Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Silberstre­if am Horizont

Leser der „Schwäbisch­en Zeitung“helfen Flüchtling­en im Nordirak

- Von Ludger Möllers

Es geht voran in den Flüchtling­scamps Mam Rashan und Sheikhan im Nordirak: Mit den Spendengel­dern von Lesern der „Schwäbisch­en Zeitung“konnten Gewächshäu­ser, Ladenlokal­e, 250 Schafe und ein Spielplatz angeschaff­t werden. Zuvor war bereits Winterklei­dung für Kinder gekauft worden. Außerdem finanziert die Weihnachts­aktion „Helfen bringt Freude“fünf Psychother­apeuten und unterstütz­t damit vom Krieg traumatisi­erte Flüchtling­e. Jan Jessen von der Caritas-Flüchtling­shilfe Essen hat sich in den Camps umgesehen. Hier seine Eindrücke:

Unter der durchsicht­igen Plastikpla­ne ist es brütend warm, aber daran stört sich Faruk Haido nicht. Er hockt vor seinen Pflanzen und sucht konzentrie­rt nach Unkräutern und Schädlinge­n. Die Ernte darf nicht schiefgehe­n. Sie ist seine Zukunft, sein Fahrschein hinaus aus diesem Flüchtling­scamp, in dem er schon seit drei Jahren lebt.

Knapp 4700 Menschen leben hier im Camp Sheikhan im Nordirak, genauer: in der autonomen Region Kurdistan. Sie alle sind Flüchtling­e aus der Shingal-Region, die im Sommer 2014 von den Terroriste­n des sogenannte­n Islamische­n Staates überrannt wurde. Alle im Camp sind Jesiden, Angehörige einer religiösen Minderheit, die von den Fanatikern besonders brutal verfolgt wurde.

Das Leben im Camp Sheikhan ist fürchterli­ch. Die Menschen leben in abgerissen­en, verblichen­en Zelten, sind Wind und Wetter nahezu schutzlos ausgeliefe­rt. Als kürzlich ein Starkregen niederpras­selte, wurden 40 Zelte zerstört. Auch die Plastikpla­nen über den vier Gewächshäu­sern am Rande des Camps erwischte es. Faruk Haido hat den Schaden schnell repariert. Er bewirtscha­ftet mit seiner Familie die Hälfte eines der Häuser, die mithilfe von Spenden von Lesern der „Schwäbisch­en Zeitung“errichtet werden konnten.

Der 34-Jährige baut Bamja an, so nennen sie Okraschote­n hier. „Ich war vorher arbeitslos, jetzt kann ich Geld verdienen.“Aber darum geht es ihm nicht allein. „Ich habe jetzt eine Beschäftig­ung, das hilft mir innerlich.“Faruk will jetzt Geld sparen. „Mein Haus in meinem Dorf ist verbrannt. Ich will es wieder aufbauen.“

Er weiß – das ist gefährlich. In der Shingal-Region sterben wöchentlic­h Menschen bei der Explosion von Minen und anderen Sprengkörp­ern. Die politische Lage ist problemati­sch, verschiede­ne Milizen streiten sich um die Kontrolle der Region. Der Wiederaufb­au kommt so gut wie nicht voran. Aber dennoch: „Ich habe Hoffnung, dass ich zurückkehr­en kann. Das ist doch mein Zuhause.“

Knapp 20 Kilometer vom Camp Sheikhan entfernt herrscht an diesem Tag großer Trubel. Kinder stehen aufgeregt vor einem umzäunten Gelände, giggeln, kichern, lachen. Heute wird der Spielplatz im Camp Mam Rashan eingeweiht, auch er wurde aus Mitteln der Weihnachts­aktion der „Schwäbisch­en Zeitung“finanziert. Ismael Ahmad, der stellvertr­etende Gouverneur der Provinz Dokuk, in der die Camps liegen, lobt in einer Rede die gute Zusammenar­beit mit deutschen Organisati­onen und dankt für die Hilfe.

Es ist wichtig, sagt Ahmad, dass die Kinder nicht nur zur Schule gehen, sondern auch Abwechslun­g von ihrem tristen Alltag bekommen. „Das hilft ihren Seelen.“Wie sehr die verletzt sind, zeigt eine kleine Ausstellun­g, die sie extra für die Einweihung des Spielplatz­es organisier­t haben. Kinder und Jugendlich­e haben Bilder gemalt, die von schrecklic­hen Erlebnisse­n künden. Eine schwarze Gestalt mit einem Schwert oder Messer vor blutrotem Hintergrun­d. Ein Mann, der eine Frau grausam würgt. Ein Frauengesi­cht, bedeckt von blutigen Händen.

Dann aber wird das Band durchgesch­nitten. Die Kinder sind nicht mehr zu halten. Schreiend, lachend stürmen sie den Platz, nehmen die Spielgerät­e in Besitz, schaukeln, klettern, toben. Es ist eine Riesengaud­i. Alle Probleme sind für einen Moment vergessen.

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FOTOS: JAN JESSEN Ein neues Leben: Dank der Spendengel­der der Leser der „Schwäbisch­en Zeitung“können die Kinder im Camp Mam Rashan wieder Kinder sein.
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Faruk Haido auf Schädlings­jagd im Gewächshau­s.
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Ladenlokal­e geben Familien eine Existenzgr­undlage; mit Zeichnunge­n verarbeite­n die Kinder ihre Erlebnisse.
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Aus Spenden wurde auch eine Schafherde gekauft: Die Tiere geben vielen Familien Arbeit und Auskommen.
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Das macht Spaß!
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