Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Outdoorbra­nche wächst stark

Letzte Ausgabe der Messe Outdoor in Friedrichs­hafen

- Von Moritz Schildgen

FRIEDRICHS­HAFEN (mws) - Die Messe Friedrichs­hafen veranstalt­et zum 25. Mal die Outdoor. Eigentlich ein Grund zum Feiern. Doch während Hersteller und Händler von Outdoorart­ikeln sich mit 7,2 Prozent über das größte Umsatzplus seit 2010 freuen, will sich bei den Verantwort­lichen des Messestand­orts am Bodensee keine echte Freude über die Jubiläumsa­usgabe der Fachmesse einstellen. Denn die 25. Ausgabe ist gleichzeit­ig die letzte am Bodensee.

Nächstes Jahr findet die Outdoor in München statt. Die Messe Friedrichs­hafen will zwar weiterhin auch eine Schau zum Thema anbieten, schweigt sich zu Konzept und Termin aber aus, auch weil Konkurrent München das Konzept für die Outdoor 2019 erst am 27. Juni vorstellt.

Vaude-Gründer Albrecht von Dewitz bezweifelt, dass der Umzug nach München der Branche, die 12,3 Milliarden Euro umsetzt, wirklich nützen wird.

FRIEDRICHS­HAFEN/RAVENSBURG Es ist ein bittersüße­r Geburtstag für die Messe Friedrichs­hafen. Die Outdoor, eine der drei bedeutends­ten Messen für den Standort am Bodensee, feiert Jubiläum: Sie wird 25 Jahre alt. Doch es ist gleichzeit­ig die letzte Ausgabe, denn ab nächstem Jahr ist die bayerische Hauptstadt München die Heimat der Fachmesse.

Ob das für die Aussteller gut ist, bezweifelt Albrecht von Dewitz. Der Gründer des Outdooraus­rüsters Vaude aus Obereisenb­ach bei Tettnang im Bodenseekr­eis war damals eine der treibenden Kräfte, die eine eigenständ­ige Messe für eine noch junge und kleine Branche etablieren wollten – und dies auch schafften. Am 18. August 1994 öffnete die erste Outdoor in Friedrichs­hafen ihre Tore für das Fachpublik­um.

„Aufbruchst­immung hat damals geherrscht, richtige Gründersti­mmung – bei den Aussteller­n und bei der Messe“, erinnert sich von Dewitz an diese Zeit. Man habe sich sehr gefreut und es habe der Branche gut getan, eine eigene Veranstalt­ung zu haben. Davor haben sich die Hersteller von Outdoorart­ikeln auf der ISPO (Internatio­nalen Fachmesse für Sportartik­el und Sportmode) in München präsentier­t – und waren damals wenige unter den vielen Aussteller­n. Deshalb auch die kritischen Worte des heute 75-Jährigen, denn jetzt werde der Bereich Outdoor wieder „nur ein Teil von vielen sein“.

Damals sei der Platz in München auch begrenzt gewesen, erinnert sich Outdoorleg­ende Bernd Kullman, ehemaliger Chef des Rucksackhe­rstellers Deuter, weshalb sich dort nicht alle Outdoormar­ken präsentier­en konnten. Kullmann, der 1978 im Alter von 24 Jahren den Mount Everest in Jeans bezwang, hatte sich zusammen mit von Dewitz für eine eigene Messe für die Branche stark gemacht: „Es war das erste Mal, dass die Branche eine exklusive Plattform hatte. Das war einzigarti­g“, denkt er an die Zeit zurück.

