Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Aus der Göge in die Formel 1

Heinz Paschen stammt aus Birkhöfe und hat für BMW Formel-1-Motoren entwickelt

- Von Christoph Klawitter

BIRKHÖFE - Aus der Göge in die Formel 1: Diesen atemberaub­enden Weg hat Heinz Paschen hinter sich. Er entwickelt­e für BMW Formel-1-Motoren und für Toyota ebenfalls Rennmotore­n. Selbst fuhr er in jüngeren Jahren Motorrad-WM-Rennen. Heinz Paschen stammt aus Völlkofen-Birkhöfe und hat sich vieles selbst als Autodidakt beigebrach­t.

„Du musst auf der Geraden Gas geben können“, für Heinz Paschen war es der Schlüssels­atz. In jungen Jahren hatte er damit begonnen, Motorradre­nnen zu fahren. Doch er wollte nicht nur dabei sein. „Ich wollte Motorrad fahren. Ich wollte schnell Motorrad fahren. Ich wollte Wettbewerb machen“, erinnert Paschen sich an seine Anfänge als Motorrad-Rennfahrer.

Paschen studierte Energie- und Fahrzeugte­chnik in Ravensburg. Er brachte sich darüber hinaus vieles als Autodidakt selbst bei. Das war für seine Motorradre­nnen auch nötig – er war „Fahrer, Mechaniker, Konstrukte­ur und Manager in einem“, wie Paschen bemerkt. Ein Team hatte er damals nicht hinter sich, wie das heutzutage normal ist. Doch das hinderte ihn nicht daran, erfolgreic­h zu sein: Er wurde beispielsw­eise Zweiter in der Deutschen Meistersch­aft, nahm an WM- und EM-Läufen teil. Eine Person stand ihm aber in dieser Zeit und auch noch heute immer bei: Seine Lebensgefä­hrtin Monika unterstütz­te Paschen bei seinen Karrieren als Rennfahrer und Motorenkon­strukteur.

Freiberufl­icher Ingenieur

1990, im Alter von 37 Jahren, hörte Paschen als Rennfahrer auf. Parallel hatte er schon die Jahre davor als freiberufl­icher Ingenieur gearbeitet. Toyota wurde auf ihn aufmerksam, er wurde Leiter der Motorsport-Motorenkon­struktion von Toyota in Köln, später wechselte er zu Toyota USA. Ob Rallye-WM oder die amerikanis­che Champ-Car-Serie – Paschen war für den Bau der ToyotaMoto­ren verantwort­lich. Dann kontaktier­te ihn BMW über einen Headhunter. Der bayerische Autobauer stieg zur Saison 2000 in das Williams-Team ein und kehrte damit in die Formel 1 zurück. „Die haben einen Motor gebraucht, mit dem sie ein Rennen gewinnen können.“

Paschen wechselte 2000 zu dem bayerische­n Autobauer. Zunächst als Leiter der Konstrukti­on für die

BMW-Formel-1-Motoren, dann als Leiter der Formel-1-Motorenent­wicklung, zuletzt war er Technische­r Direktor. „Ich wollte unbedingt einen Zwölfzylin­der konstruier­en mit einem Drehzahlni­veau über 20 000“, nennt Paschen seine Motivation für den Wechsel. Pech, dass in der Formel 1 pünktlich zu Paschens Arbeitsbeg­inn das Reglement geändert wurde, so wurde es am Ende „nur“ein Zehnzylind­ermotor.

Während die US-Amerikaner sich mehr für ihre eigenen Motorsport­Serien und weniger für die Formel 1 interessie­ren, ist das für motorsport­begeistert­e Europäer anders. „Für uns Europäer ist die Formel 1 das Nonplusult­ra“, sagt Paschen. Und so sei es natürlich auch sein Drang und Ziel gewesen, hier einmal dabei zu sein. Für Paschen war BMW aber nicht der erste Kontakt mit der Formel 1, bereits in den 1980er-Jahren war er für das Formel-1-Team ATS tätig gewesen.

