Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Gericht prüft mögliches Behördenversagen im Fall Staufen
FREIBURG (lsw) - Nach einer Debatte um mögliches Behörden- und Justizversagen im Missbrauchsfall in Staufen will die Jugendschutzkammer des Freiburger Landgerichts Mitarbeiter von Jugendamt und Gerichten als Zeugen hören. Sie sollen im Juli zum Vorwurf etwaiger Versäumnisse vernommen werden, sagte der Vorsitzende Richter Stefan Bürgelin am Mittwoch. Es gebe Aufklärungsbedarf. Jugendamt und zwei Gerichten wird vorgeworfen, einen aus Staufen stammenden Jungen nicht geschützt zu haben. Sie hatten im Frühjahr 2017 entschieden, dass er bei seiner Familie bleiben soll, obwohl es Hinweise auf eine Gefährdung des Kindes gab.
Die Hauptbeschuldigten sind die 48 Jahre alte Mutter des Kindes sowie ihr wegen schweren Kindesmissbrauchs vorbestrafter 39 Jahre alter Lebensgefährte. Die beiden haben gestanden, den heute neun Jahre alten Jungen mehr als zwei Jahre lang im Internet angeboten und Männern gegen Geld für Vergewaltigungen überlassen zu haben. Zudem sollen sie das Kind auch selbst mehrfach sexuell missbraucht haben. Es gibt acht Tatverdächtige.
Der heute 39 Jahre alte Mann lebte den Angaben zufolge mehr als zwei Jahre bei der Frau und dem Kind, obwohl Jugendamt und Gerichte ihm dies untersagt hatten. Kontrolliert worden seien die Verbote nicht. Die beiden beteiligten Gerichte, die sich gemeinsam mit dem Jugendamt um das Wohl des Kindes kümmern sollten, vertrauten eigenen Angaben zufolge der Mutter, dass diese ihr Kind schütze. „Es wurden alle Beteiligten getäuscht. Getäuscht von der Mutter“, sagte Bürgelin. Es habe von der Polizei sowie von der Schule des Jungen und seiner Lehrerin Hinweise gegeben, sagte ein Polizeibeamter am Mittwoch vor Gericht. Anhaltspunkte für die Vergewaltigungsserie hatten die Beteiligten demnach damals jedoch nicht.