Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Naturschützer beklagen Örtlichkeit
Infotag über Artenschutz fand in Göggingen, einem Kiesabbaugebiet, statt.
GÖGGINGEN – Sind Kiesgruben eine Chance für den Artenschutz? Dieser Frage ist am Naturschutztag in Göggingen im Gasthaus Linde der Oberschwäbische Naturschutztag nachgegangen. Dabei ging es am Rande auch um den Kiesabbau in Göggingen. Rainer Ohmacht vom Verein Lebenswertes Göggingen und Umgebung kritisierte, dass Göggingen als Veranstaltungsort ausgewählt worden war.
Der Bund Naturschutz Oberschwaben (BNO) und das Naturschutzzentrum Wurzacher Ried haben in Kooperation mit der NabuOrtsgruppe Sigmaringen den Naturschutztag veranstaltet. Naturschützer und Naturfreunde nahmen teil. Rainer Ohmacht ergriff das Wort und kritisierte, dass die Veranstaltung in Göggingen abgehalten wurde. „Ich weiß nicht, ob Ihnen allen bewusst ist, dass wir hier in Göggingen uns in einem laufenden Verfahren befinden“, sagte er. Er verdeutlichte, dass es in der Bevölkerung Kritik daran gibt, dass es Kiesunternehmen genehmigt wurde, neue Abbaugebiete in Göggingen zu erschließen. „Wer nicht hier wohnt, kann sich das nicht vorstellen was das für die Leute hier bedeutet“, betonte Ohmacht.
Dann kam er auf seinen Kritikpunkt zu sprechen: Wenn er, Ohmacht, Kiesunternehmer wäre, würde er so eine Veranstaltung, in der es um Kiesgruben als Chance für den Artenschutz geht, „ausschlachten“. „Ich hätte mir bei der Auswahl des Ortes mehr Fingerspitzengefühl gewünscht, und keine Baggerschaufel“, sagte Ohmacht, an den BNO gerichtet.
Ausflug zum Kiesunternehmen
Ebenfalls anwesend war Helge-Alexander List, Geschäftsführer des Kiesunternehmens Valet und Ott, das in Göggingen Kies abbaut. Mit Blick auf die Bemerkung des „Ausschlachtens“sagte er betont sachlich, dass er Ohmacht beruhigen könne – das habe er nicht vor. Für den Nachmittag war eine Exkursion der Naturschutztag-Teilnehmer in eine Kiesgrube von Valet und Ott vorgesehen. List unterstrich, dass das Unternehmen im Vorfeld des Naturschutztages keinen aktiven Einfluss genommen habe. Er und das Unternehmen seien selbst überrascht gewesen als der BNO auf sie zugekommen sei.
Horst Weisser, Geschäftsführer des BNO und Moderator des Naturschutztages, betonte, dass der Veranstaltungsort nicht wegen des Kiesabbaus in Göggingen ausgewählt worden sei. Mit dem Gasthaus Linde sei eine gute Infrastruktur zur Durchführung der Veranstaltung gegeben. Und inhaltlich gehe es an diesem Tag um den Austausch miteinander, um „das Beste für den Artenschutz nachhaltig zu erreichen“, sagte Weisser. Es gehe nicht um das Thema Göggingen, ergänzte er gegenüber der SZ. Hans-Joachim Masur, stellvertretender BNO-Vorsitzender, hakte zum Thema Kiesexport nach. „Ja, unser Unternehmen exportiert Kies in die Schweiz“, antwortete Helge-Alexander List. Er habe in diesem Zusammenhang schon die „tollsten Theorien“gehört, bemerkte List voller Ironie. Beispielsweise, dass man in der Schweiz Kies bunkere, um das in 100 Jahren dann teuer an Deutsche zu verkaufen. „Diese Vorwürfe kamen, ernsthaft“, sagte List.
Fachvorträge über Artenschutz
Mehrere Vorträge standen auf dem Programm: Die Vielfalt der Natur im Naturpark Obere Donau, der Lebensraum Kiesgrube sowie die Ziele des Naturschutzes für Abbauflächen waren die Themen der Fachvorträge. Über letzteres beispielsweise sprach Jürgen Trautner, ein Experte für tierökologische Gutachten. Er hat über viele Jahre die Entwicklung einer Kiesabbaulandschaft im Hegau beobachtet. Zumindest in größeren Abbaugebieten könnten besonders wichtige Arten zum Teil längerfristig erhalten werden. Naturschutzfachlich komme in Kiesgruben den frühen Entwicklungsstadien auf nährstoffarmen Roh- und Skelettböden die höchste Bedeutung zu.
Die Naturschützer besprachen auch einen Entwurf für ein Positionspapier des BNO. Darin heißt es, dass es angesichts schwindender Artenzahlen unumgänglich sei, entsprechende Chancen, die sich durch den Abbau von Rohstoffen ergeben, besser zu nutzen. Die bisherigen Rekultivierungskriterien und Regeln für die Nachnutzung müssten zudem modifiziert werden.