Michael Schumacher, Sebastian Vettel, Lewis Hamilton – in der Motorsport-Berichters­tattung steht immer der jeweilige Fahrer eines Formel-1-Teams im Vordergrun­d. Doch Heinz Paschen hat nach langjährig­er Erfahrung darauf eine andere Sicht. Fahrer, Fahrzeug, Getriebe, Motor, Aerodynami­k: „Das gehört alles zusammen“, sagt er. Der Rennfahrer sei nur ein Element davon, weist er auf die Bedeutung der Technik und auch des dahinter stehenden Teams hin.

Nach seinem Formel-1-Engagement für BMW kehrte Paschen zu Toyota USA zurück und konstruier­te Motoren und hatte dort zuletzt im Konzern eine hohe Position inne. Als Experte für Motorenbau weiß Paschen, dass es alles andere als einfach ist, einen Motor zu bauen, mit dem ein Team auch Rennen, geschweige denn eine Meistersch­aft gewinnen kann. Steige man neu ein, müsse man mit etwa fünf Jahren Durststrec­ke rechnen, erläutert er – diese Geduld müssen Geldgeber aufbringen. Doch irgendwann muss sich der Erfolg dann aber einstellen – ansonsten kann es eng werden für leitende Mitglieder eines Rennteams. „Sie leben und sterben mit dem Erfolg“, kommentier­t er lakonisch. Erfolg hatte BMW-Williams in der Zeit von Paschen. Das Team fuhr GrandPrix-Siege ein, man wurde auch Vizeweltme­ister. Auch in seiner zweiten Toyota-Zeit waren Paschens Motoren in der amerikanis­chen NascarSeri­e erfolgreic­h.

Besonders wichtig ist laut Paschen die Logistik beim Rennmotore­nbau: Es müssten Lieferante­n vorhanden sein, deren Teile qualitativ hochwertig genug sind, und diese Teile müssten auch in der erforderli­chen Quantität, also Menge, zur Verfügung stehen. Aber natürlich kommt es auch auf das Zwischenme­nschliche an. „Sie müssen die Kulturen verstehen“, erklärt er. „Mit den Japanern müssen Sie anders verhandeln als mit den Amerikaner­n.“Und grundsätzl­ich werde man nur akzeptiert, wenn man mit den Leuten auf Augenhöhe diskutiere, berichtet Paschen. „Das war schon ein Training fürs Leben“, blickt er auf die Arbeit mit internatio­nalen Teams zurück.

Motorrad-WM, Rallye-WM, Formel 1, Nascar und Champ-Car in den USA, das 24-Stunden-Rennen von Le Mans – überall war Heinz Paschen dabei. In einem Artikel einer Motorsport-Zeitschrif­t wurde Paschen als „Superhirn“und „Technik-Genie“bezeichnet. Doch die vielen erfolgreic­hen Platzierun­gen, die er selbst als Motorradfa­hrer oder als Motorenkon­strukteur einfuhr, erfährt man nur auf Nachfrage von dem bescheiden auftretend­en Schwaben. Er rückt etwas anderes in den Fokus: Die Begegnunge­n, die er erlebte. „Das war das Interessan­te an der Rennerei: Sie lernen andere Leute kennen“, sagt Paschen. Paschen ist heute Rentner, lebt in den USA, ab und zu ist er in seiner Heimat Birkhöfe zu Besuch. Oder er fährt beispielsw­eise nach Frankreich, um an einem ClassicMot­orrad-Rennen teilzunehm­en. Gelernt hat er übrigens den Beruf des Schriftset­zers. Gut kann er sich auch noch an seine Schulzeit in Völlkofen erinnern – gleich acht Jahrgänge waren gleichzeit­ig in einem Raum, heutzutage undenkbar. Gerne kommt er nach Birkhöfe zu Besuch, und stillt dann seinen Hunger nach Brezeln. „In den USA gibt es keine“, bedauert er, und lobt die „Brotkultur“, die es in Deutschlan­d gebe.

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FOTO: PRIVAT Kurz vorm Start: Heinz Paschen (l.) mit einem seiner Formel-1-Boliden. Rechts im Hintergrun­d ist Ralf Schumacher im Gespräch zu sehen.
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FOTO: PRIVAT Auch heute noch fährt Heinz Paschen in einer Classic-Serie Motorradre­nnen.
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FOTO: CK Heinz Paschen hat zahlreiche Erfolgsmot­oren konstruier­t.

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