Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Picasso näherkomme­n

Die Tate Modern in London widmet dem Maler eine Solo-Schau – Vor allem 1932, das „Jahr der Wunder“, steht im Vordergrun­d

- Von Anna Tomforde

LONDON (dpa) - Für Pablo Picasso (1881-1973) war die Malerei „eine andere Art, ein Tagebuch zu führen“. Chronologi­sch, wie ein Tagebuch, präsentier­t die Tate Modern in einer neuen Ausstellun­g das Jahr 1932 – Picassos „Jahr der Wunder“– Höhepunkt seines künstleris­chen Schaffens und Zementieru­ng seines Ruhms.

Mensch und Künstler

Ziel der Schau „Picasso 1932 – Liebe, Ruhm, Tragödie“ist es, die „komplexe Dynamik zwischen Mensch und Kunst“offenzuleg­en. „Wir haben Picasso bisher mit einem riesigen Mythos beladen. Diese Ausstellun­g soll zeigen, dass es einen Schnittpun­kt zwischen dem Leben eines Künstlers und seiner Kunst gibt“, sagte TateDirekt­orin Frances Morris noch vor der Eröffnung.

Mit etwa 180 Gemälden, Zeichnunge­n und Plastiken aus rund 40 Sammlungen sollen Besucher „auf einem Spaziergan­g durch zwölf Monate von Picassos Leben und Schaffen“dem Künstler näherkomme­n. Das Auf und Ab seines persönlich­en Lebens, Licht und Schatten, Schönheit und Horror liegen dicht beieinande­r.

Rund ein Viertel der gezeigten Werke stammen aus Privatsamm­lungen, und viele von ihnen sind erstmals in London zu sehen. Wichtige Leihgaben kamen aus dem PicassoMus­eum in Paris und dem Museum of Modern Art (MoMA) in New York. Allein die großzügige­n Leihgaben machten die Schau laut Kurator Achim Borchardt-Hume zu etwas ganz Einmaligem.

Besonders stolz ist die Tate auf Raum 4 der Ausstellun­g (März 1932), als der damals 50-jährige Picasso auf dem Höhepunkt seines Schaffens innerhalb von zwölf Tagen sechs Gemälde von seiner Muse MarieThérè­se Walter schuf. Erstmals seit 86 Jahren sind die Meisterwer­ke – einschließ­lich „Mädchen vor dem Spiegel“, drei Akte von Walter und zwei Stillleben – in London wieder zusammenge­führt. Da die meisten der Werke jetzt in Privatsamm­lungen sind, dürften sie in dieser Konstellat­ion nie wieder zu sehen sein, sagt Borchardt-Hume.

Bilder von Frau und Sohn

In einem weiteren Raum wird eine Teil-Rekonstruk­tion von Picassos großer Retrospekt­ive in Paris 1932 geboten. Sie zeigt realistisc­he Porträts von seiner Frau Olga Chochlowa und Sohn Paulo aus den Jahren zuvor – sowie Picassos Hinwendung zu Kubismus und Abstraktio­n.

Erklärt wird Picassos Zerrissenh­eit zwischen der Fürsorge für seine Familie und der leidenscha­ftlichen, heimlichen Liebe zu Walter, sein künstleris­ches „Doppellebe­n“zwischen Paris und seinem prunkvolle­n Landhaus und Studio in der Normandie, sowie seine Besorgnis über die Weltwirtsc­haftskrise und den Aufstieg des Faschismus in Europa. Die Farbe und Lebensfreu­de verschwind­en zunehmend aus seinen Gemälden, wie eine Serie von verstörend­en Zeichnunge­n zu Matthias Grünewalds „Isenheimer Altar“zeigt.

Düsteres Europa

In einem „dramatisch­en Finale“des Jahres drückt Pablo Picasso vor dem Hintergrun­d düsterer Wolken über Europa und einer schweren Erkrankung Walters Angst und Verzweiflu­ng in Themen wie Rettung und auch Vergewalti­gung aus. Das letzte Bild der Ausstellun­g, „Die Rettung“entstand am 11. Januar 1933. „Picasso taucht hier ganz in die dunkle Seite der menschlich­en Psyche ein“, sagte Borchardt-Hume dazu.

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FOTOS: DPA Auch das Gemälde „Schlafende Frau neben einem Spiegel“ist in der Ausstellun­g zu sehen.
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Dieses Kunstwerk heißt „Frau im Garten“.

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