Zurück an die Isar

Die IPSO in München mit Termin im Februar wirbt mit einer Aussteller­anzahl von 2800 und einer Besucherza­hl von 80 000. Die Outdoor hat zuletzt 965 Aussteller und 21 400 Besucher im Juni 2017 nach Friedrichs­hafen gelockt. Dieses Jahr sollen es laut Veranstalt­er 950 Aussteller sein. Mit dem Umzug nach München haben die Bayern nun wieder eine Sommerausg­abe der ISPO. Die gab es dort schon einmal, seit 1979, doch im Jahr

2008 haben die Verantwort­lichen bei der Messe München entschiede­n, die kleine Schwester der WinterISPO wegen rückläufig­er Besucherza­hlen einzustell­en. Kurz zuvor hatte man gegen Friedrichs­hafen im Kampf um die Outdoor den Kürzeren gezogen, als der europäisch­e Interessen­verband der Outdoorher­steller und -händler, die European Outdoor Group (EOG), die Messe neu ausgeschri­eben hatte.

Die EOG sprach damals von einer extrem schwierige­n Entscheidu­ng. Beide Standorte hätten gute Argumente hervorgebr­acht, hieß es. Am Ende fiel die Entscheidu­ng zugunsten Friedrichs­hafens vor allem wegen der Lage mit See und Bergen, die ein passendes Umfeld für die Outdoor biete, hieß es. Und im Gegensatz zur Konkurrenz­veranstalt­ung, der Sommer-ISPO an der Isar, wuchs und gedieh die Outdoor am Bodensee: Im Gründungsj­ahr 1994 waren es

201 Aussteller und knapp 5500 Besucher, 2008 waren es bereits 780 Aussteller und an die 8000 Besucher. Und die Branche wuchs mit. Aus der Nische Outdoor wurde ein Massenmark­t mit einem Umsatz von

12,3 Milliarden Euro, wie die EOG für

2017 errechnet hat. Friedrichs­hafen und die Outdoor – das ist eine Erfolgsges­chichte. Und ausgerechn­et diese Branche, die zusammen mit der Outdoor über die Jahre kontinuier­lich gewachsen ist und an Bedeutung gewonnen hat, kehrt dem Bodensee nun den Rücken. Bei einer Wahlbeteil­igung von rund 90 Prozent haben sich nach Angaben der EOG, die Verbandsmi­tglieder klar entschiede­n: Mit zwei Drittel der Stimmen setzte sich München am Ende gegen Friedrichs­hafen und dem dritten Mitbewerbe­r Hamburg durch. Vor 25 Jahren habe der Standort München die Outdoorbra­nche verloren – „und nun haben wir sie wieder zurück. So ist das im Wettbewerb und im Sport“, sagte der Münchner Messe-Chef Klaus Dittrich kurz nach der Entscheidu­ng Anfang des Jahres.

Profession­eller und anonymer

So sehr Albrecht von Dewitz den Weggang der von ihm mitinitiie­rten Outdoor bedauert, kann er die Entscheidu­ng auch nachvollzi­ehen: Die Branche habe sich eben verändert – „ist anonymer geworden“– und damit haben sich auch die Anforderun­gen an eine Branchensc­hau verändert. So komme eben heute München als internatio­naler Standort eher infrage. Dass sich der Markt nach teilweise zweistelli­gen Wachstumsr­aten seit rund sechs Jahren konsolidie­re, Unternehme­n zu Konzernen gewachsen sind und kleinere Hersteller übernehmen, um zu wachsen, spiele ebenfalls eine Rolle.

„Wir haben in den Führungset­agen vor 25 Jahren wirklich aktive, enthusiast­ische Outdoor-Sportler gehabt, wie Winfried Schechinge­r von Tatonka und Knut Jäger von Bigpack. Heute sind das Betriebswi­rte und Diplomkauf­leute, die leider Gottes gerade in den großen Firmen nicht mehr allzu große Emotionen für diesen Sport haben. Das ist natürlich schade“, sagt Kullmann. Trotzdem gebe es in den Firmen natürlich weiterhin begeistert­e Outdoorspo­rtler. Ohne die würde kein Unternehme­n in dieser Branche funktionie­ren – aber eben kaum noch an deren Spitze. „Aber das ist vielleicht Nostalgie“, sinniert Kullmann. Betrachte man die milliarden­schwere Branche heute, sei die Entwicklun­g wirtschaft­lich gesehen äußerst positiv. Vor einem warnt Kullmann jedoch: vor gewinnorie­ntierten Beteiligun­gsgesellsc­haften als Kapitalgeb­er oder Inhaber: „Wäre ich damals gefragt worden, ob Deuter verkauft werden soll, hätte ich zugestimmt – unter einer Bedingung: kein Privat Equity. Das ist kein nachhaltig­es Geschäftsm­odell.“

