Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Unbekannte schänden jüdischen Friedhof in Hechingen

Grabsteine werden umgeworfen – Bürgermeis­ter: „Ein solcher Vandalismu­s ist zu verabscheu­en“

- Von Hardy Kromer

HECHINGEN - Es ist wieder passiert: Wie zuletzt vor 25 und vor 28 Jahren ist der jüdische Friedhof Hechingen von bislang unbekannte­n Tätern geschändet worden. In der Nacht von Freitag auf Samstag machten sich die Täter auf dem abgeschied­en am Hechinger Stadtrand in Richtung Sickingen gelegenen Friedhof an ihr Werk. Sie stießen einen Grabstein um und zerstörten ihn dadurch. Einen zweiten, kleineren Grabstein warfen sie über die an dieser Stelle schon frisch sanierte Friedhofsm­auer und beschädigt­en dadurch ebendiese.

Anders als bei ähnlichen, früheren Taten hinterließ­en die Täter diesmal keine Schmierere­ien, die auf eine rechtsradi­kale Gesinnung hindeuten. Michael Kashi, Vorstandsm­itglied der Israelitis­chen Religionsg­emeinschaf­t Württember­g, der der Friedhof gehört, braucht jedoch keine Hakenkreuz­e, um gezielten Antisemiti­smus zu erkennen. „Man sieht, dass das jemand absichtlic­h gemacht hat“, sagte er im Gespräch. „Das erleben wir leider immer wieder und überall.“„Furchtbar“nennt Kashi, was in Hechingen passiert ist, und merkt nüchtern an: „Nicht alle Menschen auf der Welt müssen Juden mögen. Aber was haben ihnen die Toten getan?“Dass man die Toten nicht einfach in Frieden lassen könne, dafür habe er absolut kein Verständni­s.

Auch der neue Hechinger Bürgermeis­ter Philipp Hahn hat die Tat kommentier­t: „Das Bewusstsei­n für die jüdische Vergangenh­eit in Hechingen ist mir und dem Gemeindera­t ein wichtiges Anliegen. Ein solcher Vandalismu­s ist zu verabscheu­en.“

Mitarbeite­r entdecken Schäden

Entdeckt worden war die Schändung von Mitarbeite­rn der Spezialfir­ma Kiris-Bau aus Freudensta­dt, die derzeit im Auftrag der Stadt Hechingen die bröckelnde Umfassungs­mauer saniert. Die Israelitis­che Religionsg­emeinschaf­t, die von der Stadt informiert wurde, hat umgehend bei der Hechinger Polizei Anzeige gegen Unbekannt erstattet – auch wenn Michael Kashis Hoffnung, dass die Täter geschnappt werden, eher gering ist.

„Vor ein paar Monaten“, erzählt er, „wurde die Fassade der Synagoge in Ulm beschädigt. Dort gibt es sogar eine Videoüberw­achung, und trotzdem wurde die Tat nicht aufgeklärt.“

Die letzten Grabschänd­ungen, an die sich Kashi erinnert, waren vor Jahresfris­t in Sontheim bei Heilbronn, an Adolf Hitlers Geburtstag, und 2007 in Freudental im Kreis Ludwigsbur­g. In der Gemeinde, in der seinerzeit Dorothea Bachmann Bürgermeis­terin war, ging man ebenfalls von einer rechtsradi­kalen Täterschaf­t aus.

Am heutigen Donnerstag wird Landesrabb­iner Netanel Wurmser in Hechingen erwartet, um sich ein Bild von den Schäden zu machen. Der Besuchster­min stand freilich schon vor der Freveltat fest und dient in erster Linie der Besichtigu­ng des Sanierungs­fortschrit­ts. Auch Vertreter des Landesdenk­malamts und der Stadt Hechingen werden draußen am „Galgenrain“dabei sein.

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Ein Grabstein wurde über die Friedhofsm­auer geworfen, wodurch von der Mauerkrone ein Stück abgebroche­n ist.
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FOTOS: FIRMA KIRIS-BAU Ein Bild des Jammers: Dieser Grabstein auf dem Jüdischen Friedhof wurde umgestoßen und dadurch zerbrochen.

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