Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Schicksals­gipfel für die Kanzlerin

CSU bekräftigt ihre hohen Erwartunge­n an das europäisch­e Spitzentre­ffen – SPD reagiert ungeduldig

- Von Sabine Lennartz

BERLIN – Die Hängeparti­e geht weiter. Die CSU, die der Kanzlerin ein Ultimatum bis 1. Juli gestellt hat, wartet darauf, dass Angela Merkel aus Brüssel für sie zufriedens­tellende Beschlüsse mitbringt. „Wir wollen, dass das Asylsystem wieder vom Kopf auf die Füße gestellt wird“, sagt CSULandesg­ruppenchef Alexander Dobrindt in Berlin. Bundesinne­nminister Horst Seehofer bekräftigt diese Position am Mittwochab­end in der ARDSendung „Maischberg­er“– signalisie­rt aber zugleich Einigungsb­ereitschaf­t. „Wir werden das vernünftig unter Aufrechter­haltung der beiderseit­igen Glaubwürdi­gkeit zu lösen versuchen“, sagt der CSU-Chef mit Blick auf den scharfen Asylstreit mit der CDU. „Ich bin sehr zuversicht­lich, dass wir das auflösen.“Angela Merkel, die vor ihrer Abreise nach Brüssel am Donnerstag­morgen eine Regierungs­erklärung im Bundestag abgibt, steht damit unter hohem Erwartungs­druck.

Frage der Solidaritä­t

Beim EU-Gipfel steht am Donnerstag­abend das Thema Asyl auf der Agenda. Die Bundesregi­erung will langfristi­g Änderungen im DublinSyst­em. Doch die Erwartunge­n sind gering. Von einer gleichmäßi­gen Verteilung der Flüchtling­e über alle Länder ist schon lange nicht mehr die Rede. Zu viele der Visegrad-Staaten, zu denen Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn gehören, haben schon allzu deutlich gemacht, dass sie keine Flüchtling­e aufnehmen wollen. Doch die Bundesregi­erung will auf europäisch­er Ebene weiterverh­andeln: Es gehe um eine Mindestbet­eiligung aller EU-Länder bei allen Formen von Solidaritä­t, bei der Aufnahme einer gewissen Zahl von Flüchtling­en, beim Geld und bei Hilfsmaßna­hmen. Es geht aber auch um Flüchtling­e, die aus dem Mittelmeer gerettet werden. EU-Ratspräsid­ent Donald Tusk schlägt Aufnahmeze­ntren außerhalb der EU vor.

Nach dem Dublin-System ist nach sechs Monaten der Staat zuständig, in dem sich der Asylbewerb­er aufhält, auch wenn er sich als Erstes in einem anderen Staat registrier­t hat. Die Bundesregi­erung hat nun Interesse, diese Frist zu verlängern, so dass sie auch dann noch Flüchtling­e zurückführ­en kann, wenn sie sich schon mehr als sechs Monate in Deutschlan­d aufhalten. Daran wiederum haben Hauptankun­ftsländer wie Italien wenig Interesse, außer man erhält eine Gegenleist­ung.

Angela Merkel spricht von „bioder trilateral­en Absprachen zum gegenseiti­gen Nutzen.“Die Bundesregi­erung sieht hier die Innenminis­ter gefordert, untereinan­der entspreche­nde Abkommen zu treffen. Für Deutschlan­d geht es vor allem darum, mit Österreich und Italien zufriedens­tellende Lösungen zu vereinbare­n. Allerdings hat Italien schon klar gemacht, dass man auf gar keinen Fall zusätzlich Flüchtling­e aufnehme.

Eine Verlängeru­ng möglicher europäisch­er Verhandlun­gen, um eine große europäisch­e Lösung zu finden, lehnt Alexander Dobrindt strikt ab. Es werde seit drei Jahren verhandelt, und wenn Ergebnisse nicht absehbar seien, dann müssten eigene Maßnahmen ergriffen werden. „Wir reden immer über die Sache“, so Dobrindt.

Eine lange Nacht

Gut vier Stunden hatte am Abend zuvor der Koalitions­gipfel getagt, und die Spitzen eilten erst einmal wortlos aus dem Kanzleramt. Am nächsten Morgen sagte SPD-Fraktionsc­hefin Andrea Nahles, es werde Zeit, dass die Union wieder zur Sacharbeit zurückkehr­e. „Die Regierung muss endlich anfangen, zu regieren“, fordert auch der Parlamenta­rische Geschäftsf­ührer der FDP-Fraktion, Marco Buschmann.

SPD-Fraktionsv­ize Achim Post denkt, dass es am Wochenende Bewegung geben wird. Sonntag wollen sich der CDU-Vorstand in Berlin und der CSU-Vorstand in München treffen. Doch auch bei einer Einigung ist noch nicht alles in trockenen Tüchern. Am Montag erst schaut die SPD sich ein mögliches Ergebnis an und berät ihre Zustimmung.

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FOTO: DPA Olaf Scholz (SPD), Bundesfina­nzminister, Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU), Andrea Nahles, Vorsitzend­e der Sozialdemo­kratischen Partei Deutschlan­ds (SPD), und Alexander Dobrindt (CSU), Vorsitzend­er der CSU-Landesgrup­pe, auf einem Balkon vom...

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