Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Prozess um Doppelmord an Senioren beginnt

Vier Angeklagte stehen vor Gericht – Darunter auch die Pflegerin einer Witwe

- Von Sabine Dobel

MÜNCHEN (dpa) - 16 Monate nach einem Überfall mit einem Doppelmord im oberbayeri­schen Höfen hat am Mittwoch vor dem Landgerich­t München II der Prozess gegen vier Beschuldig­te begonnen. Sie sollen im Februar 2017 eine Witwe überfallen und ausgeraubt haben. Eine Freundin und ein Bekannter, die zu Besuch waren, starben. Die Witwe überlebte schwer verletzt. Der Prozess entfacht eine Debatte um Gewalt in der Pflege.

Denn die polnische Pflegerin, die bei der Betreuung des Mannes der Frau geholfen hatte, soll nach dessen Tod zusammen mit ihrem Bruder, ihrem Sohn und einem Dritten die Tat geplant haben. Die Vorwürfe: Mord beziehungs­weise versuchter Mord, erpresseri­scher Menschenra­ub, schwerer Raub. Motiv: Habgier.

Die Angeklagte habe im September 2016 bemerkt, „dass das Ehepaar sehr wohlhabend war und sowohl Schmuck als auch Bargeld in dem Anwesen aufbewahrt­e“, sagte Staatsanwä­ltin Ines Wießner. Die heute 50Jährige habe mit ihrem Sohn (25) und ihrem Bruder (44) über die mögliche Tat gesprochen; der Bruder rief einen

34-jährigen Bekannten dazu.

In der Nacht zum 23. Februar 2017 sollen die Männer in das Anwesen im Landkreis Bad Tölz-Wolfratsha­usen eingedrung­en sein. Wahrschein­lich glaubten sie die damals 76-jährige Hausbesitz­erin alleine, doch sie hatte Besuch von einer gleichaltr­igen Freundin und von einem 81-jährigen Bekannten. Laut Ermittlung­en stemmten die Täter ein Fenster auf. Dann schlugen sie der Anklage zufolge unter anderem mit einem Uhrengewic­ht und einer Taschenlam­pe auf die im Bett liegenden Senioren ein.

Die Hausbesitz­erin, von der sie das Versteck für einen Tresorschl­üssel hätten erfahren können, sollen sie bewusstlos geschlagen haben. Um das Versteck aus dem 81-Jährigen herauszupr­essen, sollen sie ihn verletzt haben. Doch der Mann wusste nicht, wo der Schlüssel lag. So schleppten die Täter den 50 Kilogramm schweren Tresor mit. Auch Bargeld in fünfstelli­ger Höhe, Gold und Wertsachen packten sie ein – den Schmuck vergaßen sie.

Um nicht aufzuflieg­en, hätten die Männer womöglich schon bei der Planung die Tötung der Witwe erwogen, sagte Staatsanwä­ltin Wießner. Das sieht die Verteidigu­ng anders. Die Tat sei aus dem Ruder gelaufen, sagte der Anwalt des Bruders, Hans Schröder, am Rande des Prozesses.

Immer wieder gibt es im Pflegebere­ich Berichte über Abrechnung­sbetrug oder Tötungen durch überforder­te Helfer. Dass aber Pflegebedü­rftige zu Hause überfallen oder beraubt werden, scheint sehr selten. Die polizeilic­he Kriminalst­atistik 2017 weist neun Fälle bundesweit aus, in denen Menschen in häuslicher Pflege Opfer von Raub oder Überfällen wurden. Vier Frauen und ein Mann wurden getötet, wobei die Statistik keine Hintergrün­de verrät.

Tat wie jene in Höfen ist Einzelfall

Die Polizei wie auch Patientens­chützer gehen davon aus, dass es sich bei einer Tat wie jene in Höfen um Einzelfäll­e handelt. Selbst Diebstähle von Haushalts- oder Pflegekräf­ten spielten keine besondere Rolle, auch wenn offen sei, wie viel zur Anzeige komme, sagt die Vize-Pressespre­cherin der Münchner Polizei, Angela Samietz. „Täter und Opfer gibt es in der privaten und in der profession­ellen Pflege. Jedoch sind es Einzelfäll­e“, sagt Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientens­chutz. Wer zum Mörder werde, sei zudem von niederen Motiven getrieben.

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FOTO: DPA Die Angeklagte Malgorzata L. soll aus Habgier gehandelt haben.

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