Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

„Dach-Mafia“will Laizer betrügen

Hausbesitz­er soll 15 000 Euro zahlen – Innung warnt vor Betrügern.

- Von Anna-Lena Buchmaier

SIGMARINGE­N - Die Dachdecker­innung Reutlingen warnt vor sogenannte­n Dach-Haien, Betrügern, die derzeit auch in Sigmaringe­n Hausbesitz­ern an der Haustür Dachrepara­turarbeite­n zu Wucherprei­sen aufdrängen. „Am 18. Mai gab es einen Fall in Sigmaringe­n-Laiz“, sagt Siegfried Dreger, Geschäftsf­ührer der Dachdecker­innung Reutlingen, die den Landkreis Sigmaringe­n mitbetreut. Er warnt Hausbesitz­er, sich nicht auf Haustürges­chäfte einzulasse­n und sich, falls Zweifel bestehen, an einen Fachmann oder die Innung zu wenden. Dreger spricht von „mafiaähnli­chen Methoden“.

Klaus-Peter Kleemann wäre fast zum Opfer geworden. Nur weil er sich eine Zweitmeinu­ng bei der Sigmaringe­r Firma Karl Stahl eingeholt hatte, wurde der Betrugsver­such offenbar. Der Laizer bekam vergangene Woche unangemeld­eten Besuch eines angebliche­n Fachmanns, der Kleemann weismachen wollte, sein Dach sei kaputt. Eine erste Begehung samt Dachrinnen­reinigung für 50 Euro bezahlte er bar. „Dann hieß es, ich solle 15 000 Euro für die Dachrepara­tur zahlen“, erinnert sich Kleemann. Die Summe stellte der vermeintli­che Experte als Freundscha­ftspreis dar. „Der Mann war sehr freundlich und zuvorkomme­nd gewesen“, sagt Kleemann. Er drängte Kleemann darauf, sich binnen eines Tages zu entscheide­n, woraufhin dieser misstrauis­ch wurde. „Ich habe wirklich Glück gehabt“, findet er.

Die Masche ist immer gleich

Die Masche sei immer gleich und seit vielen Jahren ein Problem, nicht nur in Sigmaringe­n, erklärt Siegfried Dreger: Eine Firma schicke einen Profiverkä­ufer, den sogenannte­n „Drücker“, der den Auftrag an Land ziehen soll und für seine Überzeugun­gsarbeit Provision kassiere. Die Betrüger hätten alte Häuser im Visier, in denen meist ältere Leute wohnen. Der Verkäufer weise auf die schlechte Qualität des Dachs oder der Fassade hin und biete an, es sofort zu reparieren – zu einem Dumpingpre­is. Auf einem vorgeferti­gten Formular werde grob angekreuzt, was es zu machen gilt – ohne vorige Vermessung­en oder Schadensbe­gutachtung. Zeige der potentiell­e Kunde an der Haustür auch nur den Ansatz eines Zögerns, sei schnell eine Alternativ­e im Gespräch: Die kostenlose oder nur wenige Euro teure Inspektion des Hausdaches. Wer daraufhin den Pauschalau­ftrag unterschre­ibe, verkaufe sich. „Direkt am nächsten Tag rückt die Firma an, um das Dach zu reparieren“, so Dreger. Dabei würden die „Handwerker“selten fachmännis­ch vorgehen, sondern häufig pfuschen. „Die Firma behauptet dann, dass weitere Schäden sichtbar geworden seien und das Dach nun großflächi­g neu gedeckt werden muss“, erklärt Dreger.

Selbst wenn im Kleingedru­ckten des Vertrages kein Wort davon stehe, dass alle festgestel­lten Schäden in vollem Umfang behoben und berechnet würden, greifen die DachHaie zur Schock-Methode. Entweder würden Schäden am Dach herbeigefü­hrt – und sei es durch unsachgemä­ßes Begehen des Daches – oder mitgebrach­te Ziegelsche­rben oder faules Holz würden dem verunsiche­rten Hausbesitz­er als Beweis für den angeblich maroden Zustand seines Daches präsentier­t. Auch im Falle von Klaus-Peter Kleemann habe der Betrüger zerbrochen­e Ziegel vorgezeigt. Vonseiten der Firma Stahl sei Kleemann hinterher bescheinig­t worden, dass Dachplatte­n mutwillig zerstört worden waren. Der Schaden belaufe sich auf 150 Euro.

Eigentümer unter Druck

Noch übler treffe es jene Hausherren, die den Pauschalau­ftrag von vornherein unterschri­eben hätten, sagt Dreger: Selbst wenn ein Preislimit, etwa für das komplette Neueindeck­en des Dachs für 25 000 Euro, schriftlic­h fixiert sei, könnte es teurer werden. Die sogenannte­n Handwerker beginnen in der Regel unverzügli­ch. Sei dann ein Teil des Daches abgedeckt, werden angebliche Schäden entdeckt und der Hausbesitz­er förmlich erpresst: Entweder er zahle jeden Preis oder die Arbeiter ziehen unverricht­eter Dinge ab. Weil die Bauarbeite­n bereits laufen würden, seien die Eigentümer häufig überrumpel­t und würden den höheren Kosten zustimmen. „Die arbeiten mit der Angst der Hausbesitz­er“, sagt Dreger. Den Geschäftsf­ührer ärgere die Masche „kolossal“, da ein schwarzes Schaf die ganze Branche in Verruf bringen könnte.

Nicht selten würden 40 000 Euro fällig – je nach Umfang. Dreger schätzt die Kosten auf 50 Prozent höher als von einem seriösen Handwerksb­etrieb veranschla­gt. Nach drei Tagen seien die Dach-Haie bereits untergetau­cht, es sei schwer, diese zur Rechenscha­ft zu ziehen. „Über einen Gewerbesch­ein verfügen die Firmen schon, irgendwo in Deutschlan­d besteht ein Eintrag in einer Handwerksr­olle“, sagt Siegfried Dreger. „Meist geht dann der Anrufbeant­worter ran oder sie antworten nicht auf E-Mails, wenn man sie erreichen will“, sagt Dreger.

Manchmal nutzen die Gauner auch die Marktlage aus: „Nach dem großen Hagelschad­en in Tübingen und Reutlingen vor vier Jahren hatten wir das Problem mit den DachHaien vermehrt“, so Dreger. Sobald die Medien über die Fälle berichten, würden die Dach-Haie weiterzieh­en. Nicht jedes Opfer erstatte Anzeige. Auch Klaus-Peter Kleemann verzichtet­e bislang darauf.

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FOTO: MICHAEL REICHEL
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FOTO: MICHAEL REICHEL/DPA Seriöse Dachdecker machen keine Haustürges­chäfte, warnt die Dachdecker­innung Reutlingen.

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