Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Herausforderer Ehm bläst zur Attacke
Kritik am Arbeitsstil der Rathausspitze: „Der Dialog mit der Bürgerschaft ist zum Erliegen gekommen“
SIGMARINGEN - Der Zweikampf zwischen Marcus Ehm und Thomas Schärer um das Amt des Bürgermeisters nimmt an Schärfe zu. Herausforderer Ehm attackierte den Amtsinhaber bei der Kandidatenvorstellung am Dienstagabend direkt. Wer einen Bürgermeister wolle, der gerne rede, der müsse seinen Mitbewerber wählen, sagte Ehm, ohne Schärers Namen zu nennen. „Wenn Sie einen anpackenden Bürgermeister wollen, wählen Sie mich“, sagte er vor rund
700 Zuhörern in der Stadthalle. Nach einem zurückhaltenden Auftritt bei der Talkrunde der „Schwäbischen Zeitung“vor einer Woche ging der Sigmaringer Rechtsanwalt nun in die Offensive. In den Mittelpunkt seine Rede stellte der
46-Jährige seinen Politik- und Führungsstil. Ehm scheute sich auch nicht, direkt Kritik an der Rathausspitze zu üben. „Der Dialog mit der Bürgerschaft ist zum Erliegen gekommen.“
Der derzeitige Dialog zwischen Schärer und der Bürgerschaft sei einem Ereignis geschuldet, nämlich der Wahl am 1. Juli. Sollte er zum Bürgermeister gewählt werden, werde er den Bürger ernst nehmen. „Dieses Ziel meine ich ernst.“Er werde häufiger Bürgerversammlungen veranstalten und dem Bürger zuhören. Ehm kündigte einen neuen Führungsstil an, er werde im Rathaus kooperativ führen, also die Mitarbeiter in Entscheidungen stärker einbeziehen.
Ehms Vision: Große Kreisstadt
„Mir fehlen Ihre Visionen“, sagte eine Zuhörerin und forderte auf, er solle ihr seine Visionen für Sigmaringen erklären. Daraufhin sagte er: „Ich will große Kreisstadt werden, weil man da ganz andere Möglichkeiten hat.“Er wolle bezahlbaren Wohnraum und Arbeitsplätze schaffen, die Innenstadt beleben und das Thema Weihnachtsmarkt durch ein Gespräch mit dem Fürstenhaus neu anpacken. „Das Schulsystem in der Stadt ist überholungsbedürftig.“Es könne nicht sein, dass Kinder nach Ostrach oder Mengen gehen. „Eine Gemeinschaftsschule brauchen wir in Sigmaringen auch.“
Amtsinhaber Thomas Schärer bekam die an seiner Person geübte Kritik nicht mit, denn die jeweils anderen Kandidaten mussten vor und nach ihrer Rede draußen warten – so sah es das Regelwerk der Stadt vor. Schärer machte den Auftakt. Er schien geahnt zu haben, dass Ehm die Bürgernähe aufgreifen würde. Schärers Lösung: Eine Bürger-App für das Handy, die den Bürgern wichtige Informationen bringe und über die sie dem Rathaus Verbesserungsvorschläge geben könnten. Drei Mal jährlich werde er außerdem einen Rundgang über das Kasernenareal anbieten.
Schärer versuchte sich erneut durch möglichst messbare Politikversprechen von Ehm abzuheben: Ein barrierefreier Bahnhof werde ein Schwerpunkt seiner Arbeit bilden, das Fidelisquartier in der Innenstadt solle den Einzelhandel nach vorne bringen und er stelle sich vor, das Hoftheater wieder einer öffentlichen Nutzung zuzuführen. „Sie haben sehr viel versprochen“, konstatierte eine Zuhörerin und fragte Schärer, wie er seine Versprechen halten wolle.
Schärer setzt auf Erfahrung
Der entscheidende Unterschied zwischen ihm und den anderen sei: „Sie können zwischen Kandidaten ohne große kommunale Erfahrungen oder mir wählen.“Er stehe für Kontinuität und Verlässlichkeit, sagte Schärer.
Fünf Kandidaten waren der Einladung der Stadtverwaltung gefolgt. Siegfried Geprägs aus Pfullingen und Fridi Miller aus Sindelfingen hatten mit dem Verweis auf Terminschwierigkeiten abgesagt.
Sevim Günaydin, die Gastwirtin aus Sigmaringen, präzisierte ihre schon mehrfach angekündigte Politik für die Jugend. Über Konzerte oder eine Jugendmesse wolle sie, dass die Stadt an Profil für Jugendliche gewinnt. Die 140 Euro, die die Stadt für einen Quadratmeter Bauland verlange, seien zu teuer und für Familien unattraktiv. Günaydin forderte kostenloses Parken für alle. „Jeder Strafzettel verärgert die Kunden.“Die eine Million Euro, die für den Blütenzauber in den Sand gesetzt worden ist, wäre besser in die Jugend investiert worden.
Nicht mehr aufs Hotel warten
Thomas Mosmann aus Tuttlingen bezeichnete sich als Alternative für Nicht-CDU-Wähler. „Sie müssen nicht alle Veganer werden“, leitete er seine Ausführungen zum Tierschutz ein, die er als Mitglied der Tierschutzallianz umsetzen will. Wer einen Hund aus dem Tierheim abhole, sollte eine Steuerbefreiung erhalten. Die Stadt müsse außerdem ein Kino und ein Erlebnisbad schaffen. „Wie lange sollen wir noch auf ein Hotel warten? Noch acht Jahre?“, fragte Mosmann.
Ulrich Raisch, Pädagoge aus Stuttgart, zitierte mehrfach die Gemeindeordnung. Zu lokalen Herausforderungen machte er kaum Aussagen: „Es bringt nichts, ein Ideenfeuerwerk abzubrennen.“Wenn ein Krieg komme, sei vieles hinfällig. Seine Politik führe nicht über Arbeitsplätze, sondern über Bildung zum Ziel. Ein Musikkindergarten sei der richtige Ansatz, sagte Raisch, und zeigte den Zuschauern ein Buch über einen Berliner Musikkindergarten.