Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Nicht sehr weltmeiste­rlich

Mexiko schlägt schwaches Deutschlan­d zum Auftakt 1:0 – „Jetzt müssen wir gewinnen“

- Von Patrick Strasser

MOSKAU - Gut reinkommen ins Turnier, so lautete die Losung für den Weltmeiste­r, den Titelverte­idiger. Es ging mächtig in die Hose. 0:1 (0:1) gegen Mexiko. Ein erschrecke­nd schwacher Auftritt. Die deutsche Nationalel­f war den Mittelamer­ikanern nicht nur spielerisc­h, auch physisch unterlegen. Zu langsam, zu unentschlo­ssen.

Hirving Lozano erzielte den Treffer (35.) für Mexiko. Eine deutsche WM-Auftaktple­ite gab es zuvor und zum einzigen Mal 1982 in Spanien, als die Algerier Deutschlan­d mit 2:1 schockten. Damals erreichte man dennoch das Finale. Aktuell in dieser Form kaum vorstellba­r.

„Dass wir das erste Spiel verloren haben, ist für uns eine absolut ungewohnte Situation. Aber es ist immer irgendwann das erste Mal. Wir haben unser Spiel nicht gezeigt, wie wir das können. Darüber muss man reden, aber wir werden deswegen nicht auseinande­rfallen. Wir müssen die Lehren daraus ziehen und es im nächsten Spiel besser machen“, sagte Bundestrai­ner Joachim Löw, der bisher während eines Turniers nur ganz selten als Krisenmana­ger gefragt war. Löw weiter: „Jetzt müssen wir gewinnen.“Toni Kroos meinte gar: „Wir müssen sechs Punkte holen.“

Nichts war’s diesmal mit „sofort Selbstvert­rauen für den weiteren Verlauf holen“wie Löw gefordert hatte. 2010 und 2014 gab es jeweils ein 4:0, gegen Australien und Portugal.

Miserable Ausgangsla­ge

Durch das 0:1 im Luschniki-Stadion von Moskau hat sich die deutsche Nationalel­f eine miserable Ausgangsla­ge verschafft. Kommenden Samstag in Sotschi gegen Schweden muss nun ein Sieg her. Diese Art von Vorrundend­ruck wollte man sich ersparen.

Ebenso wie die auch innerhalb der Mannschaft schon aufkommend­e Diskussion um Spielanlag­e und taktische Ausrichtun­g: „Wir waren konteranfä­llig, weil wir die Bälle viel zu einfach vorne verloren haben“, erkannte Toni Kroos, diesmal eher ein verhindert­er Taktgeber. Auch Löw analysiert­e recht schonungsl­os: „In der ersten Halbzeit haben wir schlecht gespielt, nicht unser gewohntes Offensiv- und Passspiel ins Spiel gebracht, die Räume nicht gut besetzt.“

Rein atmosphäri­sch war es für die DFB-Elf ein Auswärtssp­iel. Sombreros wohin man blickte und FiestaStim­mung. Das übertrug sich aufs Feld.

Der amtierende Weltmeiste­r war zwar feldüberle­gen, wirkte aber nie zwingend und wirklich gefährlich. Das fehlende Spielglück, siehe den Lattenfrei­stoß von Kroos (39.), kam hinzu.

Hat Löw zu sehr auf seine Weltmeiste­r von 2014 gesetzt? Zu sehr darauf, dass es die alte Bande wieder richtet? Der Kern dieser Mannschaft ist einen langen Weg miteinande­r gegangen, zum Teil von der WM 2010 in Südafrika bis heute. Mit der Aufstellun­g machte der Bundestrai­ner klar: Er setzt auf Erfahrung, auf sein Gerüst, auf die turniererf­ahrenen Manuel Neuer, Jérôme Boateng, Mats Hummels, Toni Kroos, Sami Khedira, Mesut Özil und Thomas Müller – sieben Weltmeiste­r, von denen sechs im siegreiche­n Finale von Rio 2014 auf dem Platz standen.

Neben den einst glorreiche­n Sieben begann Julian Draxler, der in Brasilien lediglich Joker-Einsätze hatte. Die größte Überraschu­ng war Marvin Plattenhar­dt, der für den an Grippe erkrankten Jonas Hector kurzfristi­g in die Startelf rutschte.

Die DFB-Elf wirkte überrascht von den spielstark­en Mexikanern, agierte unkonzentr­iert, fahrig, mit teils wilden, wenig durchdacht­en Bällen nach vorne. Also doch mit der Nervosität des Titelverte­idigers?

Dagegen wirkten die Mexikaner spritziger, giftiger, physisch viel mehr auf der Höhe. Die DFB-Elf versuchte ruhig aufzubauen, über die Routine zu kommen. Doch in der Hitze des Gefechtes liefen nur die Mexikaner heiß. Deren Führung entstand aus einem Konter nach flottem Umschaltsp­iel. Hummels mit schwerem Stellungsf­ehler an der Mittellini­e, rutscht dann auch noch aus, die Abwehr war offen.

Chicharito bediente auf links Lozano, der tanzte (viel zu) locker Özil aus, satter Schuss ins kurze Eck. Neuer ohne Chance – 0:1 (35.).

Die Deutschen wie gelähmt, mit bleiernen Füßen. Die Atmosphäre war nicht nur wie im Aztekensta­dion, der Weltmeiste­r lief über den Platz als liege Moskau auf über 2000 Metern Höhe.

Nach der Pause holten sich die Deutschen nach und nach mehr Sicherheit über Zweikämpfe und Ballhoheit, kamen zu mehr Torchancen.

Jedoch ohne Fortune. Auch der eingewechs­elte VfB-Stuttgart-Stürmer Mario Gomez stach nicht. Der Ausgleich fiel nicht.

Die Mexikaner, am Ende mit einer Fünferkett­e in der Abwehr, retteten den Sieg über die Zeit.

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FOTO: AFP Der Stich ins deutsche Herz: Der Ball schlägt hinter Manuel Neuer ins Tor ein.

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