Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Der Taktgeber
Toni Kroos könnte bei einem Champions-League-Triumph Reals Einmaliges erreichen
MADRID (SID/dpa) - Selbst der Gedanke an die historische Dimension seiner Triumphe bringt Toni Kroos kaum aus der Ruhe. „Natürlich nimmt man einen Platz in der Geschichte ein, der schon speziell ist“, sagt der Mittelfeldstar im ZDF-Interview und erweckt dabei den Eindruck, als rede er vom Kuchenbacken. Schon speziell? Einmalig! Gewinnt Kroos mit Real Madrid diesen Samstag (20.45 Uhr; ZDF) in Kiew erneut den Titel in der Champions League, steigt er zum erfolgreichsten deutschen Fußballer überhaupt in der Königsklasse auf. Der Greifswalder würde mit seinen
28 Jahren und vier Triumphen Bayern-Legenden wie Franz Beckenbauer, Gerd Müller oder Uli Hoeneß hinter sich lassen, sollte Real den FC Liverpool mit Teammanager Jürgen Klopp in Kiew bezwingen. „Die ganzen Namen klingen schon“, sagt Kroos. Er lächelt dabei – immerhin.
Toni Kroos und der Erfolg, es ist eine Symbiose. Bereits jetzt ist die Karrierebilanz des Weltmeisters gigantisch. Und bei Bayern München dürften sie schon mehrfach bereut haben, dass der Abgang nach Madrid vor vier Jahren für eine heutzutage läppische Ablösesumme von 30 Millionen Euro nicht verhindert wurde. Es soll damals auch um fehlende Wertschätzung gegangen sein, nicht nur in monetärer Form. „Toni ist bei Real zu einem Weltklassespieler gereift“, sagte Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge dem spanischen Sportblatt „AS“einmal. Er wäre es vermutlich auch in München geworden.
Toni Kroos verkörpert für Madrids Coach Zinedine Zidane, was der 82malige Nationalspieler auch für Joachim Löw ist: den Taktgeber. Kroos steuert die Angriffe, er dirigiert sie, er verschleppt, er beschleunigt. Löw ist voll des Lobes. „Er ist immer in seiner Mitte, ruht in sich, hat klare Vorstellungen und arbeitet sehr professionell“, sagte der Bundestrainer am Donnerstag im DFB-Trainingscamp. Kroos sei „mit seiner Spielweise und Persönlichkeit unheimlich gereift“.
Und Toni Kroos unterlaufen nur im Ausnahmefall gravierende Fehler, seine Passquote liegt ganz selten unter 90 Prozent. Einen „unglaublich intelligenten Spieler“nennt ihn Zidane. Die Sporttageszeitung „Marca“bezeichnete Kroos als „Ein-Mann-Orchester“. Das spielt (fast) pausenlos. Seit 2014 hat Toni Kroos stets mehr als 40 Partien pro Saison für Real bestritten. In diesem Jahr sind es 42 mit fünf Toren.
Auch wenn in Madrid in der Regel Cristiano Ronaldo die offensichtlichen Glanzpunkte setzt, ist ein RealErfolg in Kiew wahrscheinlich noch abhängiger von der Verfassung des Deutschen. Toni Kroos spürt „extreme Vorfreude“vor seiner dritten Finalteilnahme in Serie, „weil es wieder etwas Großes zu gewinnen gibt. Routine wird das nie. Es ist sehr schwierig, ein Endspiel zu erreichen. Zwei ist noch schwieriger und drei in Serie ist einfach nur verrückt.“
Toni Kroos ist auch deswegen besonders gefragt, weil er in der Zentrale den zu erwartenden Liverpooler Ansturm ausbremsen muss. Aus den Duellen mit dem FC Bayern gegen Klopp und Borussia Dortmund zieht er Erfahrung. „Ich erwarte Liverpool hoch aggressiv“, betont er, „weil das die Charakteristik der Mannschaften von Jürgen Klopp ist. Sie werden heiß sein, dafür wird er schon sorgen.“
Doch Kroos will dafür sorgen, dass die „Reds“rasch abkühlen und Real seiner Favoritenrolle gerecht wird. Apropos Favorit? „Das bringt eh nix“, merkt Kroos an. „Man hat gesagt, dass Paris gegen uns Favorit ist, dass vielleicht auch Bayern Favorit ist, weil wir nicht die beste Saison haben. Am Ende sind wir jetzt aber wieder da.“
Und in der kommenden Woche mit der „Decimotercera“zum DFB-Team zu reisen, dem 13. Real-Triumph in der Königsklasse, wäre gewiss ein Ansporn für die Titel-Mission in Russland. Denn Joachim Löw zählt auf Toni Kroos: „Er ist ein absoluter Schlüsselspieler und Leistungsträger.“Ach ja – übrigens: Zwei Weltmeistertitel haben Beckenbauer und Co. als Spieler auch noch nicht erreicht.