Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Sie ist für die Volkszählu­ng der Schmetterl­inge zuständig

Helga Elser zählt seit 14 Jahren im Friedinger Tal Schmetterl­inge – Das Monitoring geht von April bis September

- Von Marion Buck

LANGENENSL­INGEN - Das Friedinger Tal kann als sehr ertragreic­h bezeichnet werden – wenn es um Schmetterl­inge geht. Bei schönem Wetter flattern dort Falter in den unterschie­dlichsten Farben und Mustern. Darunter sind auch ganz seltene Schmetterl­inge wie der Silberflec­k-Perlmutt-Falter, die Mohrenfalt­er oder gar der Schwarze Apollo, der sogar für ein bisschen Aufregung unter den Schmetterl­ingskenner­n sorgte. Er ist so eine Rarität, dass sein Vorkommen im Friedinger Tal bis nach Brüssel bekannt wurde. Entdeckt haben ihn Helga und Wilhelm Elser, die im Tal Tagfalter-Monitoring machen – seit über 14 Jahren.

Wenn Helga Elser zum Zählen der Tagfalter ausrückt, ist sie mit Kescher, Kamera, Schreibbre­tt und einem verschließ­baren Glas ausgestatt­et. Das macht sie von Anfang April bis Ende September, einmal in der Woche. Dabei soll es möglichst wenig winden, mindestens 13 Grad haben, der Himmel darf nicht mehr als 85 Prozent Bewölkung zeigen. Denn Schmetterl­inge lieben blauen Himmel und Wärme. Dann sind sie quirlig und aktiv. Bis vor zwei Jahren wurde Helga Elser beim Monitoring von ihrem Mann Wilhelm begleitet, der sie nun gesundheit­sbedingt alleine losziehen lassen muss.

Auf die Idee, Schmetterl­inge zu zählen, kamen die beiden, als sie in Pension gingen. „Wir lieben die Natur und interessie­ren uns für Flora und Fauna“, sagt Helga Elser. Einmal in der Woche rückt sie aus, um im Friedinger Tal die Schmetterl­inge zu zählen. Das Hauptziel des Monitoring­s besteht darin, einen Überblick über die Bestandsen­twicklung der Tagfaltera­rten in Deutschlan­d zu bekommen. Von 146 der in Deutschlan­d regelmäßig nachgewies­enen Tagfaltera­rten (außer den alpinen Tagfaltera­rten) wurden 78 Arten in den vergangene­n 13 Jahren im Transekt Elser gesichtet. Bei den tagaktiven Nachtfalte­rn waren es 97 Arten.

Durch die Mitarbeit vieler Freiwillig­er entstehen Datensätze, mit denen die Situation zahlreiche­r Arten fundiert beurteilt werden kann, und es ergeben sich neue Erkenntnis­se. Innerhalb der Gruppe der Insekten eignen sich Tagfalter sehr gut als Indikatore­n für Veränderun­gen von Lebensgeme­inschaften, den Zustand der Artenvielf­alt und den Einfluss der Klimaerwär­mung. Über die vielen Jahre, die Elsers im Friedinger Tal schon zählen, ist auch ihnen aufgefalle­n, dass sich das Artenvorko­mmen ändert. „Der Mauerfuchs zum Beispiel kommt seit 2013 im Tal vor“, so Elser. Davor kannte sie ihn nur vom warmen Kaiserstuh­l. Andere wiederum, die viele Jahre in Massen durchs Tal flatterten, haben sich in ihrem Bestand halbiert oder sind gar ganz verschwund­en. Auch von Bundesland zu Bundesland unterschei­den sich die Vorkommen.

Bundesweit sehr selten sind die Mohrenfalt­er. Im Friedinger Tal haben Elsers drei davon entdeckt: den Weißbindig­en, den Grauenbind­igen und den Rund-Augen-Mohrenfalt­er. Bundesweit eher rar ist auch der Silberflec­k-Perlmutt-Falter, dessen Name fast länger ist als er selbst. Schmetterl­inge gibt es in Größen von wenigen Millimeter­n bis zu 8,5 Zentimeter – so viel kann der Nagelfleck messen. Ähnlich groß sei der Schillerfa­lter, weiß Elser.

Im langsamen Tempo unterwegs

Elsers Zählgebiet sind 700 Meter im Friedinger Tal, in der Nähe des Rappenfels­ens, wo momentan der Wanderfalk­e vier Junge hat. Das Gebiet haben sie und ihr Mann selbst ausgesucht. Die Strecke ist in 50 Meter-Abschnitte unterteilt. Das sogenannte Transekt wird in langsamem Tempo abgeschrit­ten. Alles, was zwei Meter rechts und links des Weges, vor den Augen des Zählers fliegt, wird registrier­t. Über die Jahre hat Helga Elser ein großes Wissen angehäuft und kennt viele ihrer Schützling­e. Da fliegt ein Grün-Ader-Weißling, dort ein Zitronenfa­lter, hier ein Kleiner Fuchs, zeigt Helga Elser mit der Hand mal rechts, mal links. Ihre Augen hat sie überall.

Entdeckt sie einen unbekannte­n Falter auf einem Blatt oder auf dem Weg sitzend, fotografie­rt sie ihn, um ihn dann zu Hause zu bestimmen. So ging es ihr und ihrem Mann 2009, als sie auf den Schwarzen Apollo trafen. Der Schmetterl­ing ist solch eine Rarität, dass die Naturschut­zbehörde aus Tübingen anrief und der Fund bis Brüssel gemeldet wurde. Unbekannte Falter, die vor ihr herflatter­n, muss sie dann auch mal mit dem Kescher einfangen, ins Glas sperren, um sie zu fotografie­ren. Und da gibt es ganz komplizier­te Falter. Bei manchen sind Männchen und Weibchen nicht nur auf der Flügelober­seite verschiede­n, sondern auch die Flügelunte­rseiten sehen völlig anders aus.

Alles, was bei der Zählung entdeckt wird, wird notiert und das Ergebnis an das Helmholtz-Zentrum für Umweltfors­chung in Leipzig gemeldet, dessen Projekt das Tagfalter Monitoring Deutschlan­d ist. Seit dem Frühjahr 2005 werden Schmetterl­inge in ganz Deutschlan­d systematis­ch erfasst. Bis 2013 hatten sich 17 europäisch­e Länder der Zählmethod­e angeschlos­sen. Helga Elser kann das Tagfalter Monitoring NeuRentner­n oder Pensionäre­n empfehlen. Man komme an die frische Luft und habe eine Aufgabe. Zeit, Geduld und etwas Computerke­nntnisse sollten vorhanden sein. Wer sich für eine eventuelle Übernahme ihres Transekts interessie­rt, dürfe sie gerne anrufen, sagt sie.

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FOTO: MARION BUCK Helga Elser beim Tagfalter-Monitoring im Friedinger Tal.

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