Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Italiens problematische Ministerriege
Noch hat Italien keine neue Regierung. Doch heute oder spätestens am Donnerstag wird Staatspräsident Sergio Mattarella wohl den Hochschulprofessor und Juristen Giuseppe Conte mit der Bildung einer Regierung beauftragen.
Kopfzerbrechen bereitet Mattarella allerdings die Besetzung einiger wichtiger Ministerien und einige Punkte des Regierungsprogramms, das die rechte Lega und die Protestbewegung Fünf Sterne (M5S) in den vergangenen Tagen ausgearbeitet haben. Ein Regierungsprogramm, das in wichtigen Punkten nicht nur EU-kritisch, sondern fast schon EUfeindlich scheint. Das gilt auch für einige der designierten Minister.
So soll Paolo Savona Wirtschaftsund Finanzminister werden. Der 81jährige Wirtschaftsexperte und ehemalige Industrieminister (1993-94) ist ein entschiedener Gegner des Euro und der, wie er sie nennt, „Gängelbänder, mit denen Brüssel die Mitgliedsstaaten knebelt“. Savona soll eine Steuerreform realisieren: die Einführung einer so genannten Flat Tax, eines Einheitssteuersatzes.
Parteichefs werden Fachminister
Das Arbeitsministerium wird voraussichtlich Luigi Di Maio übernehmen, der 31-jährige Chef der Partei M5S. Als Minister will er das Grundeinkommen für alle arbeitslosen und armen Italiener durchsetzen, einer der wichtigsten Programmpunkte seiner Partei. Das Geld dafür, geschätzte 20 bis 30 Milliarden Euro, will er durch mehr Schulden zusammen bekommen.
Problematisch könnte auch die Besetzung des Innenministeriums werden. Hier soll Matteo Salvini einziehen. Der Chef der Lega will als Innenminister dafür sorgen, dass keine neuen Einwanderer mehr ins Land kommen. Rund 10 000 Soldaten will er nach Süditalien versetzen, damit sie dort die Küsten bewachen. Illegale Einwanderer sollen so schnell wie möglich abgeschoben und Aufnahmelager für Einwanderer ohne Aufenthaltsgenehmigung aufgelöst werden. Salvinis mögliche Übernahme des Innenministeriums erfreut seine politische Freunde Marine Le Pen, Vladimir Putin und Donald Trump.
Im Infrastrukturministerium soll, geht es nach Lega und M5S, Laura Castelli das Sagen haben. Das 31-jährige Führungsmitglied der M5S tritt besonders aggressiv auf. Mit ihren Plänen erregt sie nicht nur in Italien Aufsehen, sondern auch in Paris: So schnell wie möglich will sie die Baustelle für die Schnellbahntrasse TAV zwischen Frankreich und Italien stilllegen. Sie sei nutzlos und teuer. Dass Italien schon einige Milliarden Euro für die TAV ausgegeben hat, scheint Castelli nicht zu stören. Ebenfalls spricht sie sich für die Abwicklung des süditalienischen Stahlunternehmens ILVA aus, das wegen ständiger Umweltverschmutzung immer wieder in die Schlagzeilen gerät.
Als „Beruhigungspillen der EU gegenüber“, so die Tageszeitung „Il Foglio“, sollen der international bekannte Diplomat Giampiero Massolo Außenminister und der ehemalige Richter am europäischen Gerichtshof Enzo Moavero Milanesi Minister für die Beziehungen zur Europäischen Union werden.
„Tatsache ist“, so Massimo Cacciari, Philosoph und Führungsmitglied der nun wohl bald oppositionellen Sozialdemokraten, dass „diese Regierung der EU viele Probleme machen wird, denn sie will ihren Kopf durchsetzen, ohne sich an geltende Verträge mit Brüssel zu halten“. Das befürchtet auch Staatspräsident Mattarella.