Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Populäre Fehlprognosen
Leugnen ist zwecklos. Ich habe es getan. Nicht nur ich und nicht nur ein Mal. Der Hamburger SV ist in früheren Ausgaben der „Schwäbischen Zeitung“an dieser Stelle bereits als Absteiger bezeichnet worden. Schuldig im Sinne der Anklage. Dabei wissen wir doch spätestens seit 2001, seit jener traumatischen 4-Minuten-38-SekundenMeisterschaft des FC Schalke, dass eine Saison erst zu Ende ist, wenn auch in Hamburg abgepfiffen ist. Beziehungsweise, wenn Bayerns Patrick Andersson einen indirekten Freistoß ins Hamburger Tor zimmert. Dass wir bei Weitem nicht die Einzigen waren, die den HSV bereits vorzeitig – und nun womöglich zu Unrecht – abgeschrieben haben, tröstet genauso wenig wie die Tatsache, dass von meinen vor der Saison getätigten Prognosen (Der BVB wird Meister! Bayern gewinnt höchstens die Champions League! Augsburg steigt ab! Hannover auch! Frankfurt kriegt Probleme! Stöger und Köln rocken Europa! Der VfB kommt ohne Trainerwechsel durch!) wenigstens eine eintreffen würde, sollten die Unabsteigbaren tatsächlich unabsteigbar bleiben. Dem geschätzten Kollegen Thomas Nowag, dem Twitter-Wortspielkönig vom „Sportinformationsdienst“, fiel am Samstag
nach dem 3:1 der Hamburger gegen Wolfsburg dieses etwas brutale, aber durchaus zutreffende Bild ein: „Sargdeckel auf, mit gestreckten Mittelfingern rausspringen. Das kann nur der HSV.“Der ebenso geschätzte Kollege
Thomas Selldorf kommentierte in der „Süddeutschen Zeitung“gewohnt feingeistig, der HSV sei im Begriff, ein Wunder zu vollbringen und als erste Mannschaft innerhalb einer Saison sowohl abzusteigen als auch aufzusteigen. Scheint. Spätestens in zwei Wochen wissen wir mehr.
Definitiv erstklassig wird kommende Saison wieder Friedhelm
Funkel sein. Der 64-Jährige, ein Kind der Bundesliga wie Jupp Heynckes, zwar mit weniger Titeln, dafür mit mehr Aufstiegen dekoriert, führte
Fortuna Düsseldorf ins Oberhaus. Für Trainer wie Club ist es jeweils der sechste Aufstieg. „Ein Aufstieg ist immer etwas Besonderes“, sagte der aus Neuss stammende Funkel, der nach seinem freiwilligen Ende beim TSV 1860 München nach der Saison 2013/2014 womöglich auch selbst nicht mehr jeden Tag daran gedacht hatte, unbedingt noch einmal ein Traineramt antreten zu müssen. Bis, ja, bis eben Mitte März der Ruf von Düsseldorf und Vorstand Robert
Schäfer kam.
Der war früher übrigens auch mal beim TSV 1860, bis er dem Club und Investor Hasan Ismaik nicht mehr gut genug war. Nun ist Schäfer erstklassig und die Löwen immer noch vierklassig – und nach dem 1:3 im Stadtderby gegen die Zweitverwertung des FC Bayern München auch noch nicht sicher Meister der Regionalliga Bayern. Was nicht hierher gehören würde, wenn sich nicht am Freitag ein anderer dieser von vielen geliebten, aber fortwährend Leiden schaffender Traditionsvereine, aus der Bundesliga, und sei es der Zweiten, verabschiedet hätte: Der 1. FC Kaiserslautern ist 20 Jahre nach dem Sensationsgewinn der Meisterschaft nur noch drittklassig. Wer an eine baldige Rückkehr der Löwen wie der Roten Teufel in die Bundesliga glaubt, hat wohl auch die Chancen auf den Klassenerhalt des HSV vor drei Wochen noch als zweistellig beziffert.
Zurück zum Tagesgeschäft, das mitunter ähnlich bitter sein kann wie Derbyniederlagen von 1860 München in der vierten Liga: Für Lars
Stindl ist der Traum von der WM in Russland geplatzt. Der Kapitän von Borussia Mönchengladbach zog sich beim 1:1 bei Schalke 04 eine schwere Kapsel- und Bandverletzung mit Verletzung der Syndesmose im linken Sprunggelenk zu und muss operiert werden.
Ein Spiel aus der Rubrik Pleiten, Pech und Pannen erlebte der BVB beim 1:1 in Bremen. Dreimal schossen die Dortmunder ans Aluminium, und sonst rettete der fabelhafte Bremer Keeper Jiri Pavlenka. Den BVBFührungstreffer durch Marco Reus egalisierte Thomas Delaney per Kopf.