Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Ausflug in die Rockgeschichte
Musik-Experte Günter Schneidewind tritt in der Sigmaringer Stadthalle auf.
SIGMARINGEN - Während die Veranstalter durchaus bessere Resonanz am Samstagabend in der Stadthalle verdient gehabt hätten, waren die knapp 150 Gäste umso zufriedener: Zwei Stunden lang zelebrierten SWR 1-Moderator Günter Schneidewind und seine musikalischen Begleiter Sascha Bendiks und Simon Höness Hits und Storys aus der Hardrock-Ära. Dabei nahmen sie ihr Publikum mit auf eine unterhaltsame Zeitreise.
„Wenn Sie mich sehen, ahnen Sie: Es geht sehr weit zurück in die Geschichte“, sagte Günter Schneidewind, der sich charmant selbstironisch gab. Sein Rückblick begann mit dem Jahr 1965, als die Älteren englischsprachige Musik ignorierten oder gar als „Teufelszeug“abtaten und die Jugendlichen sich zunehmend für Beatmusik begeisterten. Die Erstausstrahlung des „Beat Clubs“in der ARD kommentierte der spätere Nachrichtensprecher Wilhelm Wieben noch mit den Worten: „Sie aber, meine Damen und Herren, die Sie Beatmusik vielleicht nicht mögen, bitten wir um Ihr Verständnis.“
Sehr persönliche Einblicke
Geboren 1953 in der ehemaligen DDR, bekam Günter Schneidewind die Anfänge der Hardrock-Ära auf „unerlaubten Wegen“mit. „Ich wuchs zwar im geschlossenen System auf, aber der Äther hatte keinen Stacheldraht.“Und so sympathisierte er bereits in jungen Jahren mit dem Medium, das ihn bis heute begleitet und ihm – in Anlehnung an den Großen Brockhaus – bei Kollegen und Bewunderern den Titel „Der Große Schneidewind“eingebracht hat. Als Gesprächspartner vieler Rockgrößen wie David Bowie, Led Zeppelin, den Rolling Stones und Deep Purple ist Schneidewind ein begnadeter Interviewpartner und Erzähler, vollgepackt mit fantastischen und sehr persönlichen Einblicken in höhere Sphären.
Die Zuhörer hingen buchstäblich an Schneidewinds Lippen, als er von der ersten Begegnung mit Ian Gillan von Deep Purple auf dem Klo berichtete. Dieser hatte den Ort der Begegnung beim anschließenden Interview offen über den Äther getragen. Der Musik-Experte berichtete auch davon, wie David Bowie ihn rettete, als er vergessen hatte, eine Schallplatte aufzulegen. Gefürchtete Gesprächspartner wusste er meist geschickt zu entschärfen. „Manfred Mann saß bei Marmorkuchen und Bier und wollte, dass ich den Kuchen teile. Spontan fiel mir eine Geschichte aus der Sesamstraße ein – das brachte uns beide zum Lachen“, erzählte Schneidewind. Dennoch sei auch er manchmal in „Teufels Küche“geraten. Mit diesem Stichwort gab er an seine Bühnenpartner ab. Diese Mischung aus Erzählungen, Kabarett und extravaganter Musik machte den Abend kurzweilig und unterhaltsam.
Während Schneidewind, graumeliert und mit sonorer Stimme, eher die Vaterrolle übernahm, gaben seine Musiker der nächsten Generation Vollgas. Als die wohl kleinste Wohnzimmer-Hardrockband verzerrten sie mal sanft, mal rau Rock-Klassiker wie „Smoke on the water“, „Hells bells“und „Stairway to heaven“. Während sie den Besuchern im Publikum gegenüber Zweifel hegten, ob diese anhand ihres Erscheinungsbilds überhaupt Hardrock mögen, spielte sich diese Überlegung mit Sicherheit auf beiden Seiten ab: Sascha Bendiks am Akkordeon und Simon Höness am Klavier, adrett mit Anzug und Lackschuhen gekleidet, riefen nicht unbedingt Assoziationen mit Heavy Metal hervor.
Hommage an die Scorpions
Aber spätestens, als ins Klavier gebrüllt, die Zunge geschüttelt, die Pianobank bestiegen und die Miniaturausgabe der AC/DC-Glocke geschlagen wurde, war auch der letzte im Saal überzeugt davon, dass die Kopfbedeckung Bendiks eine verkappte Hommage an die Scorpions war. So wurde „Stairway to heaven“ungehemmt mit Kastagnetten als Tango intoniert, „I was made for lovin’ you“mit dem Song „Da, da, da“vermischt oder teuflisch gut und absolut genial die „Bohemian Rhapsody“mit all ihren Facetten interpretiert.
„Ich könnte noch stundenlang zuhören: Es war so toll und unterhaltsam“, schwärmte Besucherin Stefanie Klein nach der Veranstaltung. Ihre Freundin Elisabeth Mang war ebenso begeistert. „Ich wusste nicht, was mich erwartet – aber es war genial“, sagte sie. Monika Menzler aus Bad Saulgau hatte von ihrer Tochter Caroline eine Eintrittskarte geschenkt bekommen. Beide freuten sich am Ende über einen schönen Abend und waren sich einig darin, dass sich der Weg in die Stadthalle gelohnt hat. Auch zwei Ehepaare aus Riedhausen und Ostrach waren voll des Lobes. Schade nur, dass die Sigmaringer so schwach vertreten waren.