Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Gutachter: Angeklagte voll schuldfähig
Sachverständiger empfiehlt Therapie – Prozess gegen Hintermann geplant
PFULLENDORF/HECHINGEN - Im Prozess gegen zwei mutmaßliche Drogendealer aus Pfullendorf hat der psychiatrische Sachverständige Dr. Ralph-Michael Schulte vor dem Landgericht Hechingen gestern seine Gutachten vorgetragen. Sowohl der 38-jährige als auch der 25-jährige Angeklagte seien seiner Meinung nach voll schuldfähig gewesen, sagte der Mediziner. Dem 38-Jährigen empfiehlt er einen Drogenentzug, dem 25-jährigen eine Behandlung seiner Angststörungen und seiner „Neigung zur Sucht“.
Die Staatsanwaltschaft wirft den beiden Männern den Handel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in acht beziehungsweise sechs Fällen vor. Zu Beginn des Prozesses hatten die Angeklagten den mehrfachen Handel mit Marihuana bereits in weiten Teilen eingeräumt. Ein weiterer, 49-jähriger Angeklagter aus Engen, hat zudem gestanden, als Drogenkurier tätig gewesen zu sein. Allerdings will er erst bei seiner Festnahme erfahren haben, was er transportierte. Ins Netz gegangen waren die drei Männer den Ermittlern, als sie am 29. November 2017 ein Scheingeschäft mit 30 Kilogramm Marihuana abwickelten.
Zum Prozessauftakt am 14. Mai berichtete der 38-jährige Angeklagte selbst von jahrelangen Problemen mit Alkohol und Drogen. „Er hat vor seiner Festnahme massiv Kokain konsumiert, auch in Verbindung mit Alkohol“, sagte Ralph-Michael Schulte gestern. Die Folge: Wahnvorstellungen, Halluzinationen und Erinnerungslücken. Anlässe für die Drogengeschäfte seien die Finanzierung der eigenen Sucht und wirtschaftliche Probleme gewesen. Eine verminderte Schuldfähigkeit oder gar Schuldunfähigkeit kann der Sachverständige allerdings nicht erkennen. Um es mit dem Vorsitzenden Richter Hanns Breucker zu sagen: „Sie wussten, was Sie taten!“
Ralph-Michael Schulte empfiehlt dem „therapiemotivierten“38-Jährigen die anderthalb- bis zweijährige Unterbringung in einer Entzugsanstalt. Werde der Angeklagte nicht behandelt, drohten vergleichbare Straftaten und weiterer Drogenkonsum. „Ich glaube aber, dass er straffrei leben könnte, wenn er nicht mehr süchtig ist.“
Behandlung in Klinik empfohlen
Auch bei dem 25-jährigen Angeklagten kann der Sachverständige keine Schuldunfähigkeit oder verminderte Schuldfähigkeit erkennen. Die Drogensucht sei zudem weniger stark ausgeprägt als beim 38-jährigen Mitangeklagten. Handlungsbedarf sieht Ralph-Michael Schulte aber dennoch: Er empfiehlt dem 25-Jährigen die ambulante Behandlung in einer psychosomatischen Fachklinik, vor allem wegen seiner Angststörung.
Als Zeuge war gestern auch der Mann geladen, der dem 38-jährigen Angeklagten offenbar die 30 Kilogramm Marihuana beschafft hat. Von ihm waren DNA-Spuren an einer Tasche sichergestellt worden, in der am 29. November ein Teil der Drogen transportiert wurde. Der Mann aus Bad Saulgau, der in Fußfesseln und mit seinem Rechtsanwalt erschien, machte allerdings von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch, um sich nicht selbst zu belasten. Wie Richter Hannes Breucker andeutete, ist vor dem Landgericht auch ein Prozess gegen diesen Hintermann geplant. Einen genauen Starttermin gibt es offenbar aber noch nicht.
Der Prozess wird morgen ab 9 Uhr fortgesetzt, vermutlich mit den Plädoyers der Staatsanwaltschaft und der Verteidiger. Ob morgen auch das Urteil fällt, ist noch offen.