Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Ein 2:1, das manchen Wunsch offen lässt
Im letzten WM-Test treffen Werner und Saudi-Arabiens Othman per Eigentor für den Weltmeister
LEVERKUSEN (dpa/SID) - Joachim Löw winkte kurz in Richtung Fans und verschwand dann schnell in den Kabinentunnel. Was der Bundestrainer zuvor bei der WM-Generalprobe gegen Saudi-Arabien gesehen hatte, konnte ihm nicht gefallen haben. Mit einem laschen Auftritt gegen den krassen Außenseiter hat Fußball-Weltmeister Deutschland noch keine Euphorie für das Unternehmen „WM-Titelverteidigung“wecken können. Gegen den
Weltranglisten-67. reichte es am Freitagabend in Leverkusen nur zu einem
2:1 (2:0)-Pflichtsieg – viel zu wenig für die eigenen Ansprüche neun Tage vor dem WM-Ernstfall gegen Mexiko im Moskauer Luschnikistadion.
„Wir haben heute viele Chancen vergeben und viele Chancen zugelassen. Am Ende hatten wir sogar noch Glück“, monierte Löw. Für WM-Angst sieht der DFB-Chefcoach nach dem ersten Erfolg nach zuletzt fünf Spielen ohne Sieg (!) aber keinen Anlass. „Sorgen mache ich mir keine, weil ich weiß, dass wir uns weiterhin steigern. Wenn es losgeht, werden wir da sein“, versprach Löw. „Nächste Woche werden wir spritziger und dynamischer sein und mehr Power haben.“
Auch die Spieler reagierten selbstkritisch. „Wir haben so gut wie alles vermissen lassen. So ist es schwer“, urteilte Sami Khedira. „Ich denke, dass wir einen guten Zwischenzustand haben und gut reingekommen sind. Dann haben uns die Coolness und Cleverness gefehlt. Man muss nicht immer sofort versuchen, ein Tor zu erzielen“, sagte Torwart und Kapitän Manuel Neuer.
Das lange Zeit lockere Angriffstraining führte vor 30 210 Zuschauern in der ausverkauften BayArena nur zum achten Länderspieltreffer des Leipzigers Timo Werner (8. Minute) nach feiner Vorarbeit des starken Marco Reus – und zu einem Eigentor des von Thomas Müller im Zweikampf bedrängten Saudi-Verteidigers Omar Othman (43.). Die deutsche Mannschaft präsentierte sich nach dem enttäuschenden 1:2 in Österreich vom vergangenen Samstag bemüht, Wiedergutmachung zu leisten, und hätte höher führen müssen. Der agile Reus und Khedira etwa hatten noch Pech mit Pfostentreffern.
Der Abwehrverbund allerdings zeigte eindeutig zu viele Wackler. Fast logisch also, dass Taiseer Al-Jassim (85.) per Nachschuss nach Foulelfmeter auf 1:2 verkürzte. Der für Manuel Neuer zur Pause eingewechselte Marc-André ter Stegen hatte zuvor den Strafstoß von Mohammed AlSahlawi nach Foul von Sami Khedira pariert. Sekunden vor dem Abpfiff hatte Saudi-Arabien noch die große Chance zum Ausgleich. „Sie hatten für ihre Qualitäten gegen uns die eine oder andere Chance zu viel“, sagte Toni Kroos.
Pfiffe gegen Gündogan
Noch mehr als manche Unkonzentriertheit hat Joachim Löw offenbar geärgert, dass Ilkay Gündogan bei seiner Einwechslung (57.) und jedem Ballkontakt ausgepfiffen wurde. Verzweifelt versuchte der Bundestrainer („Dass ein Nationalspieler so ausgepfiffen wird, das hilft niemanden“), das Publikum umzustimmen – vergeblich. Gündogan hatte an der Seite von Mesut Özil den umstrittenen türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan getroffen und damit für einigen Wirbel gesorgt. Der angeschlagene Özil (Knieprellung) saß in Leverkusen nur auf der Bank.
Doch es gab auch positive Erkenntnisse: Manuel Neuer strahlte auch in seinem zweiten Länderspiel nach überstandener Fußverletzung Ruhe und Souveränität aus. Jérôme Boateng, der nach seiner Adduktorenverletzung sechs Wochen nicht gespielt hatte, bekam wie Neuer 45 Minuten Einsatzzeit. Erst war ihm die fehlende Praxis anzumerken – er gewann zusehends an Sicherheit.
Vier Tage vor dem Abflug nach Moskau dürfte Joachim Löw die Karten auf den Tisch gelegt haben: Die Elf, die am Freitagabend begonnen hat, wird wohl auch zum WM-Auftakt am 17. Juni (17.00 Uhr) gegen Mexiko auflaufen. Einzig Weltmeister Özil könnte noch ins Team rücken, sofern er rechtzeitig fit wird.