Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Hilde Lang schließt ihren Blumenladen
82-jährige Krauchenwieserin sieht den richtigen Zeitpunkt gekommen – Laden gab es fast sechs Jahrzehnte
82-Jährige hat ihren Laden fast sechs Jahrzehnte lang betrieben.
KRAUCHENWIES - Wenn Hilde Lang ihren Blumenladen an der Krauchenwieser Hauptstraße Ende Juni für immer schließt, dann geht eine Ära zu Ende. Seit 58 Jahren steht die heute 82-Jährige in ihrem Laden, an jedem Tag, von Montag bis Samstag. An den Gedanken, dass damit nun Schluss sein soll, kann sie sich noch nicht so recht gewöhnen: „Es fühlt sich sehr seltsam an“, sagt sie. Doch letztlich haben sie ihr Sohn Helmut und ihre zwei Enkelkinder überzeugt.
Im Jahr 1960 zieht Hilde Lang von Hettingen nach Krauchenwies um, wo ihr Mann August lebt und im Wohnhaus eine Schlosserei betreibt. Sie bringt sich sofort auf eigene Art ein und eröffnet zusätzlich einen kleinen Laden, wo sie Gießkannen oder Nägel verkauft. Der Verkauf ist ihr in die Wiege gelegt, denn ihre Eltern betreiben in Hettingen den Drogerieund Lebensmittelmarkt Mauz. Sie hilft schon früh im Laden mit. „Als junges Mädel habe ich daher beschlossen, selbst nie ein Geschäft zu betreiben“, sagt sie bei einem Besuch der „Schwäbischen Zeitung“und lacht. Der Vorsatz hält nicht lange an.
Läuft das eigene Geschäft zunächst gut an, verändert sich das durch das Aufkommen von Großmärkten. Als das Fürstenhaus von Hohenzollern Anfang der 1970erJahre seine Gärtnerei in Krauchenwies schließt, entscheidet sie spontan: „Ich verkaufe jetzt Blumen.“Über das Augenrollen ihres Mannes sieht sie hinweg. Sie schult um zur Floristin, schwer fällt ihr das nicht: „Ein wenig Geschick braucht man aber natürlich schon“, sagt sie.
Seit 1971 betreibt sie also einen Blumenladen im Herzen von Krauchenwies. Unterstützung erhielt sie immer wieder von ihrer Schwester, auch von Freundinnen. Zeitweilig hatte sie auch mal eine Floristin angestellt. Meistens aber schmiss Hilde Lang ihren Blumenladen allein.
Es gibt wohl kaum einen Krauchenwieser, der ihren Laden in den vergangenen Jahrzehnten nicht betreten hat. „Das Geschäft lief immer gut. Ich konnte mich nie beklagen“, sagt Lang. Das Klagen gehört ohnehin nicht zu ihrem Leben. Lang beschreibt sich selbst als „Schafferin“, das Nichtstun sei nichts für sie. Als ihr Mann seit 2004 mit mehreren Schlaganfällen zu kämpfen hat, betreut und pflegt sie ihn jahrelang bis zu dessen Tod vor dreieinhalb Jahren – der Laden hat dennoch immer auf. Der Tod ihres Mannes ist ein trauriger Einschnitt in ihrem Leben. „Ich hätte nur noch heulen können“, sagt sie. Aber sie entscheidet sich dafür, weiterzumachen – und den Blumenladen nicht aufzugeben.
Die steilen Treppen sind eine ständige Gefahr
Das ändert sich erst an Weihnachten im vergangenen Jahr, als Sohn Helmut und die zwei Enkelkinder ihre Mutter und Oma zum Nachdenken bringen. „Mein 31-jähriger Enkel hat mich gefragt: 'Sag mal, Oma, wie lange willst du deinen Laden eigentlich noch behalten?’“Ihr Sohn habe ihr zudem das Angebot gemacht, in seinem Haus, direkt um die Ecke, einen Wohnbereich für sie herzurichten. „Das ist ja heute auch nicht mehr selbstverständlich“, sagt sie und freut sich. Ihr Sohn habe sich vor allem Gedanken gemacht, was passiere, wenn sie einmal von einer der steilen Treppen falle – und alleine im Haus sei.
Das Haus ist mittlerweile verkauft. Man merkt Hilde Lang an, wie sehr es ihr schwerfällt, darüber zu sprechen. Doch sie wird einen Weg finden, sich mit ihrem neuen Leben zu arrangieren. Halt wird sie in ihrem verspäteten Ruhestand vor allem bei den vielen Vereinen finden, in denen sie noch heute aktiv ist: „Gesangverein, Kirchenchor, Frauengemeinschaft – da bleibe ich auf jeden Fall überall am Drücker“, sagt sie, und ergänzt: „Ohne Vereine gehört man ja zu niemandem.“