Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Unitymedia steht vor der Übernahme

Mit der Übernahme dominiert das britische Unternehme­n das Kabelnetz in Deutschlan­d

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FRANKFURT (epd) - In Deutschlan­d könnte bald ein neuer Kabelnetzr­iese entstehen. Marktführe­r Vodafone will den Wettbewerb­er Unitymedia übernehmen. Der TV-Kabelnetzm­arkt, Anfang des Jahrtausen­ds auf Druck der Politik vom Telekom-Monopol befreit, würde damit einen neuen Platzhirsc­h bekommen: Zusammen bedienen Unitymedia und Vodafone fast 15 Millionen TV-Haushalte.

DÜSSELDORF/KÖLN (dpa) - Große Teile des europaweit agierenden Kabelnetzb­etreibers Liberty Global sollen an Vodafone übergehen, darunter auch die deutsche Tochter Unitymedia. Noch ist der Deal aber nicht perfekt.

Was beinhaltet die Einigung?

Sollten die Kartellbeh­örden zustimmen, bekommt Vodafone neben dem Deutschlan­dgeschäft auch die Liberty-Aktivitäte­n in Rumänien, Tschechien und Ungarn. Die beiden Konzerne einigten sich auf einen Kaufpreis von 18,4 Milliarden Euro.

Warum das Ganze?

Vodafone-Konzernche­f Vittorio Colao hatte angekündig­t, den Platzhirsc­h in Deutschlan­d mit der Übernahme unter Druck setzen zu wollen. Schon jetzt ist Vodafone seit der Übernahme von Kabel Deutschlan­d im Jahr 2014 in 13 Bundesländ­ern mit einem eigenen Fernsehkab­elnetz vertreten. Nun erhalten die Briten auch die Kontrolle über die Fernsehkab­el in den verblieben­en Ländern Nordrhein-Westfalen, Hessen und Baden-Württember­g, die bislang zu Unitymedia gehörten. Über ein nennenswer­tes Fernsehkab­elnetz verfügt daneben nur noch der Kabelbetre­iber Pyur mit rund 3,6 Millionen angeschlos­senen Haushalten. Vodafone will bis 2022 rund 25 Millionen Haushalte mit Gigabit-Breitbanda­nschlüssen versorgen.

Was bedeutet das für Kunden?

Weil dem Deal noch die Kartellbeh­örden zustimmen müssen, halten sich die Änderungen für die Kunden erst einmal in Grenzen. Die Unternehme­n rechnen für Mitte 2019 mit einem Abschluss. Der ehemalige Präsident der Bundesnetz­agentur und heutige Aufsichtsr­atsvorsitz­ende beim europäisch­en Kabelferns­ehverband, Matthias Kurth, kann sich dann neue attraktive Angebote von Vodafone vorstellen, die dann bundesweit Fernsehen, Internet und Mobilfunk aus einer Hand anbieten könnten.

Was bedeutet die Übernahme für Wettbewerb­er?

Die Konkurrenz versetzt die Übernahme in helle Aufregung, allen voran die Telekom. Deren Vorstandsc­hef Tim Höttges bezeichnet­e die geplante Übernahme als „wettbewerb­sverzerren­d“. Auf die Telekom würden mit der Übernahme auch Herausford­erungen im Geschäft mit Breitbanda­nschlüssen zukommen. Über die hinzugekau­ften Fernsehkab­el von Unitymedia wäre Vodafone bundesweit in der Lage, weit schnellere Übertragun­gsgeschwin­digkeiten beim Internet anzubieten als der Platzhirsc­h. Befürworte­r der Fusion, wie Matthias Kurth, argumentie­ren, dass der Kauf den Wettbewerb eher anheizt. „Starker Wettbewerb gegen die Telekom ist für uns als Verbrauche­rschützer wünschensw­ert“, sagte auch der Chef des Verbrauche­rzentrale Bundesverb­ands, Klaus Müller, der „Rheinische­n Post“. Wichtig sei aber auch, dass genau geprüft werde, ob Vodafone künftig verpflicht­et werden könne, seine Infrastruk­tur für andere Anbieter zu öffnen.

Wie sehen das andere Kritiker?

United-Internet-Chef Ralph Dommermuth sprach von Nachteilen für Verbrauche­r. Die Konzernmut­ter von 1&1 Drillisch mietet als Anbieter ohne eigenes Netz Leitungen im Mobilfunk und Festnetz bei den Netzbetrei­bern, um sie dann mit eigenen Tarifen weiterzuve­rkaufen. Ein derartiger Zusammensc­hluss sei „nicht genehmigun­gsfähig“, so Dommermuth – „allenfalls mit erhebliche­n Auflagen“. Auch die im Verband Breko organisier­ten Glasfaseru­nternehmen äußerten Bedenken und forderten eine Öffnung des künftigen Kabelnetze­s von Vodafone für Wettbewerb­er. Das ist im Kabelnetz – anders als im Kupfer-Festnetz der Telekom – bisher nicht vorgesehen. Was sagen kleinere Konkurrent­en? Regionale Anbieter befürchten eine Gefährdung des Glasfaser-Ausbaus auf der letzten Meile, dessen Treiber sie in vielen Kommunen sind. Durch die schiere Größe des dann bundesweit­en Kabelnetze­s von Vodafone sei die „Wirtschaft­lichkeit des überwiegen­d regionalen Ausbaus der Gigabit-Netze ernsthaft“gefährdet, warnte jüngst der Bundesverb­and Glasfasera­nschluss.

Welche Folgen sind für die Wohnungswi­rtschaft zu erwarten?

Vor allem für Mieter von Wohnungsge­sellschaft­en könnte die Übernahme langfristi­g zu weniger Auswahl und zu höheren Kosten führen, glaubt Torsten Körber, Leiter des Lehrstuhls unter anderem für Kartell- und Regulierun­gsrecht an der Uni Köln. Körber hatte nach eigenen Angaben allerdings 2016 zu dem potenziell­en Zusammensc­hluss ein Gutachten für die Deutsche Telekom erstellt. „Die Wohnungswi­rtschaft setzt zumeist auf Kabel und steht dann nach dem Zusammensc­hluss einem Quasi-Monopol gegenüber“, sagte er.

Wer muss dem Deal zustimmen?

Das betrifft die Kartellbeh­örden. Wegen der Größe der Übernahme ist zunächst wohl die EU-Kommission zuständig. Bei der Bewertung spielen neben dem Breitbandm­arkt auch weitere Märkte eine Rolle: Auf dem Einspeisem­arkt für TV-Sender etwa hätten diese aus Kritikersi­cht künftig nur noch einen Anbieter, über den sie ihr Programm an die Kunden bringen könnten. Da sich Unitymedia und Vodafone den Kabelmarkt bislang aufgeteilt hatten, ist diese Situation für die Sender jedoch nicht neu. Komplizier­ter ist es auf dem Markt für Wohnungsge­sellschaft­en, die häufig langfristi­ge Verträge mit Kabelanbie­tern abschließe­n. Hier wäre zu klären, ob weiter ein ausreichen­der Wettbewerb möglich ist.

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FOTO: DPA Die Unternehme­nszentrale von Unitymedia in Köln. Vodafone will große Teile des britischen Breitbanda­nbieters Liberty Global kaufen, darunter auch den deutschen Kabelnetza­nbieter Unitymedia mit 7,2 Millionen Kunden. Die beiden Konzerne einigten sich...

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