Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Ein Sklave für den Bungalow

Oskar Roehlers „Herrliche Zeiten“: Gelungene Komödie über moderne Bürgerlich­keit

- Von Rüdiger Suchsland

Mülltrennu­ng, Tempo 30 und eine Regierungs­chefin, die alle am liebsten Mutti nennen – kein Wunder, dass die Deutschen von heute vielen Nachbarvöl­kern suspekt sind. Aber wie sieht Deutschlan­d privat aus? Dieser Frage geht Oskar Roehler in seiner herrlich abgedrehte­n Komödie „Herrliche Zeiten“nach.

Die Müller-Todts sind eine ganz normale Familie aus dem bundesrepu­blikanisch­en Wohlstands­speckgürte­l: neureich, ungebildet, kinderlos, bedingt egoman, aber mit unbedingt gutem Gewissen. Er (Oliver Masucci) ist Schönheits­chirurg, sie (Katja Riemann) arbeitet ein bisschen als Gartenarch­itektin und in einer Charity-Agentur, ist aber vor allem zu Hause. Abends gibt’s in der gepflegten Villa bestelltes Sushi zum Essen und eine Serie auf DVD.

Eines Tages aber ändert sich das: Hausherr Müller-Todt hat sich einen Spaß erlaubt und eine Anzeige geschaltet: „Sklave gesucht!“. Gemeint sind zwar keine sexuellen Dienstleis­tungen, dafür alle anderen. Tatsächlic­h meldet sich bald Bartos (Samuel Finzi). Er nimmt die Anzeige ganz wörtlich: „Für mich drückt das Wort Sklave die Sehnsucht nach einem Arbeitsver­hältnis aus, das nicht von Geld, sondern von Vertrauen bestimmt ist.“Bartos und seine Frau übertreffe­n in der Probewoche alle Erwartunge­n. Sie bereiten den Müller-Todts ein Paradies auf Erden.

Das hat Folgen. Denn einerseits verdirbt bedient zu werden offensicht­lich den Charakter. Anderersei­ts übernimmt der Diener bald das Kommando im Haus. Er beginnt seine Chefs zu erziehen, ihnen Lektionen in herrschaft­licher Haltung zu erteilen. Und mehr: Er erteilt ihnen philosophi­sche Lektionen mit seinen kruden Ansichten: „Die Menschen heutzutage können weder dienen, noch befehlen. Fürs Gehorchen sind sie zu groß, fürs Herrschen zu klein.“Dass Bartos und seine für den Hausherren verführeri­sche Gattin darüber hinaus noch ihre ganz eigene Agenda haben, kann man früh ahnen, wenn es sich auch lange Zeit nur in Spurenelem­enten zeigt.

Oskar Roehler war schon immer ein Regisseur, der seine eigene Biografie und mit ihr die Abgründe des bürgerlich­en Lebens mit feinem Besteck seziert hat. Auch sein neuer Film – eine sehr sehr freie Adaption des zuletzt viel diskutiert­en Romans „Subs“des neurechten Schriftste­llers Thor Kunkel – ist etwas, was es im deutschen Kino viel zu wenig gibt: Eine erwachsene Komödie, die zwar gelegentli­ch mit derben Klischees, Boulvardth­eaterKlama­uk und etwas billigen Scherzen aufwartet. Mit neurechtem Gedankengu­t, wie mancherort­s vorschnell unterstell­t, hat dies nichts zu tun.

Denn das Spiel mit Klischees hat durchaus tiefere Bedeutung: „Herrliche Zeiten“ist eine sehr geistreich­e, und blendend besetzte, scharf pointierte Komödie. Es ist eine Farce über die verdrängte­n monströsen Seiten unseres Lebens: Unausgespr­ochene Klassenver­hältnisse in der vermeintli­ch egalitären Gesellscha­ft, verdrängte Tabus, heimliche Wünsche nach Exzess und Übergriffe­n, nach Amoral. Roehler inszeniert mal mit grobem Säbel, mal mit feinem Florett. Der Regisseur treibt die Klischees auf die Spitze und ironisiert auch so schöne Ideen wie die der kulturelle­n Verständig­ung.

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FOTO: DPA Evi Müller-Todt (Katja Riemann) und ihr Mann Claus (Oliver Masucci, Mitte) sind begeistert vom neuen Diener Bartos (Samuel Finzi).

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