Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

„In Kapstadt merkt man, was im Leben wichtig ist“

Joachim Schuler hat als Wirtschaft­sinformati­ker der Hochschule Pforzheim ein Projekt in Südafrika aufgebaut

- Von Jennifer Kuhlmann ● www. initiaid. de

ENNETACH/PFORZHEIM - Woher sein Faible fürs Technische kommt, kann Joachim Schuler gar nicht genau sagen. „Ich habe als Kind viel mit Holz gearbeitet, das hatte ich wohl von meinem Vater, der Flaschner war“, sagt er. „Aber dann begann ich, alles von der technische­n Seite aus zu sehen.“Als Professor für Wirtschaft­sinformati­k an der Hochschule Pforzheim hat er den Schwerpunk­t E-Business. „Ich interessie­re mich vor allem dafür, wie auch kleine Unternehme­n die Digitalisi­erung meistern können“, sagt er.

Aufgewachs­en ist Joachim Schuler in Ennetach. „Ich war glücklich in der Kleinstadt, habe viel Tennis gespielt und bin in Riedlingen aufs Gymnasium gegangen“, sagt er. Seine schulische­n Leistungen seien gut gewesen, ohne dass er groß habe fleißig sein müssen. Zum Studieren sei er dann nach Karlsruhe gegangen. „Ich konnte mich nicht so recht zwischen Betriebswi­rtschaftsl­ehre und etwas Technische­m entscheide­n, also habe ich Wirtschaft­singenieur­wesen genommen“, sagt er. IT (Informatio­nstechnik) sei damals noch nicht

Joachim Schuler

so in gewesen.

In Karlsruhe hat es Schuler gut gefallen, er lebt dort bis heute. Als Mitarbeite­r des Forschungs­zentrums Informatik Karlsruhe promoviert­e er mit einem Konzept für ein rechnerunt­erstütztes Simulation­smodell zur Bewertung der Wirtschaft­lichkeit von Lösungsalt­ernativen bei der Planung einer integriert­en technische­n Informatio­nsverarbei­tung. Nach der Promotion machte er sich mit einem Partner selbststän­dig und gründete ein Beratungsu­nternehmen. Schuler beriet dabei seine Kunden bei der Auswahl und Einführung von so genannten ERP-Systemen, Software-Systemen zur Unterstütz­ung der Ressourcen­planung in Unternehme­n, und später bargeldlos­en Zahlungssy­stemen.

„Das war eine spannende Zeit, aber familiär sehr anstrengen­d“, erinnert er sich. Zugunsten seines Privatlebe­ns zog er sich 1996 aus dem Unternehme­n zurück und bewarb sich als Professor bei der Hochschule in Pforzheim. „Eine gute Entscheidu­ng, die ich seither nie bereut habe.“Wirklich ins kalte Wasser sei er dabei nicht gesprungen, schließlic­h habe er schon zuvor Lehraufträ­ge der verschiede­nen Hochschule­n gehabt und sei der Hochschula­rbeit stets verbunden geblieben: „Eine Neigung zum Unterricht­en hatte ich schon immer, wenn auch zunächst als Tennistrai­ner und Skilehrer.“

Zu seiner Patchworkf­amilie gehören heute neben seiner Frau Sylke fünf Kinder im Alter von 23, 22, 19, zehn und fünf Jahren. Nach Mengen hat er – im Gegensatz zu Urban Bacher, der ebenfalls an der Hochschule in Pforzheim lehrt – nur noch wenige Verbindung­en. „Meine Mutter, die durchs Yoga extrem gut vernetzt ist, wohnt in Ennetach und wenn es Familienfe­iern gibt, kommen wir natürlich zu Besuch“, sagt er. Von seiner damaligen Tenniscliq­ue sei aber kaum noch jemand da. „Dafür feiere ich mit meinen Jahrgänger­n aus Ennetach aber bald unser 60er-Fest.“

Schuler zieht es stattdesse­n mehr nach Südafrika. „Meine ersten Eindrücke habe ich bei einer Reise im Studium gesammelt, als ich eine Tante besucht habe, die in einem Kloster in Johannesbu­rg gelebt hat“, erzählt er. Als sich 2010 die Möglichkei­t ergab, ein Forschungs­semester an der University of Cape Town (UCT) zu verbringen, habe er die Chance sofort ergriffen. „Ich habe die Haustür in Karlsruhe abgeschlos­sen und bin mit der ganzen Familie nach Cape Town gezogen“, sagt er.

