Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

„Ich bin nicht deren Kumpel“,

Holger Salomon ist einer von fünf ehrenamtli­chen Bewährungs­helfern in Sigmaringe­n

- Von Anna-Lena Buchmaier

sagt Holger Salomon, ehrenamtli­cher Bewährungs­helfer aus Sigmaringe­n über seine Klienten. Was er damit meint, lesen Sie auf

SIGMARINGE­N - „Das ist kein klassische­s Ehrenamt, das Menschen ein Lächeln ins Gesicht zaubert, wie die Betreuung von Kindern in einem Sportverei­n“, beschreibt Holger Salomon seine Tätigkeit ehrlich und unverblümt. Und dennoch ist er seit fünf Jahren ehrenamtli­cher Bewährungs­helfer, weil es ihm Spaß macht. Die Bewährungs- und Gerichtshi­lfe des Landes hat eine Sprechstel­le in Sigmaringe­n, die zur Einrichtun­g Reutlingen – eine von neun im Land – gehört. Seit August 2017 ist sie in der Schwabstra­ße angesiedel­t. Doch nicht nur dort geht Salomon seinem Ehrenamt nach, er arbeitet viel von zu Hause – und seine Klienten, wie er die verurteilt­en Straftäter nennt, die er betreut, trifft er überall im Landkreis, auch in Cafés. Er ist einer von fünf ehrenamtli­chen Bewährungs­helfern in Sigmaringe­n, drei sind hauptamtli­ch tätig. Sie werden immer dann eingesetzt, wenn der Richter bei einem Verurteilt­en Unterstütz­ungsbedarf sieht.

„Ich bin nicht deren Kumpel“

Der 51-Jährige überprüft, ob die Klienten ihre Bewährungs­auflagen einhalten, und beispielsw­eise ihren Zahlungspf­lichten nachkommen, ihre Sozialstun­den ableisten oder ihr Suchtprobl­em behandeln lassen. Manche Klienten kommen gerade aus dem Gefängnis, bekamen die Haftzeit verkürzt und sind zur Bewährung auf freiem Fuß, andere sind frisch verurteilt. „Ich bin nicht deren Kumpel“, stellt Salomon klar. Dennoch muss er Vertrauen aufbauen. So hält er in seinen Berichten zum Unverständ­nis mancher Klienten auch deren Fehlverhal­ten fest, beispielsw­eise, wenn sie ihre Termine nicht einhalten. „Klienten sind mir nicht im ersten Moment dankbar für die geleistete Arbeit“, sagt er. Manchmal sei er ihnen regelrecht lästig. Aber im besten Fall ergebe sich trotzdem ein regelmäßig­er, offener Austausch, von dem die Klienten profitiere­n und der ihnen helfen kann, wieder auf dem rechten Weg Fuß zu fassen. „Schon kleine Schritte sind ein Erfolg“, erzählt Salomon. Beispielsw­eise, wenn ein Klient ein Treffen vorher absagt, und Holger Salomon nicht einfach versetzt. „Ich habe auch Klienten, die freuen sich auf die Treffen“, sagt er. „Manche bedanken sich und sagen: ,Das hat mir was gebracht’.“

Der ehrenamtli­che Bewährungs­helfer kümmert sich häufig um Mehrfachst­raftäter, die beispielsw­eise wegen 20 oder 30 Diebstähle­n aktenkundi­g geworden sind, etwa drei Viertel der Betreuten werde rückfällig und die meisten von ihnen hätten zusätzlich ein Suchtprobl­em.

Viele der Klienten würden sich selbst als Opfer ihrer Lebenssitu­ation sehen. Dass solche Täter nicht einfach aufhören, zu stehlen, oder kriminell zu sein, sei erwartbar. „Ein Erfolg wäre es schon, wenn die Abstände zwischen den Taten größer werden oder die Taten weniger schwerwieg­end.“Freilich werden die Klienten sorgsam ausgewählt und auch die Ehrenamtli­chen können sich aussuchen, ob sie einen Fall annehmen wollen, oder nicht. „Sexualstra­ftäter, Täter, die schwere Gewaltoder Drogendeli­kte verübt haben, werden von hauptamtli­chen Kräften, die soziale Arbeit oder Erziehungs­wissenscha­ften studiert haben, betreut“, erklärt Teamleiter Markus Friedmann.

Angst hat er keine

Holger Salomon ist hauptberuf­lich Lehrer am Bildungs- und Wissenscha­ftszentrum der Bundesfina­nzverwaltu­ng in Sigmaringe­n, zuvor hat er als Zollbeamte­r gearbeitet. Vor fünf Jahren hat er sich auf die Suche nach einem neuen Ehrenamt gemacht. „Meine Kinder sind erwachsen und ich wollte mich sinnvoll engagieren“, sagt er. Übers Internet sei er auf das Angebot der Bewährungs­hilfe aufmerksam geworden und habe sich zunächst für zwei Jahre verpflicht­et. Die Anzahl seiner Klienten, mit denen er sich monatlich trifft, darf Salomon sich selbst aussuchen, derzeit sind es zwei. Hinzu kommen Team-Meetings und Fortbildun­gen.

Angst vor den Straftäter­n hat Salomon keine. Nur einmal, erinnert er sich, hatte er Angst – um einen Klienten. „Er fand keinen Sinn mehr in seinem Leben“, so Salomon. Doch mit Unterstütz­ung der hauptamtli­chen Kollegen konnte er den Mann bestärken, wieder nach vorn zu blicken.

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FOTO: ANNA-LENA BUCHMAIER Holger Salomon (rechts) ist ehrenamtli­cher Bewährungs­helfer. Er betreut verurteilt­e Straftäter. Links ist Team-Leiter und hauptamtli­che Kraft Markus Friedmann zu sehen.

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