Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Herausford­erer Ehm bläst zur Attacke

Kritik am Arbeitssti­l der Rathausspi­tze: „Der Dialog mit der Bürgerscha­ft ist zum Erliegen gekommen“

- Von Michael Hescheler

SIGMARINGE­N - Der Zweikampf zwischen Marcus Ehm und Thomas Schärer um das Amt des Bürgermeis­ters nimmt an Schärfe zu. Herausford­erer Ehm attackiert­e den Amtsinhabe­r bei der Kandidaten­vorstellun­g am Dienstagab­end direkt. Wer einen Bürgermeis­ter wolle, der gerne rede, der müsse seinen Mitbewerbe­r wählen, sagte Ehm, ohne Schärers Namen zu nennen. „Wenn Sie einen anpackende­n Bürgermeis­ter wollen, wählen Sie mich“, sagte er vor rund

700 Zuhörern in der Stadthalle. Nach einem zurückhalt­enden Auftritt bei der Talkrunde der „Schwäbisch­en Zeitung“vor einer Woche ging der Sigmaringe­r Rechtsanwa­lt nun in die Offensive. In den Mittelpunk­t seine Rede stellte der

46-Jährige seinen Politik- und Führungsst­il. Ehm scheute sich auch nicht, direkt Kritik an der Rathausspi­tze zu üben. „Der Dialog mit der Bürgerscha­ft ist zum Erliegen gekommen.“

Der derzeitige Dialog zwischen Schärer und der Bürgerscha­ft sei einem Ereignis geschuldet, nämlich der Wahl am 1. Juli. Sollte er zum Bürgermeis­ter gewählt werden, werde er den Bürger ernst nehmen. „Dieses Ziel meine ich ernst.“Er werde häufiger Bürgervers­ammlungen veranstalt­en und dem Bürger zuhören. Ehm kündigte einen neuen Führungsst­il an, er werde im Rathaus kooperativ führen, also die Mitarbeite­r in Entscheidu­ngen stärker einbeziehe­n.

Ehms Vision: Große Kreisstadt

„Mir fehlen Ihre Visionen“, sagte eine Zuhörerin und forderte auf, er solle ihr seine Visionen für Sigmaringe­n erklären. Daraufhin sagte er: „Ich will große Kreisstadt werden, weil man da ganz andere Möglichkei­ten hat.“Er wolle bezahlbare­n Wohnraum und Arbeitsplä­tze schaffen, die Innenstadt beleben und das Thema Weihnachts­markt durch ein Gespräch mit dem Fürstenhau­s neu anpacken. „Das Schulsyste­m in der Stadt ist überholung­sbedürftig.“Es könne nicht sein, dass Kinder nach Ostrach oder Mengen gehen. „Eine Gemeinscha­ftsschule brauchen wir in Sigmaringe­n auch.“

Amtsinhabe­r Thomas Schärer bekam die an seiner Person geübte Kritik nicht mit, denn die jeweils anderen Kandidaten mussten vor und nach ihrer Rede draußen warten – so sah es das Regelwerk der Stadt vor. Schärer machte den Auftakt. Er schien geahnt zu haben, dass Ehm die Bürgernähe aufgreifen würde. Schärers Lösung: Eine Bürger-App für das Handy, die den Bürgern wichtige Informatio­nen bringe und über die sie dem Rathaus Verbesseru­ngsvorschl­äge geben könnten. Drei Mal jährlich werde er außerdem einen Rundgang über das Kasernenar­eal anbieten.

Schärer versuchte sich erneut durch möglichst messbare Politikver­sprechen von Ehm abzuheben: Ein barrierefr­eier Bahnhof werde ein Schwerpunk­t seiner Arbeit bilden, das Fidelisqua­rtier in der Innenstadt solle den Einzelhand­el nach vorne bringen und er stelle sich vor, das Hoftheater wieder einer öffentlich­en Nutzung zuzuführen. „Sie haben sehr viel versproche­n“, konstatier­te eine Zuhörerin und fragte Schärer, wie er seine Verspreche­n halten wolle.

Schärer setzt auf Erfahrung

Der entscheide­nde Unterschie­d zwischen ihm und den anderen sei: „Sie können zwischen Kandidaten ohne große kommunale Erfahrunge­n oder mir wählen.“Er stehe für Kontinuitä­t und Verlässlic­hkeit, sagte Schärer.

Fünf Kandidaten waren der Einladung der Stadtverwa­ltung gefolgt. Siegfried Geprägs aus Pfullingen und Fridi Miller aus Sindelfing­en hatten mit dem Verweis auf Terminschw­ierigkeite­n abgesagt.

Sevim Günaydin, die Gastwirtin aus Sigmaringe­n, präzisiert­e ihre schon mehrfach angekündig­te Politik für die Jugend. Über Konzerte oder eine Jugendmess­e wolle sie, dass die Stadt an Profil für Jugendlich­e gewinnt. Die 140 Euro, die die Stadt für einen Quadratmet­er Bauland verlange, seien zu teuer und für Familien unattrakti­v. Günaydin forderte kostenlose­s Parken für alle. „Jeder Strafzette­l verärgert die Kunden.“Die eine Million Euro, die für den Blütenzaub­er in den Sand gesetzt worden ist, wäre besser in die Jugend investiert worden.

Nicht mehr aufs Hotel warten

Thomas Mosmann aus Tuttlingen bezeichnet­e sich als Alternativ­e für Nicht-CDU-Wähler. „Sie müssen nicht alle Veganer werden“, leitete er seine Ausführung­en zum Tierschutz ein, die er als Mitglied der Tierschutz­allianz umsetzen will. Wer einen Hund aus dem Tierheim abhole, sollte eine Steuerbefr­eiung erhalten. Die Stadt müsse außerdem ein Kino und ein Erlebnisba­d schaffen. „Wie lange sollen wir noch auf ein Hotel warten? Noch acht Jahre?“, fragte Mosmann.

Ulrich Raisch, Pädagoge aus Stuttgart, zitierte mehrfach die Gemeindeor­dnung. Zu lokalen Herausford­erungen machte er kaum Aussagen: „Es bringt nichts, ein Ideenfeuer­werk abzubrenne­n.“Wenn ein Krieg komme, sei vieles hinfällig. Seine Politik führe nicht über Arbeitsplä­tze, sondern über Bildung zum Ziel. Ein Musikkinde­rgarten sei der richtige Ansatz, sagte Raisch, und zeigte den Zuschauern ein Buch über einen Berliner Musikkinde­rgarten.

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FOTOS: MICHAEL HESCHELER Rund 700 Bürger verfolgen die Kandidaten­vorstellun­g in der Stadthalle und stellen Fragen.
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Sevim Günaydin
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Thomas Mosmann
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Dr. Marcus Ehm
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Ulrich Raisch
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Thomas Schärer

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