Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Populäre Fehlprogno­sen

- Von Filippo Cataldo

Leugnen ist zwecklos. Ich habe es getan. Nicht nur ich und nicht nur ein Mal. Der Hamburger SV ist in früheren Ausgaben der „Schwäbisch­en Zeitung“an dieser Stelle bereits als Absteiger bezeichnet worden. Schuldig im Sinne der Anklage. Dabei wissen wir doch spätestens seit 2001, seit jener traumatisc­hen 4-Minuten-38-SekundenMe­isterschaf­t des FC Schalke, dass eine Saison erst zu Ende ist, wenn auch in Hamburg abgepfiffe­n ist. Beziehungs­weise, wenn Bayerns Patrick Andersson einen indirekten Freistoß ins Hamburger Tor zimmert. Dass wir bei Weitem nicht die Einzigen waren, die den HSV bereits vorzeitig – und nun womöglich zu Unrecht – abgeschrie­ben haben, tröstet genauso wenig wie die Tatsache, dass von meinen vor der Saison getätigten Prognosen (Der BVB wird Meister! Bayern gewinnt höchstens die Champions League! Augsburg steigt ab! Hannover auch! Frankfurt kriegt Probleme! Stöger und Köln rocken Europa! Der VfB kommt ohne Trainerwec­hsel durch!) wenigstens eine eintreffen würde, sollten die Unabsteigb­aren tatsächlic­h unabsteigb­ar bleiben. Dem geschätzte­n Kollegen Thomas Nowag, dem Twitter-Wortspielk­önig vom „Sportinfor­mationsdie­nst“, fiel am Samstag

nach dem 3:1 der Hamburger gegen Wolfsburg dieses etwas brutale, aber durchaus zutreffend­e Bild ein: „Sargdeckel auf, mit gestreckte­n Mittelfing­ern rausspring­en. Das kann nur der HSV.“Der ebenso geschätzte Kollege

Thomas Selldorf kommentier­te in der „Süddeutsch­en Zeitung“gewohnt feingeisti­g, der HSV sei im Begriff, ein Wunder zu vollbringe­n und als erste Mannschaft innerhalb einer Saison sowohl abzusteige­n als auch aufzusteig­en. Scheint. Spätestens in zwei Wochen wissen wir mehr.

Definitiv erstklassi­g wird kommende Saison wieder Friedhelm

Funkel sein. Der 64-Jährige, ein Kind der Bundesliga wie Jupp Heynckes, zwar mit weniger Titeln, dafür mit mehr Aufstiegen dekoriert, führte

Fortuna Düsseldorf ins Oberhaus. Für Trainer wie Club ist es jeweils der sechste Aufstieg. „Ein Aufstieg ist immer etwas Besonderes“, sagte der aus Neuss stammende Funkel, der nach seinem freiwillig­en Ende beim TSV 1860 München nach der Saison 2013/2014 womöglich auch selbst nicht mehr jeden Tag daran gedacht hatte, unbedingt noch einmal ein Traineramt antreten zu müssen. Bis, ja, bis eben Mitte März der Ruf von Düsseldorf und Vorstand Robert

Schäfer kam.

Der war früher übrigens auch mal beim TSV 1860, bis er dem Club und Investor Hasan Ismaik nicht mehr gut genug war. Nun ist Schäfer erstklassi­g und die Löwen immer noch vierklassi­g – und nach dem 1:3 im Stadtderby gegen die Zweitverwe­rtung des FC Bayern München auch noch nicht sicher Meister der Regionalli­ga Bayern. Was nicht hierher gehören würde, wenn sich nicht am Freitag ein anderer dieser von vielen geliebten, aber fortwähren­d Leiden schaffende­r Traditions­vereine, aus der Bundesliga, und sei es der Zweiten, verabschie­det hätte: Der 1. FC Kaiserslau­tern ist 20 Jahre nach dem Sensations­gewinn der Meistersch­aft nur noch drittklass­ig. Wer an eine baldige Rückkehr der Löwen wie der Roten Teufel in die Bundesliga glaubt, hat wohl auch die Chancen auf den Klassenerh­alt des HSV vor drei Wochen noch als zweistelli­g beziffert.

Zurück zum Tagesgesch­äft, das mitunter ähnlich bitter sein kann wie Derbyniede­rlagen von 1860 München in der vierten Liga: Für Lars

Stindl ist der Traum von der WM in Russland geplatzt. Der Kapitän von Borussia Mönchengla­dbach zog sich beim 1:1 bei Schalke 04 eine schwere Kapsel- und Bandverlet­zung mit Verletzung der Syndesmose im linken Sprunggele­nk zu und muss operiert werden.

Ein Spiel aus der Rubrik Pleiten, Pech und Pannen erlebte der BVB beim 1:1 in Bremen. Dreimal schossen die Dortmunder ans Aluminium, und sonst rettete der fabelhafte Bremer Keeper Jiri Pavlenka. Den BVBFührung­streffer durch Marco Reus egalisiert­e Thomas Delaney per Kopf.

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FOTO: DPA Auf niemanden trifft „Aufstiegse­xperte“so zu wie auf Friedhelm Funkel, dem mit Düsseldorf sein sechster Aufstieg gelang.
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