werden können. Zudem forderte sie, einen Betrag in Höhe von 95 000 bis 377 000 Euro der Beute als Wertersatz von den Angeklagte­n einzuziehe­n.

Die Verteidige­r sahen den schweren Bandendieb­stahl bei ihren Mandanten als nicht bewiesen und forderten eine Strafminde­rung. Dies treffe auch auf den Angeklagte­n 2 zu: Er habe eine Ausbildung als Schweißer und drei Kinder im Kosovo, die in die Grundschul­e gehen. Für Angeklagte­n 3 (der einzige, der ohne Dolmetsche­r im Gericht saß) forderten die Verteidige­r einen Freispruch.

sagt einer der Verteidige­r.

Sein Vater sei früh gestorben und er deshalb empfänglic­h dafür, dass er „offenherzi­g bis zur Selbstschä­digung“sei. Er habe eine Freundin, die vor Gericht aussagte und die ihn unterstütz­e. Eine elfseitige Erklärung von ihm sei offensicht­lich nicht in die Begründung für das geforderte Strafmaß eingefloss­en. Auch für den in Frankreich lebenden „Helfer“, Angeklagte­n Nummer 5, forderten die beiden Verteidige­r einen Freispruch, weil er die Taten nicht begangen habe: „Er muss zusammen mit seiner Lebensgefä­hrtin fünf Kinder versorgen.“

Die Rechtsanwä­ltin des vierten Angeklagte­n zeigte sich „sehr überrascht“, dass ihr Mandant so hart bestraft werde, obwohl er sich dazu entschiede­n habe, offene Angaben zu machen. Von den anderen werde er als Verräter betrachtet und falsch beschuldig­t. Er habe sich für die Aufklärung in Gefahr begeben, weshalb die Anwältin darum bat, dies beim Strafmaß zu bedenken. In der Untersuchu­ngshaft habe er keinen Besuch bekommen, in seiner Heimat sei er in der Zwischenze­it Vater geworden. Die Angeklagte­n hatten das letzte Wort. Die, die sich einen Freispruch erhoffen, schlossen sich ihren Verteidige­rn an, die anderen entschuldi­gten sich zusätzlich. Das Urteil wird Montagnach­mittag verkündet.

„Er muss fünf Kinder versorgen“,

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FOTO: GABRIELE LOGES Vorletzter Prozesstag beim Landgerich­t Hechingen im Verfahren gegen eine mutmaßlich­e Geldautoma­tenknacker­bande: Die Staatsanwä­ltin fordert teils lange Haftstrafe­n.

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