Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Knapp 300 Einsatzkräfte üben im Tunnel
Im Anschluss an die Großübung in Ertingen soll ein Notfallplan entwickelt werden
ERTINGEN - „Brand im Ertinger Tunnel“: So lautet die Meldung der Einsatzleitstelle. Die Ertinger Feuerwehr rückt aus, die Wehren aus dem Umland und auch das DRK werden alarmiert. Fast 300 Einsatzkräfte sind letztlich vor Ort, um 25 Verletzte zu retten. Anschließend wird Bilanz gezogen, was gut lief und was weniger gut. Am Samstag fand zum ersten Mal eine Großübung mit diesem Szenario im Ertinger Tunnel statt.
Gegen 13 Uhr wird der Notfall gemeldet. Die Leitstelle in Biberach alarmiert die Feuerwehr und den „Helfer vor Ort“in Ertingen. Die Rettungskräfte wissen nicht genau, was sie erwartet. Als Erster trifft Alexander Schirmer als „DRK-Helfer vor Ort“ein, begleitet von 100 Zuschauern neben der Fahrbahn außerhalb des Tunnels. Kurz darauf trifft der Einsatzleitwagen der Feuerwehr Ertingen ein.
Im Tunnel selbst erwartet die Feuerwehrmänner um Einsatzleiter Rafael Neuburger, stellvertretender Ertinger Kommandant, ein schlimmes Unfall-Szenario (siehe Kasten). Die Businsassen – geschminkte Komparsen – sind zum Teil schwer verletzt. Blut an den Händen und im Gesicht, Menschen klopfen gegen Scheiben, sind eingeklemmt. Schreie nach Hilfe gellen durch den Tunnel, der Qualm dringt durch die Röhre. Neuburger muss die Lage erkunden und dann Entscheidungen treffen. Wo werden die Feuerwehrfahrzeuge positioniert? Von welcher Seite sollen die Feuerwehren anrücken?
Das Geschehen verfolgen unter anderem der stellvertretende Kreisbrandmeister Klaus Merz, Bezirksbrandmeister Siegfried Hollstein, Kreisbrandmeister Peter Frei und DRK-Geschäftsführer Michael Mutschler. Die Polizei ist mit Revierleiter Franz Lemli und seinem Stellvertreter Guntram Rößler vor Ort. Mitarbeiter des Straßenamts und ein Ingenieurbüro aus Stuttgart dokumentieren die Übung, um Sicherheitslücken im Tunnel zu prüfen.
Die Feuerwehren aus Riedlingen und Herbertingen werden am Südeingang positioniert, die Ertinger, Binzwanger und Erisdorfer sind am anderen Tunnelende. Auch die ersten Rettungswagen mit Notarzt und Notfallsanitätern sind vor Ort. Inzwischen sind die ersten „chaotischen Minuten“wie die Beobachter sie nennen, vorbei. Eine Gruppe löscht das brennende Auto, eine andere versucht, eine eingeklemmte Person aus dem Auto zu befreien. Weitere Feuerwehrkräfte dringen mit Leitern durch die geborstenen Scheiben in den Bus ein, um Verletzte zu sichten und herauszuholen.
Verletzte kommen in die Klinik
Mit Tragen werden die Schwerverletzten zum Tunneleingang gebracht, wo sie vom Rettungsdienst in Empfang genommen werden. Die Schwerstverletzten werden sofort in den Rettungswagen verladen und in die Klinik gefahren. Schwer Verletzte werden vor Ort versorgt. Die Leichtverletzten, die selbst gehen können, werden zum ersten Sammelplatz begleitet.
Dort gibt es erste Kritik aus den Reihen der Beobachter. Warum sind die Rettungsfahrzeuge des DRK nicht längst in den Tunnel gefahren? Denn die Gefahrenlage ist gebannt. „Hier hätte man die Strategie ändern müssen“, heißt es aus der Gruppe der Beobachter. Solche Erkenntnisse zu gewinnen, ist ein Ziel dieser Großübung. Es ist die erste in diesem Tunnel seit dessen Bau 1999.
An der Ertinger Halle hat sich der Führungsstab mit Feuerwehrfahrzeugen aus Bad Buchau und Erolzheim etabliert. Dort laufen Fäden und Informationen zusammen. Rund 30 Meter entfernt steht das Einsatzleitfahrzeug des DRK – auch das ist ein Punkt, der den Beobachtern auffällt. Üblicherweise wird versucht, eine „Wagenburg“der Einsatzführungen zu bilden, um schnell Informationen austauschen zu können.
An der Kulturhalle haben sich auch die Schnelleinsatzgruppen (SEG) des DRK angesiedelt. Vor der Halle ist der Sammelplatz für die Verletzten. Auch hier stechen die realistisch geschminkten VerletztenDarsteller ins Auge. Eine Person hat sich den Bauch an einer Scheibe aufgeschlitzt und blutet, eine andere hat schwere Kopfverletzungen. Ein junger Mann hat den Unterarm verloren. Als die vielen Verletzten auf einmal gebracht werden, ist das Geschehen etwas chaotisch. Doch auch das löst sich wieder auf.
Mängel in der Kommunikation
Gegen 14.30 Uhr ist der Einsatz weitgehend abgeschlossen. Die einzelnen Bereiche hätten gut gearbeitet, sagt Siegfried Hollstein. Einig sind sich alle Verantwortlichen aber auch darin, dass die Kommunikation zwischen Rettungskräften und Feuerwehr verbessert werden muss. Während das DRK zu Beginn beispielsweise mit fehlender Manpower zu kämpfen hatte, hätten Feuerwehrkräfte zur Unterstützung genutzt werden können. Hollstein regt einen Notfallplan für solch ein Szenario an, sodass bei einem Brand im Tunnel alle Kräfte wissen, was zu tun ist.
Beim Abschluss mit den knapp 300 Beteiligten danken Landrat Heiko Schmid, Ertingens Bürgermeister Jürgen Köhler und die Verantwortlichen den vielen Einsatzkräften. Und sie lassen durchklingen, dass die nächste Übung keine 18 Jahre auf sich warten lassen wird.