Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Albstadt kämpft um seine Jugendlich­en

Rund 120 Schüler bringen sich bei Jugendforu­m ein – Nur vier wollen in Albstadt bleiben

- Von Holger Much

ALBSTADT - Zwei Dinge waren nach dem ersten großen Jugendforu­m der Stadt Albstadt ganz klar: Es soll, wie Hauptamtsl­eiter Klaiber am Ende der Veranstalt­ung betonte, definitiv nicht das letzte Jugendforu­m gewesen sein: „So etwas muss unbedingt Bestand haben.“

Der zweite Punkt gestaltete sich aus Sicht der Moderatori­n Carola Kellner von der SN-Kommunalbe­ratung jedoch weit weniger positiv. Ähnliche Veranstalt­ungen wie die in Albstadt betreue sie öfter, schickte sie voraus. So „dramatisch wie in Albstadt“habe sich ihr die Situation noch nie dargestell­t: „Von 120 anwesenden Jugendlich­en wollen nur sage und schreibe vier wirklich ganz bewusst hier bleiben“, zieht sie ein alarmieren­des Fazit aus den intensiven Gesprächen mit den jungen Bürgern.

Diese hohe Prozentzah­l an jungen Menschen, die nach dem jetzigen Stand der Dinge weg von Albstadt wollen, so gibt sie kurz nach zwölf den Vertretern von Stadtverwa­ltung und Gemeindera­t mit auf den Weg hinein in die Halle, müssten diese sich zu Herzen nehmen. „Man muss um jeden Jugendlich­en kämpfen“, fügt sie später hinzu.

Im Saal der Ebinger Festhalle hatten die Jugendlich­en Stellwände und Wände mit großen Plakaten gefüllt, auf denen sie aufgeschri­eben hatten, wo sie aus ihrer Sicht der Schuh drückt. Und das war eine ganze Menge. Eine intensive Stunde lang unterhielt­en sich die Verwaltung­sund Gemeindera­tsvertrete­r mit den Schülern und nahmen auf, was den jungen Leuten an ihrer Heimatstad­t nicht gefällt.

Ganz wichtig war den meisten die Ausstattun­g der Schulen, sei es im Hinblick auf die Gestaltung der Räume selbst oder auch im Hinblick auf technische­s Equipment. „Wir warten schon seit vier Jahren auf neue Computer. Bis heute sind keine da“, sagte eine Schülerin in der großen Diskussion­srunde am Ende. Eine andere bemängelte, dass schon seit einem Jahr Kinder in Rollstühle­n in der Schlossber­g-Realschule unterricht­et würden. Der hierfür versproche­ne Aufzug aber sei immer noch nicht da: „Da passiert einfach nichts“.

Auch die Homepage, die zum Start der Schülerfor­ums-Aktion vor etwa zwei Jahren versproche­n wurden, fehle noch völlig. Diesbezügl­ich, räumte Jo Triller, Leiter des Amtes für Familie, Bildung, Sport und Soziales, ein, habe man die beauftragt­e Firma mehrfach angemahnt. Weitere Punkte waren der aus Schülersic­ht extrem unpünktlic­he Nahverkehr mit teils unhöfliche­n Fahrern, fehlende kostenlose Freizeitmö­glichkeite­n oder eine als dreckig empfundene Innenstadt.

Beklagt wurde auch, dass so gut wie keine Ferienjobs für Schüler zu bekommen seien. Die Jugendlich­en äußerten den Wunsch nach „Chillplätz­en“, nach mehr Kultur und, im übertragen­en Sinne, Farbe in der Stadt und nach Sportmögli­chkeiten, die nicht gleich immer mit einem klaren Leistungsg­edanken verbunden sein sollten, letzteres gerade auch im Hinblick auf Jugendlich­e mit Handicap. Die anwesenden Kommunalve­rtreter zeigten sich schwer beeindruck­t von der differenzi­erten Vielfalt der vorgebrach­ten Punkte und versprache­n, davon ganz viel mit in die städtische­n Gremien zu nehmen. CDU-Fraktionsv­orsitzende­r Roland Tralmer betonte, in den Gesprächen, die er mit den Jugendlich­en geführt habe, habe sich der Wunsch nach dem Wegziehen nicht ansatzweis­e so extrem dargestell­t. Er machte den jungen Leuten ein klares Angebot: „Wenn Euch etwas am Herzen liegt, sprecht es aus. Kommt zur Stadtverwa­ltung, kommt zu uns Gemeinderä­ten. Denn wenn wir etwas tun können, um euch hier zu halten, dann tun wir das. Denn ihr alle seid die Zukunft unserer Stadt. Das wissen wir alle.“

„Wir warten schon seit vier Jahren auf neue Computer“, sagt eine Schülerin.

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