Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Nur wer in der Fideliswiege lag, ist Ur-Sigmaringer
Die Fideliswiege wird wieder in die Prozession am Fidelistag eingebunden – Woher der Brauch stammt, erklärt die SZ
SIGMARINGEN - Nur, wer bei seiner Taufe darin gelegen ist, versteht sich als Ur-Sigmaringer: Die Fideliswiege, die sich seit 1731 in der Obhut der Pfarrkirche St. Johann befindet (Quelle: Otto H. Becker), gilt als wertvolles Andenken an den am 24. April 1622 im Schweizer Seewis als Märtyrer verstorbenen Heiligen.
„Es ist erstaunlich, bei meiner ersten Taufe schrie das Kind auf dem Arm der Mutter. Als das Kind dann in die Wiege gebettet wurde, war es ganz ruhig und selig – als es wieder auf den Arm kam, brüllte es wieder“, berichtet Pfarrer Ekkehard Baumgartner. Er gibt aber auch zu, dass es auch Fälle gegeben habe, bei denen genau das Gegenteil der Fall war.
Die Tradition, Täuflinge in die Fideliswiege zu legen, ist lang und hat mit dem Kult um Fidelis und der ihm nachgesagten Wundertätigkeit zu tun. Inder Chronik des Augustin er chor frauen stifts Inzigkofenwur de 1729 berichtet, dass auf Fürbitten des Heiligen Fidelis tot geborene Säuglinge, die in jene Wiege gelegt worden waren, wieder Lebensanzeichen gezeigt hätten und lebendig blieben, bis sie getauft waren.
Die Lebenszeichen, so Pfarrer Baumgartner, würde man sich heute rational erklären. „Bei dem Brauch handelt es sich um eine wunderbare und notwendige pastorale Klugheit“, so Baumgartner. Eltern tot geborener Kinder konnte dadurch die Sorge genommen werden, was mit dem verstorbenen Kind passiert. Dabei sei es weniger um die Angst ungetaufter Seelen vor dem Fegefeuer gegangen, als um das strenge Standesdenken der damaligen Bevölkerung. „Nur wer getauft war, war Christ“, so Baumgartner. „Der Brauch mit der Wiege hat Eltern viel zusätzliches Leid erspart.“
Später legte man auch kranke Babys und Säuglinge mit Behinderung in die Wiege, bis man dazu überging, alle Täuflinge dort zu betten. So wird es bis heute praktiziert. Nach mehreren Jahrzehnten Pause wird die berühmte Fideliswiege am Dienstag, dem Fidelistag, sogar wieder bei der Prozession herumgetragen. „Eltern haben dafür eigens ein Gestell gebaut“, sagt Pfarrer Ekkehard Baumgartner.
Bei der Wiege handelt es sich laut Ekkehard Baumgartner um die echte Babywiege des Fidelis. „Sie konnte ihm leicht zugeordnet werden, weil der Fideliskult schon direkt nach dessen Märtyrertod einsetzte.“Übrigens wird Fidelis nicht nur in Oberschwaben verehrt: Aufgrund seines ausgeprägten Sinns für Gerechtigkeit ist der „Advokat der Armen“auch ein Vorbild für brasilianische Bauern im Kampf gegen Großgrundbesitzer: „El Roy lautet der Schlachtruf der Bauern dort“, weiß Baumgartner. Und Markus Roy (manchmal auch: Rey) hieß der heilige Fidelis schließlich mit bürgerlichem Namen.