Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Mehr Netto für gesetzlich Versicherte
Arbeitgeber sollen ab 2019 die Zusatzbeiträge mitfinanzieren – die wichtigsten Antworten
BERLIN - Eine Entlastung von knapp sieben Milliarden Euro für die gesetzlich Krankenversicherten: Das Kabinett hat gestern den Gesetzentwurf von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zur Rückkehr der paritätischen Finanzierung der Krankenkassenbeiträge auf den Weg gebracht. Ab 1. Januar 2019 werden demnach auch die Zusatzbeiträge zur Hälfte von den Arbeitgebern gezahlt. Die Wirtschaft reagiert verärgert und warnt vor Jobverlusten. Das lässt die SPD, die die Rückkehr zur Parität in den Koalitionsverhandlungen durchgedrückt hatte, nicht gelten: „Halbe-halbe ist gerecht“, erklärte Partei- und Fraktionschefin Andrea Nahles. Tobias Schmidt liefert die wichtigsten Antworten zu Spahns Gesetzentwurf.
Was sich für Versicherte ändert:
Die mehr als 56 Millionen Mitglieder der gesetzlichen Krankenkassen müssen den Zusatzbeitrag von derzeit im Schnitt einem Prozent des Bruttogehaltes ab dem 1. Januar 2019 nur noch zur Hälfte zahlen. Bei einer Gesamtentlastung von 6,9 Milliarden Euro pro Jahr bleiben damit pro Versicherten 123 Euro mehr im Portemonnaie. Die Entlastungen für Rentner mit einbezogen, liegt das Volumen bei 7,9 Milliarden Euro. Spahn sprach von einem „guten Tag für die gesetzlich Krankenversicherten“. Sein Ministerium geht von Entlastungen von bis zu 38 Euro monatlich aus. Bei einem Bruttogehalt von 3000 Euro wären es 15 Euro. Für Selbstständige mit geringen Einnahmen wird der monatliche Mindestbeitrag auf 171 Euro halbiert. Dadurch soll für sie ein Anreiz geschaffen werden, sich gesetzlich zu versichern.
Der Zusatzbeitrag:
Die Parität war schon vor
13 Jahren aufgeweicht worden. Um die Arbeitgeber zu entlasten, wurde 2005 ein Zusatzbeitrag von
0,9 Prozent eingeführt, den nur die Arbeitnehmer zu zahlen hatten. 2015 wurde das System verändert und der einheitliche allgemeine Satz auf 14,6 Prozent gedeckelt. Er wird je zur Hälfte von Versicherten und Arbeitgebern entrichtet. Die Kassen können seitdem in Eigenregie einen Zusatzbeitrag erheben, den die Versicherten alleine schultern müssen. Derzeit liegt er im Schnitt bei einem Prozent. Damit ist nun Schluss. Im Gesetzentwurf heißt es: „Beschäftigte und ihre Arbeitgeber tragen die nach dem Arbeitsentgelt zu bemessenden Beiträge jeweils zur Hälfte.“Der Entwurf soll nun rasch in den Bundestag, die Zustimmung des Bundesrates ist nicht notwendig.
Die Proteste der Arbeitgeber:
Die Rückkehr zur Parität „ist in der Sache falsch und bringt milliardenschwere Belastungen für unsere Handwerksbetriebe“, beklagte der Generalsekretär des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH), Holger Schwannecke, gesArbeitgeberverbände tern. Höhere Arbeitskosten würden die Leistungsfähigkeit der Betriebe schwächen „und sich negativ auf Wachstum und Beschäftigung auswirken“. Die Arbeitgeber verweisen darauf, dass sie schon die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall von Mitarbeitern übernehmen. „Bei der Beitragsfinanzierung jetzt noch einen draufzusetzen, ist das völlig falsche Signal“, erklärte Schwannecke. Der Hauptgeschäftsführer der (BDA), Steffen Kampeter, kritisierte „die größte Zusatzbelastung durch Lohnzusatzkosten in der deutschen Sozialgeschichte“. Das sei „ein Tiefschlag für Wettbewerb, Wachstum und Beschäftigung“.
Was passiert mit den Beiträgen?
Gesundheitsminister Spahn hatte sich für Beitragssenkungen stark gemacht, da die Kassen teils dicke Milliardenpolster angehäuft haben, konnte sich aber nicht ganz gegen Widerstände in der SPD aber auch in der Union durchsetzen. Nun greift eine Verpflichtung, besonders hohe Reserven abzubauen, erst ab dem 1. Januar 2020. Dies könnte zu Beitragssenkungen im Volumen von 1,5 Milliarden Euro jährlich führen. Allerdings könnten die Spielräume schnell zusammenschmelzen, wenn die Pläne zur Reform der Pflege umgesetzt werden, die für die Kassen teuer werden.