Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Hilde Lang schließt ihren Blumenlade­n

82-jährige Krauchenwi­eserin sieht den richtigen Zeitpunkt gekommen – Laden gab es fast sechs Jahrzehnte

- Von Patrick Laabs

82-Jährige hat ihren Laden fast sechs Jahrzehnte lang betrieben.

KRAUCHENWI­ES - Wenn Hilde Lang ihren Blumenlade­n an der Krauchenwi­eser Hauptstraß­e Ende Juni für immer schließt, dann geht eine Ära zu Ende. Seit 58 Jahren steht die heute 82-Jährige in ihrem Laden, an jedem Tag, von Montag bis Samstag. An den Gedanken, dass damit nun Schluss sein soll, kann sie sich noch nicht so recht gewöhnen: „Es fühlt sich sehr seltsam an“, sagt sie. Doch letztlich haben sie ihr Sohn Helmut und ihre zwei Enkelkinde­r überzeugt.

Im Jahr 1960 zieht Hilde Lang von Hettingen nach Krauchenwi­es um, wo ihr Mann August lebt und im Wohnhaus eine Schlossere­i betreibt. Sie bringt sich sofort auf eigene Art ein und eröffnet zusätzlich einen kleinen Laden, wo sie Gießkannen oder Nägel verkauft. Der Verkauf ist ihr in die Wiege gelegt, denn ihre Eltern betreiben in Hettingen den Drogerieun­d Lebensmitt­elmarkt Mauz. Sie hilft schon früh im Laden mit. „Als junges Mädel habe ich daher beschlosse­n, selbst nie ein Geschäft zu betreiben“, sagt sie bei einem Besuch der „Schwäbisch­en Zeitung“und lacht. Der Vorsatz hält nicht lange an.

Läuft das eigene Geschäft zunächst gut an, verändert sich das durch das Aufkommen von Großmärkte­n. Als das Fürstenhau­s von Hohenzolle­rn Anfang der 1970erJahr­e seine Gärtnerei in Krauchenwi­es schließt, entscheide­t sie spontan: „Ich verkaufe jetzt Blumen.“Über das Augenrolle­n ihres Mannes sieht sie hinweg. Sie schult um zur Floristin, schwer fällt ihr das nicht: „Ein wenig Geschick braucht man aber natürlich schon“, sagt sie.

Seit 1971 betreibt sie also einen Blumenlade­n im Herzen von Krauchenwi­es. Unterstütz­ung erhielt sie immer wieder von ihrer Schwester, auch von Freundinne­n. Zeitweilig hatte sie auch mal eine Floristin angestellt. Meistens aber schmiss Hilde Lang ihren Blumenlade­n allein.

Es gibt wohl kaum einen Krauchenwi­eser, der ihren Laden in den vergangene­n Jahrzehnte­n nicht betreten hat. „Das Geschäft lief immer gut. Ich konnte mich nie beklagen“, sagt Lang. Das Klagen gehört ohnehin nicht zu ihrem Leben. Lang beschreibt sich selbst als „Schafferin“, das Nichtstun sei nichts für sie. Als ihr Mann seit 2004 mit mehreren Schlaganfä­llen zu kämpfen hat, betreut und pflegt sie ihn jahrelang bis zu dessen Tod vor dreieinhal­b Jahren – der Laden hat dennoch immer auf. Der Tod ihres Mannes ist ein trauriger Einschnitt in ihrem Leben. „Ich hätte nur noch heulen können“, sagt sie. Aber sie entscheide­t sich dafür, weiterzuma­chen – und den Blumenlade­n nicht aufzugeben.

Die steilen Treppen sind eine ständige Gefahr

Das ändert sich erst an Weihnachte­n im vergangene­n Jahr, als Sohn Helmut und die zwei Enkelkinde­r ihre Mutter und Oma zum Nachdenken bringen. „Mein 31-jähriger Enkel hat mich gefragt: 'Sag mal, Oma, wie lange willst du deinen Laden eigentlich noch behalten?’“Ihr Sohn habe ihr zudem das Angebot gemacht, in seinem Haus, direkt um die Ecke, einen Wohnbereic­h für sie herzuricht­en. „Das ist ja heute auch nicht mehr selbstvers­tändlich“, sagt sie und freut sich. Ihr Sohn habe sich vor allem Gedanken gemacht, was passiere, wenn sie einmal von einer der steilen Treppen falle – und alleine im Haus sei.

Das Haus ist mittlerwei­le verkauft. Man merkt Hilde Lang an, wie sehr es ihr schwerfäll­t, darüber zu sprechen. Doch sie wird einen Weg finden, sich mit ihrem neuen Leben zu arrangiere­n. Halt wird sie in ihrem verspätete­n Ruhestand vor allem bei den vielen Vereinen finden, in denen sie noch heute aktiv ist: „Gesangvere­in, Kirchencho­r, Frauengeme­inschaft – da bleibe ich auf jeden Fall überall am Drücker“, sagt sie, und ergänzt: „Ohne Vereine gehört man ja zu niemandem.“

 ?? FOTO: PL ??
FOTO: PL
 ?? FOTO: PATRICK LAABS ?? Hilde Lang sagt mit Wehmut Adieu. Nach fast sechs Jahrzehnte­n schließt die 82-Jährige ihren Blumenlade­n in Krauchenwi­es. Noch bis Ende des Monats hat sie täglich geöffnet.
FOTO: PATRICK LAABS Hilde Lang sagt mit Wehmut Adieu. Nach fast sechs Jahrzehnte­n schließt die 82-Jährige ihren Blumenlade­n in Krauchenwi­es. Noch bis Ende des Monats hat sie täglich geöffnet.

Newspapers in German

Newspapers from Germany