Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Staatsanwältin fordert lange Haftstrafen
Im Prozess gegen die mutmaßliche Geldautomatenknackerbande fällt Montag das Urteil
HECHINGEN - Im Prozess gegen fünf Angeklagte einer mutmaßlichen Geldautomatenknackerbande aus Südosteuropa, die unter anderem im Kreis Sigmaringen mehrere Geldautomaten aus Banken ausgeraubt haben sollen, hat beim letzten Termin vor der Urteilsverkündung die Staatsanwältin das Strafmaß gefordert. Die Verteidiger setzten sich bei ihren Plädoyers für Strafminderung bis hin zum Freispruch ihrer jeweiligen Mandanten ein.
Alle fünf Angeklagten sitzen derzeit in Haft. Der vorsitzende Richter Hannes Breucker erklärte eingangs, dass die Beweisaufnahme am letzten Verhandlungstag geschlossen werde und bezüglich der Angeklagten lediglich einer (im weiteren Nummer 4 genannt) einem Verständigungsgespräch zugestimmt habe.
Die Staatsanwältin geht davon aus, dass die Angeklagten sich zu einer Bande zusammengeschlossen haben, um in wechselnder Besetzung unrechtmäßig Geld zu beschaffen. Eine aufwendige Beweisaufnahme hatte zu 24 Anklagepunkten geführt. Zahlreiche Zeugenaussagen, aber auch Eingeständnisse der Angeklagten, GPS-Daten und Videoaufnahmen von Tankstellen und Banken liegen der Justiz vor. So diente bei- spielsweise im Fall des Banküberfalls in Hettingen eine Radarkontrolle als Indiz. Neben Banken brachen die Beschuldigten immer wieder auch in Feuerwehrhäuser ein, um dort Gerätschaften zu stehlen. Besonders schwer wiegt für die Staatsanwältin bei diesen Einbrüchen, dass das Diebesgut bei Bedarf für Verunglückte lebensrettend hätte sein können. Außerdem habe die Beweisaufnahme ihres Erachtens eindeutig ergeben, dass in mehreren Fällen mindesten drei Personen beteiligt waren – das entspreche dem Tatbestand eines „schweren Bandendiebstahls“.
Sie fordert, den Angeklagten 1 für schweren und besonders schweren Bandendiebstahl schuldig zu sprechen. Das verspätete Geständnis und das teilweise zurückgegebene Diebesgut wirke sich aber günstig aus: Sie forderte zehn Jahre Gefängnis. Auch der Angeklagte 2 habe sich wegen schweren Bandendiebstahls zu verantworten. Dass er Taten zu einem späteren Zeitpunkt eingeräumt habe, spreche für ihn. Sie beantragte für alle Vergehen zusammen sieben Jahre und sechs Monate. Beim Angeklagten 3 sei die Staatsanwaltschaft zur Überzeugung gelangt, dass er sich zwar in Einzelfällen schuldig gemacht habe, eine Strafe von einem Jahr und sechs Monaten aber zur Bewährung ausgesetzt werden könne. Für den Angeklagten 4 spreche, dass er bei der Polizei umfassende Angaben gemacht habe und bisher nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten ist. Für ihn forderte die Staatsanwältin zwei Jahre und neun Monate sowie den Haftbefehl aufrecht zu erhalten. Für den Angeklagten 5, der bisher ebenfalls nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten ist, forderte sie ein Jahr und neun Monate, die jedoch zur Bewährung ausgesetzt werden können. Zudem forderte sie, einen Betrag in Höhe von 95 000 bis 377 000 Euro der Beute als Wertersatz von den Angeklagten einzuziehen.
Die Verteidiger sahen den schweren Bandendiebstahl bei ihren Mandanten als nicht bewiesen und forderten eine Strafminderung. Dies treffe auch auf den Angeklagten 2 zu: Er habe eine Ausbildung als Schweißer und drei Kinder im Kosovo, die in die Grundschule gehen. Für Angeklagten 3 (der einzige, der ohne Dolmetscher im Gericht saß) forderten die Verteidiger einen Freispruch.
sagt einer der Verteidiger.
Sein Vater sei früh gestorben und er deshalb empfänglich dafür, dass er „offenherzig bis zur Selbstschädigung“sei. Er habe eine Freundin, die vor Gericht aussagte und die ihn unterstütze. Eine elfseitige Erklärung von ihm sei offensichtlich nicht in die Begründung für das geforderte Strafmaß eingeflossen. Auch für den in Frankreich lebenden „Helfer“, Angeklagten Nummer 5, forderten die beiden Verteidiger einen Freispruch, weil er die Taten nicht begangen habe: „Er muss zusammen mit seiner Lebensgefährtin fünf Kinder versorgen.“
Die Rechtsanwältin des vierten Angeklagten zeigte sich „sehr überrascht“, dass ihr Mandant so hart bestraft werde, obwohl er sich dazu entschieden habe, offene Angaben zu machen. Von den anderen werde er als Verräter betrachtet und falsch beschuldigt. Er habe sich für die Aufklärung in Gefahr begeben, weshalb die Anwältin darum bat, dies beim Strafmaß zu bedenken. In der Untersuchungshaft habe er keinen Besuch bekommen, in seiner Heimat sei er in der Zwischenzeit Vater geworden. Die Angeklagten hatten das letzte Wort. Die, die sich einen Freispruch erhoffen, schlossen sich ihren Verteidigern an, die anderen entschuldigten sich zusätzlich. Das Urteil wird Montagnachmittag verkündet.
„Er muss fünf Kinder versorgen“,