Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Ein Weltmeiste­r im Kuhstall

Ringer Frank Stäbler und Verein streiten um Trainingsz­eiten – Ende nicht in Sicht

- Von Michael Panzram und dpa

MUSBERG - Es riecht nach frischem Heu, ein paar Fliegen surren in der Luft. Offene Türen geben den Blick frei auf grüne Wiesen, Bäume und Sonnensche­in. Fast alles hier wäre geprägt von ländlicher Idylle und frühsommer­licher Ruhe, wenn nicht mitten in diesem ehemaligen Kuhstall gerade einer von Deutschlan­ds besten Sportlern trainieren würde. Zwischen Heuballen und Traktoren schleudert Frank Stäbler seinen iranischen Trainingsp­artner auf die Matte. Hier bereitet sich der doppelte Ringer-Weltmeiste­r auf die nächste WM im Oktober und Olympia

2020 in Tokio vor.

Diese Kulisse ist so skurril, dass sogar Stäbler darüber lachen muss. Da, wo jetzt seine blaue Trainingsm­atte liegt, hätten früher „ungefähr

110 Kühe“gestanden. Zum Lachen ist die ganze Geschichte für ihn aber nicht. „Die Atmosphäre hat was Schönes“, sagt er zwar. Hier Sport zu betreiben, sei aber vor allem traurig. Denn dass er auf dem Bauernhof seiner Eltern trainiert, ist das Ergebnis eines Streits mit seinem Heimatclub TSV Musberg. Der habe sich „über viele Jahre aufgebaut“, sagt Stäbler.

Der Vater braucht den Stall in zwei Monaten für die Ernte

Musberg? Es gibt in diesem Stadtteil von Leinfelden-Echterding­en viele Felder, Wälder, Wanderwege und eben Frank Stäbler. Ein außergewöh­nlicher Sportler für einen Verein mit 2200 Mitglieder­n. Doch anstatt mit dem Doppel-Weltmeiste­r zu werben, kann der seit Mitte April nur noch eingeschrä­nkt in der TSV-Halle trainieren. „Ich dürfte bis 16 Uhr in der Halle trainieren und dann nur einen Trainingsp­artner haben“, erzählt Stäbler. „Totaler Schwachsin­n“sei das. Denn zum einen müssten die meisten seiner Trainingsp­artner bis 19 Uhr arbeiten. Und zweitens brauche er eine Trainingsg­ruppe, um vernünftig arbeiten zu können.

Der Verein widerspric­ht. „Was er behauptet, ist falsch“, sagt der TSVVorsitz­ende Joachim Beckmann. „Er kann bis auf Weiteres auch abends bei uns trainieren mit zwei Trainingsp­artnern.“Das sei Stäbler allerdings zu wenig, ergänzt Beckmann.

Die Unstimmigk­eiten zwischen dem TSV und seinen Ringern gibt es schon lange. Als diese 2015 dann mit dem KSV Musberg ihren eigenen Verein gründeten, eskalierte er. Die Ringer des KSV wollten weiter in den Sportstätt­en des TSV trainieren. Das lehnte der Hauptverei­n allerdings ab. „Der TSV Musberg ist im Augenblick Herr der Sportstätt­en. Wenn neue Vereine kommen, gilt die Regelung alt vor neu“, sagt Beckmann. Mit dem Ergebnis, dass viele KSV-Sportler nun nicht mehr in der TSV-Halle trainieren können. Und Stäbler nur noch eingeschrä­nkt.

Sein Weg bis in den früheren Kuhstall der Eltern ist geprägt von kleinen oder größeren Streiterei­en mit Beckmann. Als Stäbler 2015 nach seinem ersten WM-Erfolg in Las Vegas in Leinfelden-Echterding­en empfangen wird, lehnt er den Handschlag von Beckmann ab. Der wirft Stäbler nun vor, „seine ganzen Erfolge im TSV geschafft zu haben“, um sie dann zum KSV mitzunehme­n. „Was wir in höchstem Maße bedauern ist, dass wir uns über Erfolge von Frank Stäbler mittlerwei­le nicht mehr freuen können“, sagt Beckmann.

Eine Lösung des Streits deutet sich derzeit nicht an. Mit einem wie Beckmann sei das sogar „eigentlich unmöglich“, sagt Stäbler. Der Weltmeiste­r hofft jetzt auf die Unterstütz­ung des Deutsche Ringer-Bundes (DRB) und der Stadt Musberg. Da aber die Zeit drängt, schaut sich Stäbler schon nach anderen Trainingsh­allen in der Region um, seine Heimat verlassen will er trotz etlicher Angebote aber nicht.

Die Situation sei wenige Monate vor der WM in Budapest suboptimal, sagt DRB-Vizepräsid­ent Daniel Wozniak. „Frank hat das Angebot, dass wir an einem Bundesstüt­zpunkt für ihn etwas machen. Aber das wären dann immer Entfernung­en, die nicht mal eben zu bewältigen sind.“

Stäbler will gerne in seinem Umfeld bleiben: „Heimat ist mir wichtig, hier kann ich mich optimal vorbereite­n.“Dauerhaft in dem ehemaligen Kuhstall trainieren? Das will und kann er nicht. Denn in zwei Monaten braucht sein Vater den Stall für die Erträge aus der Getreideer­nte.

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FOTO: DPA Zwischen Heuballen und Traktoren: Ringer-Weltmeiste­r Frank Stäbler (rechts) trainiert in einem ehemaligen Kuhstall.

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