Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Albstadt kämpft um seine Jugendlichen
Rund 120 Schüler bringen sich bei Jugendforum ein – Nur vier wollen in Albstadt bleiben
ALBSTADT - Zwei Dinge waren nach dem ersten großen Jugendforum der Stadt Albstadt ganz klar: Es soll, wie Hauptamtsleiter Klaiber am Ende der Veranstaltung betonte, definitiv nicht das letzte Jugendforum gewesen sein: „So etwas muss unbedingt Bestand haben.“
Der zweite Punkt gestaltete sich aus Sicht der Moderatorin Carola Kellner von der SN-Kommunalberatung jedoch weit weniger positiv. Ähnliche Veranstaltungen wie die in Albstadt betreue sie öfter, schickte sie voraus. So „dramatisch wie in Albstadt“habe sich ihr die Situation noch nie dargestellt: „Von 120 anwesenden Jugendlichen wollen nur sage und schreibe vier wirklich ganz bewusst hier bleiben“, zieht sie ein alarmierendes Fazit aus den intensiven Gesprächen mit den jungen Bürgern.
Diese hohe Prozentzahl an jungen Menschen, die nach dem jetzigen Stand der Dinge weg von Albstadt wollen, so gibt sie kurz nach zwölf den Vertretern von Stadtverwaltung und Gemeinderat mit auf den Weg hinein in die Halle, müssten diese sich zu Herzen nehmen. „Man muss um jeden Jugendlichen kämpfen“, fügt sie später hinzu.
Im Saal der Ebinger Festhalle hatten die Jugendlichen Stellwände und Wände mit großen Plakaten gefüllt, auf denen sie aufgeschrieben hatten, wo sie aus ihrer Sicht der Schuh drückt. Und das war eine ganze Menge. Eine intensive Stunde lang unterhielten sich die Verwaltungsund Gemeinderatsvertreter mit den Schülern und nahmen auf, was den jungen Leuten an ihrer Heimatstadt nicht gefällt.
Ganz wichtig war den meisten die Ausstattung der Schulen, sei es im Hinblick auf die Gestaltung der Räume selbst oder auch im Hinblick auf technisches Equipment. „Wir warten schon seit vier Jahren auf neue Computer. Bis heute sind keine da“, sagte eine Schülerin in der großen Diskussionsrunde am Ende. Eine andere bemängelte, dass schon seit einem Jahr Kinder in Rollstühlen in der Schlossberg-Realschule unterrichtet würden. Der hierfür versprochene Aufzug aber sei immer noch nicht da: „Da passiert einfach nichts“.
Auch die Homepage, die zum Start der Schülerforums-Aktion vor etwa zwei Jahren versprochen wurden, fehle noch völlig. Diesbezüglich, räumte Jo Triller, Leiter des Amtes für Familie, Bildung, Sport und Soziales, ein, habe man die beauftragte Firma mehrfach angemahnt. Weitere Punkte waren der aus Schülersicht extrem unpünktliche Nahverkehr mit teils unhöflichen Fahrern, fehlende kostenlose Freizeitmöglichkeiten oder eine als dreckig empfundene Innenstadt.
Beklagt wurde auch, dass so gut wie keine Ferienjobs für Schüler zu bekommen seien. Die Jugendlichen äußerten den Wunsch nach „Chillplätzen“, nach mehr Kultur und, im übertragenen Sinne, Farbe in der Stadt und nach Sportmöglichkeiten, die nicht gleich immer mit einem klaren Leistungsgedanken verbunden sein sollten, letzteres gerade auch im Hinblick auf Jugendliche mit Handicap. Die anwesenden Kommunalvertreter zeigten sich schwer beeindruckt von der differenzierten Vielfalt der vorgebrachten Punkte und versprachen, davon ganz viel mit in die städtischen Gremien zu nehmen. CDU-Fraktionsvorsitzender Roland Tralmer betonte, in den Gesprächen, die er mit den Jugendlichen geführt habe, habe sich der Wunsch nach dem Wegziehen nicht ansatzweise so extrem dargestellt. Er machte den jungen Leuten ein klares Angebot: „Wenn Euch etwas am Herzen liegt, sprecht es aus. Kommt zur Stadtverwaltung, kommt zu uns Gemeinderäten. Denn wenn wir etwas tun können, um euch hier zu halten, dann tun wir das. Denn ihr alle seid die Zukunft unserer Stadt. Das wissen wir alle.“
„Wir warten schon seit vier Jahren auf neue Computer“, sagt eine Schülerin.