Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Historischer Händedruck in Singapur
Abkommen zwischen Nordkoreas Kim und US-Präsident Trump löst geteiltes Echo aus
SINGAPUR/RAVENSBURG - Nach jahrzehntelanger Feindschaft haben die USA und Nordkorea einen historischen Neuanfang gemacht und die unmittelbare Gefahr eines Krieges gebannt. Auf ihrem Gipfel in Singapur unterzeichneten US-Präsident Donald Trump und Machthaber Kim Jong-un am Dienstag eine grundsätzliche Vereinbarung mit dem Ziel, den Streit um Nordkoreas Atomprogramm beizulegen. Die internationalen Reaktionen fielen geteilt aus. Es gab Lob, aber viele Politiker und Experten meldeten Zweifel an der Umsetzung der Denuklearisierung an.
Tatsächlich blieben entscheidende Streitpunkte in Singapur ungelöst. Ein Fahrplan mit Terminen fehlt in dem Papier ebenso wie konkrete Abrüstungsschritte. Dafür sollen nun „baldmöglichst“Verhandlungen aufgenommen werden. Sowohl Trump („Aus Gegnern können Freunde werden“) als auch der sichtlich zufriedene Kim gaben sich euphorisch. Im Abschlussdokument liest sich das Gipfelergebnis eher enttäuschend. Darin ist die Rede von „Bemühungen“, von einem „festen und unerschütterlichen Bekenntnis“zur umfassenden atomaren Abrüstung, nicht vom Vollzug. Es fehlt jede zeitliche Festlegung. Die Abrüstung „soll sehr bald beginnen“, heißt es stattdessen vage. Offen blieb auch, wer den Prozess kontrollieren wird und welche „Sicherheitsgarantien“Trump seinem Konterpart versprechen kann. Der US-Präsident kündigte an, vorerst an den Sanktionen gegen Nordkorea festzuhalten.
Bundesaußenminister Heiko Maas reagierte am Dienstag zurückhaltend. „Wir müssen zunächst einmal abwarten, ob Nordkorea wirklich bereit ist, sich auf die Aufgabe seiner Nuklearwaffen als Teil eines substanziellen Friedensprozesses einzulassen. Zu oft ist die internationale Gemeinschaft in der Vergangenheit bereits durch Pjöngjang getäuscht worden“, sagte der SPD-Politiker, der für heute eine außenpolitische Grundsatzrede ankündigte. Unions-Außenexperte Norbert Röttgen (CDU) erklärte: „Für Kim Jongun ist das Treffen ein unglaublicher Anerkennungserfolg, für den er keine Gegenleistung erbringen musste.“
Experten bewerteten das Abkommen unterschiedlich. „Wer Trump kennt, weiß: Der Deal kann morgen oder sogar heute schon nicht mehr gültig sein“, sagte Josef Braml, USAExperte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, zur „Schwäbischen Zeitung“. Für Hannes Mosler vom Institut für Koreastudien der Freien Universität Berlin hat das Treffen hingegen große Bedeutung. „Kim meint es absolut ernst“, erklärte Mosler.
RAVENSBURG - Die USA und Nordkorea haben sich bei ihrem historischen Gipfel am Dienstag auf die atomare Abrüstung der Halbinsel geeinigt. Ist der jahrzehntelange Konflikt nun gelöst? Dazu beantwortet Daniel Hadrys die wichtigsten Fragen:
Wie ernst ist es US-Präsident Donald Trump und Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un?
Darüber streiten Experten. Einige bewerten das Treffen als reine Show. Andere sehen darin das Ende des Konfliktes. „Wer Trump kennt, weiß: Der Deal kann morgen oder sogar heute schon nicht mehr gültig sein“, sagt Josef Braml, USA-Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) und Autor des Blogs usaexperte.com. Kim betrachte Atomwaffen zudem als „Lebensversicherung“, die er auch weiterhin nicht aufgeben werde. Er wolle nicht wie Libyens Ex-Machthaber Muammar al-Gaddafi enden, der von seinem eigenen Volk gestürzt und ermordet wurde. Hannes Mosler vom Institut für Korea-Studien der Freien Universität Berlin ist da optimistischer. Das Treffen habe gezeigt: „Kim meint es absolut ernst.“Wichtiger als Atomwaffen seien für ihn Investitionen und Handel. Die wirtschaftliche Entwicklung ist für den nordkoreanischen Machthaber laut Mosler „so attraktiv, dass er sich auf den Prozess mit den USA und anderen Staaten einlässt“.