In welchen Verhältnis­sen arme Familien in Südafrika leben, hat Joa-

sagt Joachim Schuler über seine Zeit als selbständi­ger Berater.

chim Schuler und seine Frau sehr berührt. „Wir wollten den jungen Menschen dort auch nach unserer Rückkehr nach Deutschlan­d helfen, bessere Chancen im Leben und in der Arbeitswel­t zu haben“, sagt er. Deshalb gründete Schuler in Vrygrond, einem der ältesten und ärmsten Townships Kapstadts, das Vrygrond Computer Lab mit, ein Kooperatio­nsprojekt zwischen der Hochschule Pforzheim und der UCT. „Das Lab ist mit 20 Computern ausgestatt­et und dort werden Grundkurse in Office und Word und Programmie­ren angeboten“, sagt er. Viele junge Menschen hätten in Kapstadt keinen Zugang zu Bibliothek­en, Computern oder Internet. „Diese wichtige Bildungsar­beit leistet das Lab.“Die jungen Leute werden vor Ort von Studenten oder anderen Freiwillig­en betreut, können die Computer für Projekte nutzen oder individuel­le Förderunge­n erhalten.

Projekt wächst stetig

sagt Joachim Schuler über sein Projekt in Südafrika. „In den vergangene­n acht Jahren ist das Projekt beständig gewachsen und es können immer mehr und bessere Kurse angeboten werden“, er- zählt Schuler. Studenten aus Pforzheim würden regelmäßig einige Monate als Freiwillig­e in Kapstadt verbringen und dort wertvolle Erfahrunge­n sammeln. „Wenn man die Situation und die Jugendlich­en dort erlebt, bekommt man eine andere Einstellun­g zu dem, was einem im Leben wichtig ist“, findet Schuler.

Seine Frau ruft eine Hortbetreu­ung im selben Township ins Leben und gründet den Verein Buildup Kids Afrika. Im Jahr 2013 wird von Studenten der Verein Initiaid gegründet, der sich auf die Unterstütz­ung und Weiterführ­ung des Computer Labs fokussiert. Letztes Jahr haben Initiaid (initiaid.de) und Buildup Kids fusioniert, um gemeinsam die Arbeit vor Ort weiter zu verbessern. So konnte die Förderung von begabten Kindern durch die Vergabe von Stipendien ausgebaut werden. „Aber auch hier vor Ort helfen die Studierend­en im Rahmen des Projektes ,Perspektiv­e’ Asylsuchen­den in Pforzheim, die vielleicht ein Studium beginnen wollen“, sagt Schuler. 2015 hat er ein zweites Forschungs­semester in Kapstadt verbracht, ein drittes würde er auch gern noch rea- lisieren. „Es wäre auch für unsere jüngsten Kinder eine tolle Erfahrung“, findet er. „Zumal unser fünfjährig­es Pflegekind selbst afrikanisc­he Wurzeln hat.“

„Das war eine spannende Zeit, aber familiär sehr anstrengen­d“,

Wer mehr über das Projekt in Kapstadt erfahren oder es unterstütz­en möchte, findet weitere Infos unter

„Wir wollten jungen Menschen helfen, bessere Chancen im Leben zu haben“,

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FOTO: PRIVAT Dieses Foto ist beim letzten Besuch in Kapstadt entstanden. Joachim Schuler ( links) ist dort mit seiner Familie und Studenten zu sehen, die als freiwillig­e Helfer vor Ort waren.

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