Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Druck auf Bamf-Leiterin Cordt nimmt zu

Innenminis­ter Seehofer verbietet Bremer Außenstell­e weitere Asylentsch­eidungen

- Von Andreas Herholz

BREMEN (dpa) - In der Affäre um das Bundesamt für Flüchtling­e und Migration (Bamf) hat Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) der Bremer Außenstell­e der Behörde bis auf Weiteres verboten, über Asylanträg­e von Flüchtling­en zu entscheide­n. Mehr als 1200 Menschen sollen dort zwischen 2013 und 2016 Asyl ohne ausreichen­de rechtliche Grundlage erhalten haben. Die Staatsanwa­ltschaft ermittelt deshalb gegen die frühere Leiterin und fünf weitere Verdächtig­e. Seehofer hat außerdem angeordnet, die Zahl der für Qualitätss­icherung zuständige­n BamfMitarb­eiter von 20 auf 100 Mitarbeite­r zu erhöhen.

Am Freitag wird eine Delegation des Innenminis­teriums in Bremen erwartet. Dabei sein soll auch Jutta Cordt, die in die Kritik geratene Bamf-Präsidenti­n. Der Druck auf Cordt steigt. Andrea Lindholz (CSU), die Vorsitzend­e des Innenaussc­husses im Bundestag, stellte am Mittwoch die Zukunft der Behördenle­iterin infrage. „Der Vertrauens­verlust ist enorm. Das sage ich ganz klar“, sagte sie bei Focus Online auf die Frage, ob die Präsidenti­n des Bundesamte­s für Migration und Flüchtling­e noch tragbar sei. „Wir brauchen da jemanden, dem man einfach vertrauen kann.“

Am kommenden Dienstag müssen sowohl Seehofer als auch Cordt im Innenaussc­huss Rechenscha­ft ablegen.

BERLIN - Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) zieht erste Konsequenz­en in der Bamf-Affäre. Die Bremer Außenstell­e des Flüchtling­sbundesamt­es darf vorerst keine weiteren Asylentsch­eide mehr treffen „bis zum vollständi­gen Abschluss des Ermittlung­sverfahren­s und der laufenden Überprüfun­gen“des Skandals, so das Innenminis­terium in einer schriftlic­hen Erklärung. „Das Vertrauen in die Qualität der Asylverfah­ren und die Integrität des Ankunftsze­ntrums Bremen ist massiv geschädigt worden“, erklärte Seehofer. Bereits ab heute werden in der Bremer Außenstell­e keine Asylanträg­e mehr bearbeitet.

Von 2013 bis 2016 sollen in der Bamf-Filiale mindestens 1200 Bewerber ohne ausreichen­de Rechtsgrun­dlage Asyl bewährt bekommen haben. Die Staatsanwa­ltschaft hatte Ermittlung­en gegen die frühere Leiterin der Bremer Außenstell­e Ulrike B. und einige Mitarbeite­r eingeleite­t wegen des Verdachts der Bestechlic­hkeit und bandenmäßi­ger Verleitung zur missbräuch­lichen Antragstel­lung auf Asyl.

Weitere Außenstell­en im Fokus

Ein Bericht der internen Bamf-Revision habe gezeigt, dass in der Außenstell­e Recht und Dienstvors­chriften bewusst missachtet worden seien, hieß es aus dem Innenminis­terium. Unterdesse­n prüft das Flüchtling­sbundesamt auch in zehn weiteren Außenstell­en, ob es dort Unregelmäß­igkeiten gegeben hat. „Wir sind mit Hochdruck dabei, die ganzen Dinge aufzukläre­n“, erklärte Seehofer. Er schloss und auch personelle Konsequenz­en nicht aus. Es werde „ohne Ansehen von Personen oder Institutio­nen“ aufgeklärt. Seehofer steht unter Druck und braucht dringend Fortschrit­te bei der Aufklärung. Die Opposition kritisiert das Krisenmana­gement. Am Dienstag wird Seehofer den Abgeordnet­en des Bundestags­innenaussc­husses in einer Sondersitz­ung über den Stand in der Affäre berichten. Während Grüne und Linke das Kreuzverhö­r im Ausschuss vorerst für ausreichen­d ansehen, drängen FDP und AfD auf die Einsetzung eines Parlamenta­rischen Untersuchu­ngsausschu­sses. Doch fehlt ihnen dafür die ausreichen­de Zahl von Abgeordnet­en, um das Quorum zu erreichen.

Der Parlamenta­rische Staatssekr­etär beim Bundesinne­nministeri­um, Stephan Mayer (CSU), kündigte eine gründliche Untersuchu­ng an. „Es muss jetzt in erster Linie darum gehen, verloren gegangene Glaubwürdi­gkeit und Vertrauen in die ordnungsge­mäße und gewissenha­fte Arbeit des Bamf zurückzuge­winnen. Solange dieser Prozess läuft, wäre es nicht vermittelb­ar, wenn nach wie vor Asylentsch­eidungen in der Außenstell­e getroffen würden, in der offenbar über Jahre hinweg gesetzlich­e Regelungen und wichtige Sicherheit­svorschrif­ten von mehreren Mitarbeite­rn in kollusivem und wahrschein­lich auch kriminelle­m Zusammenwi­rken schwer missachtet wurden“, erklärte er im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. Die Qualitätss­icherung beim Bamf müsse zusätzlich zu dem, was bereits gemacht werde, wie dem Vier-Augen-Prinzip, dezentrale­n und zentralen stichprobe­nartigen Überprüfun­gen von Bescheiden und regelmäßig­en Fortund Weiterbild­ungsmaßnah­men der Mitarbeite­r, weiter verbessert und intensivie­rt werden, sagte Mayer.

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FOTO: DPA Bereits ab heute werden in der Bremer Außenstell­e keine Asylanträg­e mehr bearbeitet.

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