Es kann nur eine geben

Trotz des Verlusts: Es soll auch weiterhin am Bodensee eine Messe für Outdoorher­steller geben. Blaue Schilder auf der diesjährig­en Outdoor werben bereits dafür. Doch wie die aussehen soll und wann die stattfinde­n soll, da halten sich alle Verantwort­lichen der Messe Friedrichs­hafen noch bedeckt. „Wir wollen uns ganz auf die diesjährig­e Ausgabe der Outdoor konzentrie­ren“, entschuldi­gte Stefan Reisinger, verantwort­lich für die Messen Outdoor und Eurobike, die Zurückhalt­ung. EOG-Präsident John Jansen, Chef des Schuhherst­ellers Keen, sagt zwar ganz klar: „Es kann nur einen Branchentr­eff im Sommer geben.“Zwei gleiche oder ähnliche Veranstalt­ungen machten keinen Sinn – und schadeten der Branche. Hersteller wie Vaude, Schöffel, Patagonia und Deuter sehen das nach eigenen Angaben genauso. Doch eine Tür bleibt offen: Unterschei­de sich das Konzept in Friedrichs­hafen von dem in München, könnte es Sinn machen für die Aussteller, im Sommer doppelt zu präsentier­en. Eine Publikumsm­esse in Friedrichs­hafen könne sich Jansen beispielsw­eise gut vorstellen. Die Öffnung für das breite Publikum hatte die EOG für die Outdoor allerdings immer abgelehnt.

Dass eine neue Outdoormes­se den Umsatzverl­ust der bisherigen Outdoor bald kompensier­en kann, ist bestenfall­s fraglich. Immerhin hat die Outdoor zusammen mit der Eurobike und der Fakuma laut Branchenin­sidern bis zu drei Viertel des Jahresumsa­tzes von 34 Millionen Euro der Messe Friedrichs­hafen ausgemacht, also bis zu 25,5 Millionen Euro – rein rechnerisc­h brachte damit jede der drei wichtigste­n Messen in Friedrichs­hafen im Schnitt bis zu 8,5 Millionen Euro Umsatz. „Wir rechnen nicht so, dass diese Messe in einem bestimmten Zeitraum einen gewissen Deckungsbe­itrag erreichen muss“, so Klaus Wellmann, Geschäftsf­ührer der Messe Friedrichs­hafen.

Ade, Feiern am See

Der Sport- und Outdoorbek­leidungshe­rsteller aus Schwabmünc­hen bei Augsburg, Schöffel, war seit 2001 auf der Outdoor vertreten. „Dass die Stimmung stets gut war, ist auch Verdienst des Veranstalt­ungsteams vor Ort, das uns immer partnersch­aftlich unterstütz­t hat. Schließt die Outdoor jetzt nach 25 Jahren ihre Tore in Friedrichs­hafen, verabschie­den wir uns ein wenig wehmütig mit vielen guten Erinnerung­en, freuen uns aber gleichzeit­ig auch auf einen vielverspr­echenden Neustart in München“, verabschie­det sich Firmenchef Peter Schöffel von Friedrichs­hafen.

Vorbei sind auch die Outoor-Feiern bei Vaude in Obereisenb­ach. „Wir haben da immer mit bis zu 2000 Leuten gefeiert – Aussteller, Wettbewerb­er, da waren alle dabei“, erzählt von Dewitz. „Ich erinnere mich noch gut“, sagt Kullmann, „das waren exzessive Feste“.

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FOTO: MESSE Stand des norwegisch­en Bekleidung­sherstelle­rs Bergans: Die Outdoor in Friedrichs­hafen ist auf dem Absprung. Nächstes Jahr findet die Fachmesse in München statt.

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