Wird Kim Jong-un das Land nun weiter öffnen?
Sollten beide Seiten bei dem Deal bleiben, ist damit zu rechnen. Aber: Das wird – genau wie die Denuklearisierung – sehr lange dauern. Nordkorea ist seit Jahrzehnten ein autoritäres Regime. Diktator Kim Jong-un führt mit harter Hand. Trotz Kims bisherigem Regierungsstil meint Mosler: „Man sieht schon seit Langem, dass Kim ein Reformer und Innovator ist. Er weiß: Alleine mit Druck nach Innen und Drohgebärden nach Außen kommt er im 21. Jahrhundert nicht weiter.“
Was würde eine Öffnung für Nordkorea bedeuten?
Nordkorea ist ein bitterarmes Land. Zwar wächst die Wirtschaft kontinuierlich, doch könnte das Wachstum weitaus größer sein. Nordkorea ist durch internationale Sanktionen stark isoliert, Handel kann das Land so gut wie gar nicht betreiben. „Wenn Nordkorea sich öffnet, wird sich die Wirtschaft gut entwickeln und den Menschen wird es besser gehen“, sagt Mosler. Die Voraussetzungen dafür hat Nordkorea: Das Land ist sehr rohstoffreich und wäre eigentlich nicht auf Importe – beispielsweise von Energieträgern – angewiesen. „Nordkorea ist sehr viel ressourcenreicher als Südkorea“, erklärt Mosler. „Aber es hat nicht die Technologie und die Energie, um diese Rohstoffe abzubauen.“
Wie hält sich Nordkorea bislang wirtschaftlich über Wasser?
China war bislang der letzte Verbünkann, dete, mit dem Nordkorea regen Handel betrieben hat. Laut CIA-Berichten gingen bis zu 76 Prozent der Exporte in das Nachbarland. „Doch in den vergangenen Monaten hat sich China auf internationale Sanktionen gegen Nordkorea eingelassen“, sagt Mosler. Somit ist auch China als Wirtschaftspartner weggebrochen.
Am Wochenende hat Trump Zusagen an die G7-Partner, darunter auch Deutschland, zurückgezogen. Nun der Deal mit Kim: Sucht Trump neue Allianzen?
Nein. Trumps Motto „Amerika zuerst“gilt auch bei dieser Einigung. „Er denkt vor allem an die Wähler zu Hause, denen er wieder vermitteln wie markig er aufgetreten ist“, sagt Braml. Um Diplomatie sei es ihm dabei nicht gegangen. Allianzen seien im Weltbild Trumps „von gestern“, meint der USA-Experte: „Staaten haben für ihn keine Freunde, sondern nur Rivalen. Trump denkt in Nullsummen.“Der US-Präsident habe keine Lust, sich an Partner zu binden und „verbindlich und berechenbar“zu sein. „Trump versucht, die liberale Weltordnung zu zerstören.“Laut Josef Braml ist von der „ehemaligen Schutzmacht USA eine härtere Gangart“zu erwarten.
Wieso schmiedet Trump den Deal mit Nordkorea und sagt das Atomabkommen mit Iran ab?
Trump weiß laut Braml, dass er in Nordkorea nichts erreichen kann. „Der Nuklearzug dort ist abgefahren.“ Auch weiß Nordkorea um seine Stärke. Trump könne Nordkoreas Ambitionen nur noch eindämmen, die nuklearen Kapazitäten seien auch militärisch nicht mehr zu beseitigen. Daher übe der US-Präsident stattdessen Druck auf Iran aus. Sollten er und seine Sicherheitsberater zu der Einschätzung kommen, dass Iran Atombomben baut, werden sie, so Braml, schnell mit Präventivschlägen reagieren, vielleicht sogar „noch in diesem Jahr“. Für Kim sei die Absage an das Iran-Abkommen zudem ein weiterer Grund zur Skepsis: „Welchen Anreiz sollte ein nordkoreanischer Führer haben, wenn die Amerikaner je nach Lust und Laune Deals wieder schreddern? Jeder, der bei klarem Verstand ist, lässt sich nicht auf Verträge mit Donald Trump ein“, sagt Braml.